Hochzeitsmesse:Macht man halt so

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High-Heels-Training, Ringe zum Selbstschmieden, Feste für 15 000 Euro und mehr: Beim Besuch auf einer Hochzeitsmesse zeigt sich, welche Auswüchse der Hype ums Heiraten hat

Von Mercedes Lauenstein

Der Weg ins Reich der Illusionen führt über den Frankfurter Ring, Tankstelle, Autohaus, vorbei am Fabrikverkauf eines Chemieunternehmens bis zum Parkplatz der Eventlocation MTC. Es ist Hochzeitsmesse in München, sie heißt "Trau Dich!", und es gibt sie auch in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln und Stuttgart. Macht man das jetzt so? Auf Hochzeitsmessen gehen? Und meinen die Menschen das dann ernst? Oder gern auch ironisch, weil es so schön bescheuert ist, haha? Höchste Zeit also, sich das einmal anzusehen. Vielleicht versteht man dann, warum Heiraten immer pompöser, wichtiger und showmäßiger wird bei jungen Menschen.

Die Besucher der Website von "Trau Dich!" werden geduzt. Alles pink, viele Herzen, und anders als bei anderen Messen steht da nicht einfach die Zahl der Aussteller, sondern die Zahl der sogenannten "Inspirationen", die hier auf einen warten: "über 5000". Das Tagesticket kostet 12 Euro pro Person, das Happy-Hour-Ticket ab 16 Uhr acht Euro, das "Mädelsticket" zehn Euro (ab drei Freundinnen). Wer im Vorverkauf Tickets kauft, bekommt bei Ankunft ein Plastikglas mit Sekt.

Es ist zehn Uhr morgens. Man sieht vor allem verunsichert dreinblickende junge Paare. Einige mit Schwiegermutter im Gepäck, andere mit Kinderwagen und Baby, oder auch mit Kinderwagen ohne Baby, dafür übervoll mit Flyern, Magazinen, Goodie-Bags. Die Standbetreiber tragen schimmernde Anzüge. Was sie sagen, geht nach einer Weile ineinander über:

"Haben Sie schon für Musik gesorgt?"

"Brauchen Sie noch ein Kleid für Ihren großen Tag?"

"Haben Sie schon Trauringe?"

"Wäre eine Feuershow etwas für Sie?"

"Darf ich Ihnen unsere Dekoherzen mitgeben?"

"Mögen Sie Liebesbriefe, haben Sie schon einmal von Zeitkapseln gehört?"

"Ihr Weg zur Traumfigur?"

"Sind Sie sicher, dass Sie den richtigen Fotografen haben?"

"Ein schönes Paar verdient eine schöne Party."

"Machen Sie nicht irgendein Fest, Sie heiraten ja auch nicht irgendwen!"

Einer jungen Frau in nietenbesetzter Lederjacke und mit durchgepiercten Ohren kommt Rauch aus der Nase, ihrem ganzkörpertätowierten Freund mit Undercut auch, wie beim Shisharauchen, aber nicht wegen Shisha, sondern wegen einer Art Show-Popcorn, das beide probieren. Man könnte sie aufgrund ihres Outfits für eher subversiv eingestellte Menschen halten, die niemals auf so etwas Spießiges wie eine Hochzeitsmesse gehen. 2017 sind sie die perfekte Zielgruppe: urban, individuell, unkonventionell, in Wahrheit natürlich kaum etwas von allem, am wenigsten das letzte. Für sie gibt es Cupcakes, süße bunte Fähnchen, Gastgeschenkboxen, Umbinde-Fliegen aus Holz (Slogan: "Genieße es, ein Mann zu sein").

Etwas weiter gibt es eine Hobbygoldschmiede, sie hat gleich drei Stände nebeneinander gemietet, an mehreren Arbeitsplätzen schmieden sich Besucher ihre eigenen Hochzeitsringe. Landgasthöfe stellen ihre Tischdekoration vor, weiße Hussen für einen Euro Reinigungsgebühr pro Stück. Eine Firma mit eigener Postlizenz bietet Hochzeitsbriefpakete an, sie lässt einem Ehepaar die zur Hochzeit verfassten Briefe ihrer Freunde über Jahre hinweg regelmäßig zukommen, um sie so "durch die Ehe zu begleiten". Das "Silberhochzeitspaket" umfasst 25 Briefe, die über eine Laufzeit von 25 Jahren zugestellt werden.

