Hinter Glas:Geschrumpft in der Auslage

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Patrik Muff. (Foto: privat)

Der Schmuckdesigner Patrik Muff ist seine eigene Dekoration

Von Jutta Czeguhn

Jedes Jahr im Advent der gleiche Stress. Wie dekoriert man nur heuer wieder das Schaufenster? Tannenzweige, Kugeln, Engelsflügel? Für Patrik Muff wäre derlei Weihnachtsfirlefanz sowieso nicht in Frage gekommen. Also hat sich der Schmuckdesigner gleich selbst in die Auslage seines Geschäfts an der Ledererstraße gesetzt. Dort findet man ihn nun in dreifacher Ausführung; mal sitzt er da in Denkerhaltung , mit Birkenstocks an den Füßen, mal kniet er im Anzug und hievt ein Packerl nach oben, mal überreicht er ein riesiges Geschenk, formell mit Trachtenhut auf dem Kopf. Umgeben ist Muff von den eigenen, wilden Entwürfen, wie ein geschrumpfter Gulliver im Land der Riesen. Was für eine paradiesische Perspektive. Wer würde nicht gerne mal zwischen Ringen, Ketten und Ohrgehängen herumstreifen?

Um zu seiner eigenen Schaufensterdeko zu werden, musste Patrik Muff erst einmal schrumpfen. Dazu hat er sich in die Röhre eines 3D-Studios begeben, wo ihn zig hochauflösende Kameras aus allen Blickwinkeln scannten und in ein dreidimensionales Modell verwandelten. Die Daten seines Miniatur-Selbsts wanderten dann in einen hochmodernen 3D-Drucker, der aus der digitalen Vorlage Schicht für Schicht ein Replikat aus Polymergips formte, teilweise farbig. So kommt's, dass auf der Haut des Mini-Muffs auch seine vielen Tattoos zu sehen sind. "Ich bin eben bunt", sagt er stolz über seine geschmückte Dermis.

Wer glaubt, diese Schaufenster-Idee sei speziell, hat Muffs Werkstatt noch nicht besucht. Vom Verkaufsraum geht's ein paar Stufen hinab in einen Raum voller Wunderlichkeiten. Dort geht es geschäftig zu, Mitarbeiter sitzen an ihren Werkbänken oder stöbern in den unzähligen Schubladen. An den Wänden, in den Fensternischen, überall Geweihe jedweder gehörnter Kreatur. Dazu Tierschädel und eine Anatomie-Puppe, die ihre Organe offenbart. In einem gotisch anmutenden Hausaltar hängt ein Jesusbild, das einen schlafenden Gekreuzigten zeigt.

Gotische Wasserspeier, Wappen, Totenköpfe, Käfer - Patrik Muff liebt sie als Inspiration. "Punky Barock" nennt der Schweizer seine Entwürfe, die ihn einst zu einem der jungen Wilden der deutschen Schmuckszene gemacht haben. Dabei stammt er aus einem kleinen Ort im Kanton Luzern, aus einer Familie von Kunsthandwerkern. Und als solcher versteht auch er sich, selbst wenn er nach einer Goldschmiedelehre in Köln Kunst studiert hat, und heute mit seinem Schmuck längst in internationalen Galerien und Juweliergeschäften vertreten ist, für Weltmarken designt und sogar im Krimi eines Münchner Autors vorkommt. Womöglich aber fühlt sich das für ihn immer noch nach Gulliver im Riesenland an.

Mit der Adventsserie "Hinter Glas" schaut die Stadtviertel-Redaktion hinter sehenswerte, nicht nur weihnachtlich geschmückte Fenster.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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