Immobilien in München:Steuerrecht fördert teure Mieten

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Erklärungsversuche eines Münchner Hauseigentümers zu einem Markt, in dem am Ende alles bei Großgesellschaften landet

"Zum Wohl der Mehrheit" vom 30./31. Januar:

Als Mitbesitzer eines Stadthauses im Bereich der Erhaltungssatzung von München und als Unternehmer kann man Ihren Artikel leider nicht so stehen lassen. Es wird hier die Ursache nicht untersucht: Woher kommen teure Mieten?

In unserem Fall vermieten wir seit Jahren sehr günstig an langjährige Mieter. Das führt dazu, dass im Erbfall sogar mehr Steuern bezahlt werden müssen, wenn man unter dem Mietspiegel bleibt. Das Finanzamt geht hier von dem Bodenwert zuzüglich dem Ertragswert der Immobilie aus und nicht nur von den Ertragswerten. Im Extremfall könnte das bei dem in Ihrem Artikel geschilderten Modell dazu führen, dass ein Erbe gezwungen ist, seine Immobilie zu verkaufen, und weniger Geld erzielt, als er Steuern zahlen müsste.

Das Steuerrecht treibt hier die Mieten nach oben. Im Erbfall werden Familien-Immobilien sehr hoch besteuert, bei sehr geringen Freibeträgen. Das führt in der Konsequenz dazu, dass privat gehaltene Immobilien verkauft werden müssen. Damit ändert sich die Vermieterstruktur drastisch in den Städten. Immobiliengesellschaften werden nicht so hoch besteuert, es fällt keine Erbschaftssteuer an und diese haben ganz andere Abschreibungsmöglichkeiten. Immobilienbesitzer mit bereits langjährig abgeschriebenen Immobilien werden hier aus den Städten verdrängt, und das führt zu einem massiven Druck auf die Mieter.

Die Mechanismen steigender Mieten sind folgende: Die Zentralbank fördert mit ihren niedrigen Zinsen und der ausgegebenen Geldmenge steigende Immobilienpreise - M3 hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt (M3 ist nach Zentralbank-Definition ein weit gefasster Geldmengen-Begriff und umfasst Bargeld, Sichteinlagen, Termin- und Spareinlagen, Beträge aus Wertpapiergeschäften, Schuldverschreibungen, Geldmarktpapiere und Geldmarkt-Fondsanteile; d. Red.). Der Staat verhindert über den Inflationswarenkorb eine sinnvolle Zinsentwicklung und Inflation und damit steigende Löhne (die Reallöhne sind seit 2000 leicht gesunken).

Die Steuergesetzgebung und Erbschaftssteuer fördert den Transfer von Immobilien in Firmenstrukturen und befeuert dadurch den Markt. Wohnraum wird dadurch zum Spekulationsobjekt.

Die Städte haben jahrelang diese Entwicklung zugunsten großflächiger Investoren gefördert. Die kleinteiligen Parzellen aus dem Mittelalter bis zur Gründerzeit mit einer heterogenen Besitzerstruktur, die unser Stadtbild immer noch positiv bestimmen, wurde jahrelang nicht umgesetzt. Erst sehr zaghaft mit dem Aufschwung der Genossenschaften gibt es hier einen neuen, besseren Ansatz. Die Vorstädte mit ihrer gleichförmigen Bebauung werden dagegen in nicht mehr auflösbaren WEG-Strukturen rechtlich erstarrt traurig fortbestehen.

In der sozialen Marktwirtschaft müssen die gesellschaftlichen Zusammenhänge gesamtheitlich betrachtet werden. Ich empfehle einen Winterspaziergang an einem der oberbayrischen Seen und dabei darauf zu achten, wie viele der Immobilien bewohnt werden. Wenn ich das sich ergebende Bild in die Städte spiegle, sehe ich andere Probleme.

Hannes Schelbert, München

© SZ vom 18.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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