Hitzewelle:Wie eiskalt ist dies Hähnchen

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Ob Konfiserie, Kirche oder Kühlraum: Nicht überall brütet die Hitze. Ein Spaziergang zu kühlen Orten, die der Hitzewelle trotzen.

Claudia Wessel

Frieren. Wie war das nochmal? Verwöhnt, beziehungsweise geplagt von der Sommerhitze fängt man dieser Tage in manch unbedachtem Moment an, sich dieses Gefühl herbeizuwünschen und es für viel besser zu halten als Dauerschwitzen. Um sich von solch frevlerischen Gedanken zu befreien, sollte man einen kleinen Abkühlungs-Rundgang machen.

Ein bis zwei Grad: Ilse Hinke kommt nicht ohne ihre Strickjacke in den Metro-Markt. (Foto: Foto: SZ / Haas)

Erste Station: Eine beliebige Kirche. Schon wenn man die schwere Tür öffnet, begrüßt einen ein kühler Luftzug. "Klimaanlagen gibt es in den rund 2000 Kirchen im Bereich unseres Bistums nicht", erklärt Winfried Röhmel, Pressesprecher des Erzbischöflichen Ordinariats.

Dicke Mauern gegen Hitze

"Aber Kirchen sind schon rein bauphysikalisch gegen allzu hohe Temperaturschwankungen gefeit." Das sei auch gerade in kulturhistorischen Kirchen sehr wichtig, damit die Kunstwerke nicht beeinträchtigt würden.

Im Sommer schützen die dicken Mauern gegen die Hitze, im Winter kann es ziemlich kalt bleiben. Heizungen gibt es daher durchaus in einigen Kirchen, so Röhmel. Im Dom etwa werde im Winter dafür gesorgt, dass die Temperatur nicht unter 16 Grad falle.

Zur Zeit scheint es in den Kirchen allerdings kühler als es wirklich ist. "Zirka 25 Grad" schätzt Röhmel die Temperatur im Dom. "Aber das empfindet man jetzt als sehr kühl."

"Oh! Das ist ja richtig kalt!"

Einer Sinnestäuschung glaubt auch zu erliegen, wer das Pralinengeschäft "Walter Cordes" in der Fürstenfelder Straße 13 betritt. Richtig kalt ist es da drin - und doch 18 Grad warm! Was einem beim Warten auf den Frühling schon als sehr viel erscheint, ist jedoch auf die Dauer trotzdem zu wenig, erklärt Mitinhaberin Bettina Ruchner.

Sie bringt täglich mehrere Kleidungsstücke mit, um sich peu a peu mehr anzukleiden. "Am Morgen stehe ich hier noch im Top", verrät sie. "Gegen Mittag ziehe ich dann meine Bluse an, und spätestens am Nachmittag ziehe meinen Pulli drüber." Wer's nicht glauben mag, weil er gerade erst aus 33 Grad hereingeschneit ist, dem reicht Bettina Ruchner gerne die Hand. Sie ist eiskalt.

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"Ich arbeite seit 20 Jahren in unseren Geschäften, ich bin daran gewöhnt", sagt die Geschäftsfrau. Eine Erkältung holt sie sich so schnell nicht mehr. Die stetige leichte Unterkühlung erträgt Ruchner ihren Pralinen zuliebe. "Denen tut das sehr gut, und auf diese Weise kann ich auch im Moment meine Kunden mit gutem Gewissen losschicken.

Pralienenverkäuferinnen schwitzen weniger: Eva Heinisch arbeitet bei angenehmen 18 Grad. (Foto: Foto: SZ / Haas)

Die Pralinen packe ich dick in Zeitungspapier, das hält dann eine Weile." Für die Leckermäulchen ist ein Besuch vor der Pralinentheke dieser Tage eine willkommene Abkühlung. "Oh", sagt jeder, der das Geschäft betritt, so auch Eva Heinisch. "Das ist ja richtig kalt. Und tut gut."

Zum Einkaufen unbedingt die Wolljacke mitnehmen

Vom eiskalten Händchen zum eiskalten Hähnchen: Wahrhaftig kalt ist es im Reich von Thomas Eck im Metro-Markt am Helene-Wessel-Bogen. "Ein bis zwei Grad", sagt Eck, betrage die Temperatur in seiner Fleischabteilung. Wer sich vor dem Grillen am heißen Isarstrand noch einmal richtig abkühlen möchte, dem sei ein Einkauf hier empfohlen.

Möchte man sich allerdings beim Aussuchen der auf 140 Quadratmeter ausgelegten Waren etwas Zeit nehmen, sollte man ein Jäckchen mitbringen, so wie Ilse Hinke. "Ich kaufe immer hier ein, deshalb trage ich meine Wolljacke", sagt sie und hält diese am Hals zusammen, weil ihr noch immer kalt ist.

Alle anderen Kunden, die offensichtlich nicht so weit gedacht oder aber sich einfach zu sehr nach Kälte gesehnt haben, bleiben nur sekundenlang in dem kühlen Raum, rennen schnell hinein und wieder heraus und reiben sich die nackten Arme.

Doch auch, wer die Fleischabteilung, in der Thomas Eck übrigens das ganze Jahr über seine Thermojacke trägt, wieder verlassen hat, muss in Bewegung bleiben, um nicht zu frieren.

"Wir haben hier Obst und Gemüse und alle Frischeabteilungen aneinander gereiht", erläutert Geschäftsleiter Günther Kreuzhuber. "Die vielen offenen Kühltruhen sorgen für niedrige Temperaturen. Hier sind es nur neun Grad." Selbst bis hinauf in sein Büro zieht ein Rest der Kühle, "wenn man die Fenster zu lässt."

Ab in die Sauna

Kühle Orte sind im Moment auch schattige Friedhöfe, Kaufhäuser, Tiefgaragen, Kellergewölbe und die Saunen der städtischen Schwimmbäder. Ja, tatsächlich. Wer sich einem Saunagang mit anschließendem Wechselbad aussetzt, wird durch die kleinen Temperaturschocks mit wohlig kühlen Schauern belohnt.

Und kann überdies nach 90 Grad an 33 Grad nichts Schlimmes mehr finden. Wie schon Winfried Röhmel über die Kirchen sagt: "Es wird etwas als kühl empfunden, was es nicht ist."

© SZ vom 27.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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