Immobilienmesse in Frankreich:Senf-Dilemma in Cannes

Lesezeit: 2 min

Süßen Senf in Cannes aufzutreiben, erwies sich als unmöglich. (Foto: Imago)

Hunderte Weißwürste, aber nicht ein Glas süßer Senf: Dieses Schreckensszenario ereignete sich auf einer Immobilienmesse in Cannes. Die Lösung: Der Senf wurde mit einem Taxi aus München herbeigeschafft.

Von Andreas Remien, Cannes

Schon am Ende des ersten Messetages hat die Küche Alarm geschlagen: Es wird nicht reichen. Der Senf geht aus. In Cannes, wo vergangene Woche die internationale Immobilienbranche zur Messe Mipim zusammenkam, drohte auf der Sonnenterrasse des München-Standes eine kulinarisch-prekäre Situation: Hunderte Weißwürste, aber nicht ein Glas süßer Senf. Am Ende blieb den Organisatoren nur noch eines übrig: Der Senf musste mit einem Taxi aus München herbeigeschafft werden.

Die kulinarischen Angebote der Aussteller sind nicht zu unterschätzen. Internationale Investoren tun sich zuweilen schwer, den deutschen Markt mit seinen vielen großen Städten zu verstehen. Eine im Sinn des Wortes gute Portion Lokalkolorit kann da also nicht schaden.

Süßer Senf ist eine Rarität im Süden Frankreichs

So locken auf der Mipim die Aussteller aus Stuttgart mit Maultaschen, die Berliner mit Curry- und die Münchner mit Weißwürsten. Dieses Konzept ist unter der Frühlingssonne am Mittelmeer seit Jahren bewährt, genauso übrigens wie die Strategie vieler englischer Aussteller, lieber französische Canapés anzubieten, statt mit eigener Küche potenzielle Anleger in die Flucht zu schlagen.

Es zeigte sich, dass München und Cannes nicht nur gut 800 Kilometer auseinander liegen, sondern dass sie auch kulinarisch ziemlich weit voneinander entfernt sind. Süßen Senf an der Côte d'Azur aufzutreiben, erwies sich als aussichtsloses Unterfangen. Kein Glas, keine Tube, nicht einmal ein Tütchen war in den Feinkostläden zu finden.

Senf aus Bayern
:Mittelscharf gegen süß

Ein Klecks Weltanschauung: Händlmaier in Regensburg und Develey in Unterhaching teilen sich in Bayern den Senf-Markt. Und obwohl Johann Conrad Develey den süßen Senf erst erfand, kauft den der Bayer heute vor allem bei Händlmaier.

Von Wolfgang Wittl

Dijon-Senf ist kein Ersatz

Das mondäne Image der Glitzerstädte Cannes und Nizza hat dadurch fraglos Schaden genommen. Sollte George Clooney jemals bei den Filmfestspielen eine Weißwurst essen wollen, sollte man ihm wegen der unsicheren Senfversorgungslage dringend davon abraten. Zumal sich auf der München-Terrasse ein vom lokalen Großhändler eilig herbei geschaffter und mehrfach als süß angepriesener Senf beim Servieren - voilà - als scharfer, grob gemahlener Dijon-Senf erwies. Freilich ist das manchem Gast nicht unangenehm aufgefallen - glücklich sind die Ahnungslosen.

Schnell war klar: Die vegetarische Variante Breze und Obazda konnte keine Dauerlösung sein. Schnelles Handeln war geboten. Der Linienflug von München nach Nizza schied allerdings aus (zu kompliziert und zu teuer), ebenso der Privatjet (definitiv zu teuer) und ein Overnight-Kurier (zu bürokratisch). Und so kam es, dass sich am Ende ein Münchner Taxifahrer über einen geschätzten Fahrpreis von 1400 Euro freute, Hunderte Senftüten in seinen Wagen lud und sie über Nacht nach Cannes chauffierte.

Am nächsten Tag strahlte der Himmel in Cannes in bayerischem Weiß und Blau, auch die Gespräche liefen gut. Die Stadt München steht in der Gunst der Immobilieninvestoren weiter ganz oben auf der Liste. Gleichgültig, wer da welchen Senf dazugibt.

© SZ vom 18.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: