Hochhäuser in München:Maß nehmen bei Allerweltsstädten - und bei Homer Simpson

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Was SZ-Leser der Stadt ins Stammbuch schreiben auf dem Weg zwischen gemütlichem Bewahren und modernem Aufbruch

Vorreiter SZ-Zeichnung: Dieter Hanitzsch (Foto: N/A)

Zu: "Der Trend zum Hochhäuschen" vom 13. März:

Kastrierte Proportionen

Alfred Dürr schreibt vom "soliden baulichen Mittelmaß" in München, dem zwar der "Übermut nach oben" fehle, was aber mit einigen Hochhaus-Highlights aufgehübscht werden könnte. München bräuchte ja deshalb "nicht ,Mainhattan' nachzueifern und schon gar nicht Manhattan, braucht nicht das Vorbild von Frankfurt oder New York".

Diese beiden Städte haben aber gerade wegen ihres herrlichen Hochhaus-Panoramas eine Skyline, ein Profil, ein Gesicht, das München und anderen deutschen Städten leider fehlt. Wenn man in Frankfurt von Sachsenhausen aus über den Eisernen Steg Richtung Innenstadt geht, kann man beobachten, wie dort alle das prachtvolle Hochhaus-Ensemble zur Linken fotografieren, aber kaum einer die Altstadt mit Dom zur Rechten. Abends funkeln die hohen, schlanken Hochhäuser elegant, stolz und majestätisch, fragil, wie Sektgläser auf einem Tablett. In München dagegen stehen sie zu vereinzelt, ihre Proportionen kastriert, deformiert und entwürdigt. Zusammengestaucht auf die bayerische Maßeinheit plumper Bierkrüge beim Picknick im Felde, möglichst umgeben von Grün. Als müssten sie hinter Camouflage versteckt werden.

Nein, mit diesem Prinzip "Unser Dorf soll schöner werden" kann aus München keine architektonische Metropole werden. Sabine Matthes, München

Bausünden und düstere Optik

München kann sich glücklich schätzen, hat es doch eine unverwechselbare, einprägsame und schöne Stadt-Silhouette. Diese sollten wir hüten, wie unseren Augapfel. Andere Städte wie Hamburg hatten bislang keine und jetzt, da die Stadt mit der Elbphilharmonie ein signifikantes Wahrzeichen hat, überlegt man dort, diesen wunderbaren Bau mit einem 200-Meter-Turm zu erschlagen.

Berlin kann als unverwechselbares Wahrzeichen nur seinen irgendwie "sowjetisch-sputnikhaften" Fernsehturm aufbieten. Frankfurt hat sich mit seiner konsequenten Hochhauspolitik zwar in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen, global gesehen ist die Skyline aber eine von vielen und austauschbar.

Die historischen, europäischen Städte sind weltweit einmalig und sollten selbstbewusst ihr Gesicht bewahren, anstatt den "Allerweltsstädten" nachzueifern. Unter diesem Gesichtspunkt sollte meines Erachtens auch die Hochhausdebatte geführt werden. Im "fernen Osten", Richtung SZ-Hochhaus, darf es ruhig höher werden, aber warum unbedingt 200 Meter? Welche besondere Qualität hätte das?

In der Innenstadt darf es aber keine Fehler mehr geben, wie die zerstörte Sichtachse in der Ludwigstraße oder am Wittelsbacher Platz, wo der Siemens-Neubau sein hässliches, graues Haupt über das Klenze- Palais erhebt.

Am Hauptbahnhof droht diesbezüglich neues Ungemach. Wenn die Stadtspitze ankündigt, sie wolle dort etwas Neues wagen, sollten alle, denen am Stadtbild gelegen ist, alarmiert sein. Solchen Anwandlungen verdanken wir zum Beispiel den Kaufhof am Marienplatz, das Betongebirge auf der Theresienhöhe (ehemals Karstadt) oder den Motorama-Komplex an der Rosenheimer Straße. Für letztere wurden, ältere Münchener werden sich erinnern, zwei historische Biergärten, wie es sie in dieser Reinform gar nicht mehr gibt, geopfert. Damals hatte der Stadtrat die Vision, München bräuchte auf den Isar-Hochufern moderne, städtebauliche Dominanten.

Natürlich kann am Hauptbahnhof etwas Neues gebaut werden, aber nicht in dieser Höhe und nicht in dieser plumpen Form. Das geplante Hochhaus erinnert figürlich an Homer Simpson (schmale Schultern, fetter Bauch). Wie wäre es denn mit zwei schlanken, hellen und etwas niedrigeren Türmen? Überhaupt fällt auf, dass viele der vorgestellten Hochhäuser in ihrer kantigen und düsteren Optik kein Gewinn für das Stadtbild sein werden. Hans Kössler, München

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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