Hinter Glas:Kalte Küche

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Der gusseiserne Schaukasten des sogenannten Schnitzelhauses. (Foto: Stephan Rumpf)

Nur das Speisekarten-Kasterl erinnert an das "Schnitzelhaus"

Von Andrea Schlaier

Sagen wir: Es ist kein herkömmlicher Gruß aus der Küche. Gegrüßt wird hier zwar wacker von Gegnern der Atomkraft, der Tierversuche oder Freunden hochprozentiger To-go-Ware. Und eben auch von denen, die meinen, auf Augenhöhe von Westend-Flaneuren seien ihre Botschaft und der ganze Müll aus der Hosentasche recht streetartig verräumt. Dagegen würde sich das, wofür der gusseiserne Schaukasten () eigentlich einmal aufgehängt wurde, vergleichsweise bieder ausnehmen: Der schriftliche Gruß aus der einstigen Küche des sogenannten Schnitzelhauses. Eine Speisekarte hing hier aber lange nicht. Schließlich steht das Haus an der Holzapfelstraße 10 seit 2013 leer.

Wie ein Fenster in die Vergangenheit spitzt zurzeit allein die verschnörkelte Box aus bodenlangen weißen Planen hervor, die vom Dach bis aufs Trottoir herunterhängen. Wieder einmal gehen Bauarbeiter ein und aus. Wieder einmal keimt Hoffnung, dass endlich neues Leben in das hellblaue Eckhaus einkehrt.

So bilderbuchhaft Altmünchnerisch wie zu Zeiten der Eheleute Hans und Rosina Ortler wird's künftig natürlich nicht. Im 1871 gebauten Anwesen öffneten sie Mitte der Zwanzigerjahre ihren "Gambrinus" und betrieben das Wirtshaus mit Familienhilfe bis etwa 1950. Es war Treffpunkt von Handwerkern, auch der Metzger, der den Schweinsbraten und die Haxn lieferte, ließ es sich in der holzvertäfelten Stube schmecken. Bei Hochzeiten setzte sich ein Herr im Anzug ans Klavier, unter der Woche trafen sich Stammtischbrüder zum Karteln. Wenn die Tür zur Straße aufflog, wehte eine Schwade Malzgeruch der umliegenden Brauereien herein, man hörte das Getrappel der Pferdefuhrwerke, die das Bier in Fässern ins Haus lieferten.

Die Vergangenheit dieses Fleckchens München lässt sich vergleichsweise präzise betrachten. In der Gegenwart tut man sich schwerer mit konkreten Details zu der Immobilie, die nach einer späteren Nutzung im Viertel immer noch als "Schnitzelhaus" in aller Munde ist. Die Eigentümergemeinschaft sucht nicht eben das Licht der Öffentlichkeit, und im Haus fehlt es seit langer Zeit nicht nur an Glühbirnen.

Was bleibt, ist der Blick aufs städtische Verwaltungsprozedere: 2010 wird bei der Lokalbaukommission eine Vergrößerung der Gaststätte im Erdgeschoss beantragt, 2011 die Genehmigung zum Ausbau des Dachgeschosses und der Umbau der oberen Wohnungen erteilt. 2018 dann alles neu: Der Abbruch des alten Daches für ein größeres neues geht beim Amt durch.

Aktuell prüft die Behörde, ob das alte Wirtshaus und der Laden im Erdgeschoss zu Büros umgebaut werden dürfen. Das wär's dann endgültig mit dem Gruß aus der Küche, vorne am Haupteingang im Kasterl hinter Glas.

Mit der Adventsserie "Hinter Glas" schaut die Stadtviertel-Redaktion hinter sehenswerte, nicht nur weihnachtlich geschmückte Fenster.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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