Historie:Als die Wiesn still stand

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Sie sind selten, aber es gibt sie: die ruhigen Augenblicke auf dem rastlos bunten, rasend lauten Oktoberfest. (Foto: Christof Stache/AFP)

Vor 40 Jahren erschütterte das Attentat auf dem Oktoberfest die Stadt. Ein Programm erinnert an die Ereignisse und den schweren Weg zur Wahrheit.

Von Franziska Herrmann

Der 26. September 1980 war einer der dunkelsten Tage in der Geschichte Münchens. Um 22.19 Uhr explodierte in einem Papierkorb nahe dem Haupteingang des Oktoberfests die Bombe. 13 Menschen verloren ihr Leben. 213 wurden verletzt. Heute weiß man: Es war der größte rechtsextreme Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber trotz der Wiederaufnahme der Ermittlungen 2014, sind die Hintergründe des Anschlags bis heute nicht klar. Im Juli 2020 wurden die Ermittlungen beendet. Neu ist die endgültige Bewertung der Bundesanwaltschaft, die einen rechtsextremistischen Hintergrund erkennt: "Der Täter wollte die Bundestagswahl 1980 beeinflussen und strebte einen Führerstaat nach Vorbild des Nationalsozialismus an".

Dass dieser Spur erst mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen nachgegangen wurde, stimmt nachdenklich. Viele Fragen bleiben offen. Auf welcher Verwaltungs- oder politischen Ebene wurde das Verfahren damals gestoppt und warum? Theorien über Mittäter oder Mitwisser des Bombenlegers konnten nicht bewiesen werden. Was uns bleibt: die Erinnerung wachzuhalten an das, was passiert ist. Denn es passiert auch heute. Rechtsextremistische Anschläge, wie zuletzt auf zwei Shisha-Bars in Hanau im Februar diesen Jahres und 2019 auf eine Synagoge und einen Imbiss in Halle, sind Taten, die uns erschüttern. Sie dürfen nicht vergessen oder verschwiegen werden.

Zum diesjährigen Jahrestag des Oktoberfestattentats wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Gedenkveranstaltung am Haupteingang der Münchner Theresienwiese eine Ansprache halten und eine neue Dokumentationsstätte eröffnen. Dass es diesen Ort braucht, das zeigte auch der voll ausgelastete Saal des Volkstheaters bei einer Podiumsdiskussion. Einblicke gaben die Überlebende Renate Martinez, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, Werner Dietrich, Rechtsanwalt vieler Opfer, und der Journalist Ulrich Chaussy. Vor allem die noch ausstehende Opferentschädigung wurde diskutiert. Durch die Bewertung als rechtsextrem motivierte Tat, steht sie den Überlebenden zu. Bei Renate Martinez, die nach dem Anschlag fünf Monate im Krankenhaus lag, hat sich noch niemand gemeldet: "Es wäre schön, das noch zu erleben", sagt sie. Die Erinnerung wachhalten und in der Gegenwart wach sein, in Zeiten in denen Menschen mit rechtem Gedankengut die Stufen des Bundestags erreichen - es helfe nichts, das zu verharmlosen, wendet sich die SZ-Journalistin und Moderatorin Annette Ramelsberger mit klaren Worten an das Publikum. Es seien Menschen, die sich von einer Stimmung getragen fühlten, in der sie tun könnten, was sie wollten, weil es so etwas in Deutschland nicht geben dürfe, nicht geben könne: "Deswegen müssen wir widersprechen und dürfen kein Verständnis zeigen, wenn solche Tabus verletzt werden".

© SZ vom 23.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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