Nichts hier scheint aus der echten Welt zu stammen. Die Marken der Kleider und Anzüge tragen Namen, als seien sie für Hochzeitsbedarf in einem Satiremagazin erdacht - oder für Dessous im Rotlichtmilieu. Für die Braut: Sincerity, Sweetheart, Elizabeth Passion. Für den Bräutigam: Masterhand the Dresscode, Cavaliere Ceremony, Sons of Savile Row. Anprobieren kann man auf der Messe übrigens nichts. Das gäbe irrsinnig lange Schlangen, heißt es. Man soll sich Termine vereinbaren in den zugehörigen Ateliers, die meistens in Vororten oder auf dem Land sitzen. Berührt man die Stoffe von diesen noch nie gehörten Marken an, dann fühlen sie sich eher nach Faschingskostüm an als nach echter Eleganz. Was insofern natürlich folgerichtig ist, als so eine Hochzeit ja tatsächlich mehr Fasching als alles andere ist: einen Tag Prinzessin sein, sich einen Tag wie ein König fühlen.

Es ist mittlerweile fast 15 Uhr, und noch immer ist sehr wenig Ironie in den Gesichtern zu sehen. Dafür langsam mehr Mädelsgruppen mit Sekt. Fragt man sie, woher sie kommen, sagen sie Österreich, Dingolfing, Oberfranken, nur selten München. Einige haben schon das Standesamt hinter sich, jetzt muss noch die Party kommen. Und für die geben sie viel Geld aus. 15 000 Euro ist das Minimum, das man zu hören bekommt, mit Zusätzen wie: "Aber eigentlich habe ich es jetzt schon überschritten und bin bald beim Doppelten." Und dem Zusatz-Zusatz: "So ist das eben bei einer Hochzeit, geht ja allen so." Wie sie das bezahlen? Bis auf zwei Unternehmensberaterinnen ("Bei Geld sind wir ganz leidenschaftslos, wenn man es hat, kann man es ja auch ausgeben") sagen alle: gespart halt, Familie legt zusammen, macht man ja so, nur einmal im Leben. Also, hoffentlich. Sie sind hier, weil man im Internet zwar alles für die perfekte Hochzeitsparty ergoogeln kann, aber halt nichts anfassen oder erleben.

Die Erkenntnis an diesem Tag ist, dass die Messebesucher absolut einer Meinung sind mit dem, was hier auf allen Aufstellern und Plakaten geschrieben steht: Die Hochzeit ist der schönste Tag in deinem Leben, beeindrucke deine Freunde mit dem perfekten Fest. Woher der Hype? Denken die Heiratenden nie drüber nach, was man mit 30 000 Euro sonst noch so machen könnte? Wollen sie das alles, oder wollen das ihre Eltern? Glauben sie echt alle an das Konzept Traumhochzeit?

Stellt man den Messebesuchern diese Fragen, dann begegnen einem große Augen, Achselzucken und die Überzeugung, dass es eben so ist. Einige sagen, sie wollten bewusst ein Zeichen gegen den Trend zur Patchworkfamilie, hohe Scheidungsraten und die bindungsunfähige Single-Mentalität setzen. Pro Liebe, pro Zusammenhalt! Nur wohin dann mit der düsteren Gewissheit, dass diese Traumhochzeitskulisse, das High-Heels-Training im Vortragsraum im zweiten OG und die Honeymoon-Safari zum weißen Traumstrand auch für nichts garantieren können? Aber wahrscheinlich ist das den meisten egal, und das ist natürlich richtig so, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Und wieso aus Angst vor Enttäuschung auf etwas verzichten?

Eine Frau versteht die Fragen dann doch. Sie hat eine Agentur für DJs und Events und erzählt, Hochzeitsmessen habe es schon immer gegeben, das Bedürfnis nach Festlichkeit auch. Aber sie mache das jetzt seit 22 Jahren und der Markt sei jedes Jahr beknackter geworden. Es gehe nur noch ums Angeben, sagt sie. Warum? Hochzeitsshows im Fernsehen, Traumhochzeits-Blogger, Instagram. Keine Generation zuvor hat sich so sehr miteinander verglichen, täglich, stündlich, sogar sekündlich.

"Hier werden Bedürfnisse geschaffen, die es nie gab", sagt sie. Am besten habe ihr ein Aussteller im vergangenen Jahr gefallen: Der hatte Liebesluft in Konservendosen für fünf Euro das Stück im Angebot, als Geschenk für Hochzeitsgäste. Das sei wie eine Parodie auf den ganzen Zirkus gewesen. Im Übrigen, der Hochzeitsmarkt sei ohnehin mehr Schein als Sein. Die meisten Firmen überlebten nicht mal ein Jahr. Auch sie macht das mit den Hochzeits-DJs im Nebenjob. Hauptberuflich arbeite sie nach wie vor als Speditionskauffrau. Denn nur in der Hochzeitsbranche? Da würde sie ja verrückt werden. Zum Abschied sagt sie: "Heiratet nicht, liebt euch so."

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© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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