Interview mit Wetterexperten:Winter und kein Ende

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Diplom-Meteorologe Volker Wünsche über einen Winter, der partout nicht enden will, die globale Erderwärmung und den Hundertjährigen Kalender.

Robert Stocker

Irgendwie wird man es langsam leid: Seit Weihnachten hält uns der Winter im Griff, frostige Temperaturen wechseln sich mit Schneestürmen ab, die Natur dämmert immer noch im Winterschlaf. Die neuen Frühjahrskollektionen liegen schon in den Schaufenstern aus, doch für luftigere Kleidung ist es - fast Mitte März - immer noch viel zu kalt. Wann wird es endlich wieder Sommer? Ein Gespräch mit dem Diplom-Meteorologen Volker Wünsche, Leiter des Deutschen Wetterdienstes, über den heuer besonders hartnäckigen Winter.

Der Winter in München bleibt hartnäckig. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Wünsche, geht Ihnen dieses Wetter eigentlich auch auf den Geist?

Volker Wünsche: Manchmal fällt es einem schon schwer, sich damit zu arrangieren. Besonders das nasskalte Wetter ist ziemlich unangenehm.

SZ: Der ewige Winter macht ja schon viele Menschen depressiv...

Wünsche: ...mag schon sein, aber man muss auch sagen, dass wir ein bisschen verwöhnt sind. Die letzten beiden Winter in den Jahren 2007 und 2008 waren eigentlich gar keine richtigen Winter und im Durchschnitt viel zu warm. Jetzt, 2009, hat es immer wieder einmal ergiebig geschneit, auch im Flachland. Dennoch kann man nicht von extremen Schneehöhen sprechen.

SZ: Aber es hört doch praktisch nicht zu schneien auf, die Wintersportgebiete melden hervorragende Bedingungen. Können die Brettlrutscher heuer besonders lange ihrem Hobby frönen?

Wünsche: Häufig fällt der meiste Schnee erst zum Ende des Winters. Die Zugspitze meldet an diesem Montag eine Schneehöhe von 3,65 Metern, auf dem Großen Arber im Bayerischen Wald liegen 1,70 Meter. Das hört sich zwar nach einer dicken Schneedecke an, ist aber eigentlich nicht ungewöhnlich. Da haben wir schon deutlich mehr Schnee gehabt, doch so schell wird er auch nicht verschwinden. Die kalte Meeresluft bleibt uns erhalten, der Tauprozess wird auf sich warten lassen.

SZ: Warum zieht sichder Winter heuer so ewig hin?

Wünsche: Wir hatten häufig Tiefdruckgebiete, deren Zentren lange über Mitteleuropa lagen. An den Rückseiten dieser Tiefdruckgebiete kamen zwar manchmal mildere Luftschichten nach, doch dann folgte immer wieder kalte Meeresluft. Das war auch der Grund für die vielen Niederschläge.

SZ: Aber schafft der Frühling in den nächsten Tagen nicht doch einen Durchbruch?

Wünsche: Das sieht leider nicht so aus. Auf der Rückseite des derzeitigen Tiefdruckgebiets wird am nächsten Sonntag zwar ein Zwischenhoch kommen, doch dem folgt gleich wieder das nächste Tief.

SZ: Um Gottes willen, das ist ja grauenhaft. Und was ist mit dem Klimawandel, der auf lange Sicht angeblich mildere Winter bringen soll?

Wünsche: Der Klimawandel, so viel ist wissenschaftlich erwiesen, wird kommen. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir jetzt nie wieder lange und kalte Winter haben werden. Der Prozess der Erderwärmung wird immer wieder durch atmosphärische Zirkulation unterbrochen. Aber Erderwärmung und Temperaturanstieg muss man langfristig sehen.

SZ: Können wir uns wenigstens auf einen schönen Sommer freuen?

Wünsche: Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.

SZ: Auch nicht ungefähr, eine grobe Prognose vielleicht?

Wünsche: Seriöse Wetterprognosen lassen sich maximal für eine Woche machen. Langfristige Vorhersagen sind unreell.

SZ: Ist der Hundertjährige Kalender dann Firlefanz?

Wünsche: Der Hundertjährige Kalender beruht auf einer Wetterbeobachtung von sieben Jahren und der Annahme, dass sich das Wetter alle sieben Jahre wiederholt. Wissenschaftlich ist das nicht erwiesen.

© SZ vom 10.03.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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