Industrie:Das Fenster zum Milliardenmarkt

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Yu Kai, Chef von Catarc, will China und Europa noch stärker verbinden - mit einem Büro in München. (Foto: Florian Peljak)

Chinas größte staatliche Forschungsstelle für Autos hat in München ein Auslandsbüro eröffnet, das erste weltweit. Es soll den deutschen Konzernen mit chinesischen Standards helfen. Die Firmen wiederum hoffen auf mehr Einfluss

Von Pia Ratzesberger, München

Es ist eher ungewöhnlich, eine Eröffnungsfeier mit einem Seminar für die Gäste zu verbinden, aber dies ist wohl auch keine gewöhnliche Eröffnungsfeier. Yu Kai steht vorne am Rednerpult, auf der Leinwand hinter ihm verbindet ein blaues Geflecht Europa und China. Das ist, was Yu Kai hier im Saal rüberbringen will: Europa und China müssten doch zusammenarbeiten. Der Chef von Catarc, dem größten staatlichen Forschungsinstitut Chinas für Automobile, sagt dann Sätze wie: Er erhoffe sich "eine bessere Koordination mit den chinesischen Standards". Und: Das neue Büro in München sei "das Fenster zu Europa".

Denn Catarc hat bisher keine einzige Dependance im Ausland eröffnet, nicht einmal in den USA, nun hat man sich für die bayerische Landeshauptstadt entschieden. Das China Automotive Technology and Research Center, also kurz Catarc, ist eine Art chinesischer TÜV; das Institut testet Motoren und Lampen, die Karosserien und die gesamten Fahrzeuge, überprüft, ob sie den gesetzlichen Standards Chinas entsprechen. Eine Handvoll Mitarbeiter zieht an die Bernhard-Wicki-Straße 7 neben der Hackerbrücke. Dort wird mit ausgehandelt werden, wie das Autogeschäft zwischen Deutschland und China läuft.

Es geht um viel: Für die deutschen Hersteller ist China der wichtigste Markt. Wer dort verkaufen will, muss die dortigen Standards erfüllen. Und dafür ist Catarc die wichtigste Institution.

Deshalb sitzen in den Reihen vor Yu Kai an diesem Tag Vertreter aller großen Autohersteller, von Ferrari und Porsche, von Volkswagen und Audi und natürlich von BMW. Sie alle zücken immer wieder ihre Handys, fotografieren die Folien, auf denen Mitarbeiter von Catarc ihre Vorträge präsentieren, auf denen sie erklären, wie viele Elektroautos China mittlerweile selbst im Land herstellt, an wie vielen Stationen die Leute schon aufladen können. Angekündigt hatte man ein Seminar zu "Entwicklungspolitik, Standards und Regulierung der chinesischen Automobilbranche" - ein Titel, der manchen hier beunruhigen könnte.

Erst vor wenigen Tagen nämlich hat ein neuer Gesetzesentwurf die deutschen Autofirmen verschreckt, nach dem die Volksrepublik schon von 2018 an eine Elektroquote einführen könnte. Unternehmen müssten dann einen bestimmten Anteil an elektrischen Fahrzeugen verkaufen. Die deutschen Firmen hätten es in China damit schwerer als in den vergangenen Jahren, als alles so einfach zu sein schien: In der Volksrepublik konnten sich immer mehr Menschen ein Auto leisten, die deutschen Hersteller verdienten daran.

Bayern zum Beispiel verkaufte zuletzt Waren im Wert von 14 Milliarden Euro im Jahr nach China, damit ist die Volksrepublik einer der wichtigsten Handelspartner überhaupt. Doch gerade weil China momentan einer der wichtigsten Absatzmärkte ist, ist es für die deutschen Firmen so wichtig wie nie zuvor zu wissen, was die Regierung in Peking plant, welche Standards Autos in zwei Jahren erfüllen müssen, welche Tests bestehen. Viel davon werden sie von nun an in München erfahren. Man erhoffe sich einiges von dem Büro, heißt es auch bei der Stadt; man sei froh, dass Catarc München gewählt habe und keinen der anderen großen Standorte der Automobilindustrie, es habe da durchaus einen Wettbewerb gegeben.

Als Wolfgang Hübschle, Leiter der staatlichen Agentur Invest in Bavaria die Bühne betritt, versichert er noch einmal, dass die Landeshauptstadt die richtige Wahl war, in München habe man auf kleinem Raum bedeutende Firmen versammelt, verschiedene Branchen und, noch viel wichtiger, man habe die Teststrecke auf der Autobahn A 9 für selbstfahrende Autos. "Wir erwarten, dass das, was Catarc vorschlägt, in China irgendwann Standard sein wird." Auf die Frage, ob man nicht fürchte, dass der Einfluss Chinas weiter wachse, dass die Volksrepublik die Regeln diktiere, sagt eine Sprecherin von BMW nur: Man fürchte sich nicht. China bestimme die Standards für China, das sei schon immer so gewesen.

Ganz am Ende dann, als das Seminar vorbei ist, eröffnet Yu Kai doch noch das neue Büro, weil die Eröffnungsfeier aber im Haus der Bayerischen Wirtschaft stattfindet und eben nicht an der Bernhard- Wicki-Straße, behilft er sich mit einem Video. Darin fegen Autos über Teststrecken, Karosserien prallen gegeneinander, Puppen fallen in Airbags. Am Ende aber fliegt, ganz unspektakulär, ein Flugzeug von China nach München.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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