Interview mit Christian Ude:"Der SPD steht Schwerstarbeit bevor"

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Münchens OB Christian Ude warnt die Grünen vor Machtspielchen und seine Partei vor Opportunismus.

Jan Bielicki

SZ: Die SPD war bei den Europawahlen nur drittstärkste Partei in der Stadt. Was bedeutet das für die Rathauspolitik?

Christian Ude fordert die SPD auf, auf das "Alarmzeichen" Europawahl zu reagieren. (Foto: Zeichnung: Dieter Hanitzsch)

Christian Ude: Das ist ja keine Neuigkeit, sondern war schon bei den Europawahlen vor fünf Jahren so. Das Ergebnis ist erschütternd, es ist ein Alarmzeichen, aber es ist erwiesenermaßen kein Signal für die Kommunalpolitik. Wir waren 2004 nur drittstärkste Kraft bei der Europawahl, und trotzdem ist die SPD danach die stärkste Kraft im Rathaus geblieben. Der Wähler stimmt so unterschiedlich ab, dass man aus einer Europawahl keine Legitimation für Rathauspolitik ableiten kann.

SZ: Einige Grüne fordern, dass das grüne Gewicht sich nun in der Ratskoalition stärker bemerkbar machen müsse.

Ude: Das ist absolut lächerlich. Wir haben die Grünen immer als gleichberechtigten Partner auf Augenhöhe betrachtet, auch in Zeiten, in denen es ihnen entsetzlich nass reinging. Dass die Grünen jubilieren, sei ihnen gegönnt. Aber ich warne davor, mit diesem Ergebnis Machtspiele zu rechtfertigen.

SZ: In Stuttgart sind die Grünen stärkste Fraktion geworden - weil sie den Großumbau des dortigen Hauptbahnhofs ablehnen. Fürchten Sie, dass die Grünen sich auch hier gegen Großprojekte wie die Olympia-Bewerbung stellen?

Ude: Nein. Die Münchner Olympia Bewerbung ist in der Koalitionsvereinbarung fest verankert, die die Grünen unterschrieben und gebilligt haben. Daran ist nicht zu rütteln.

SZ: Was passiert, wenn die Grünen Olympia nicht mittragen im Stadtrat?

Ude: Da die grünen Stadträte die Verbindlichkeit der Koalitionsvereinbarung genauso sehen wie ich, ist das eine hypothetische Frage. Ich bin sicher, dass das nicht geschehen wird.

SZ: Was ist schuld am SPD-Desaster?

Ude: Es gibt eine traditionelle Schwäche der SPD bei Europawahlen. Die ist leider gesteigert worden durch eine offensichtliche Entfremdung zwischen unteren Einkommensgruppen und der SPD.

SZ: Wie kann die SPD diese Entfremdung überwinden?

Ude: Durch eine konsequent soziale Orientierung. Man kann etwa Privatisierungen nicht erfolgreich angreifen, wenn man selber mit der Privatisierung der Bahn liebäugelt. Außerdem muss die SPD über ihre Themen langfristig aufklären. Es reicht nicht, Plakate zu kleben, die den politischen Gegner herabsetzen. Ich verstehe nicht, wie man die FDP als Finanzhai darstellen kann, wofür es gute Gründe gibt, gleichzeitig aber sagt, dass man diese Partei gerne als Koalitionspartner hätte.

SZ: Aber welche Koalitionsoptionen hat die SPD im Bund denn sonst?

Ude: Eine Koalition kann man nur mit Kräften anstreben, die dazu auch bereit sind. Das kann nur eine rot-grüne Koalition sein, wahlarithmetisch zwar in die Ferne gerückt, aber inhaltlich plausibel. Oder eine Fortsetzung der großen Koalition. Oder die Notwendigkeit, die Opposition zu stärken.

SZ: Fürchten Sie, dass die München-SPD im September ohne Bundestagsabgeordneten dasteht?

Ude: Ich bin mir sicher, dass Axel Berg im Bundestag bleibt. Das ist aber nicht ausreichend. Ich hoffe, dass Claudia Tausend zumindest ein Listenmandat erhält. Auch Direktmandate sind drin, wenn man sieht, was die CSU verloren hat. Dazu muss die Partei aber nun viel Aufklärungsarbeit leisten und in die Betriebe, Mietergemeinschaften und Sozialverbände tragen. Das wird Schwerstarbeit sein.

© SZ vom 09.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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