Im Boden verborgen:Gefährliche Blindgänger

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Von Thomas Schmidt, München

Die Schwabinger Fliegerbombe war aufgrund einer Tatsache etwas Besonderes, etwas besonders Gefährliches: Als bisher einziger in München entdeckter Blindgänger war sie nicht mit einem gewöhnlichen Aufschlagszünder, sondern mit einem perfiden chemischen Langzeitzünder ausgestattet. Der ist so konstruiert, dass er erst Stunden oder sogar Tage nach dem Abwurf auslöst und damit Feuerwehrleute oder Aufräumhelfer in den Tod reißt. Das macht auch die Entschärfung so schwierig, weil solche Bomben ohne Erschütterungen jederzeit explodieren können.

Abgesehen davon aber war der Blindgänger keine Besonderheit, eher im Gegenteil. Während des Zweiten Weltkriegs regneten Tausende Bomben auf München nieder. Alten Aufzeichnungen zufolge warfen US-amerikanische und britische Flugzeuge 61 000 Spreng- und 142 000 Flüssigkeitsbrandbomben über der Stadt ab, 3 316 000 Stabbrandbomben und fast 500 Luftminen. Das tonnenschwere Inferno legte 90 Prozent der Altstadt und rund die Hälfte der gesamten Bausubstanz Münchens in Schutt und Asche. Fachleute gehen davon aus, dass gut zehn Prozent der abgeworfenen Bomben nicht explodierten, manche rechnen sogar mit bis zu 20 Prozent, genau kann das niemand sagen.

Begraben unter Schutt und Erde schlummern die Sprengsätze dann unentdeckt im Boden, bis die Schaufel eines Baggers sie freilegt oder - im besseren Fall - ein Spezialdienst sie rechtzeitig vor Baubeginn findet. Der Münchner Experte für Blindgänger, Karlheinz Kümmel, schätzte vor einiger Zeit, dass noch rund 10 000 Sprengsätze verborgen in Münchens Erdreich liegen. Bei Neubauprojekten können Luftaufnahmen, die kurz nach Kriegsende erstellt wurden, bei der Gefahren-Prognose helfen. Damals ließen US-Streitkräfte Flugzeuge aufsteigen und die Schäden fotografieren. Trichter, um die im Kreis Erdreich aufgeworfen war, zeigen explodierte Bomben. Schwerer zu erkennen sind Blindgänger; auf den Bildern sehen sie bestenfalls wie kleine Löcher aus mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Weil der Bombenabwurf über München so massiv war, gilt prinzipiell für alle Flächen bis heute ein Kampfmittelverdacht. Ausgenommen natürlich jene Bereiche, die nachweislich schon von Experten untersucht und von explosiven Altlasten geräumt wurden.

Aber nicht jede Entschärfung gelingt auch. Im Juni 2010 detonierte ein Blindgänger in Göttingen, gerade als die Einsatzkräfte mit der Entschärfung beginnen wollten. Drei Menschen starben. Die Bombe besaß einen chemischen Zünder - genau wie die Schwabinger Bombe.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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