Hinter Glas:Gebete vor Gebeinen

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Das Skelett der heiligen Munditia. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein Schrein in St. Peter beherbergt das Skelett der heiligen Munditia

Von Stefan Mühleisen

Die Einbrecher kamen in der Nacht, schlugen das Fenster ein, kletterten in die Kapelle im nördlichen Seitenschiff der St. Peterskirche. Dann wandten sie sich dem Ziel ihres Raubzugs zu: dem Schrein der heiligen Munditia , den sie zerschmetterten. "Sie stahlen bunte Glassteine, mit denen die Gebeine der Heiligen geschmückt waren, da sie diese wohl für Edelsteine hielten", vermerkt die Stadtchronik für den 4. Mai 1975. Auch Dummheit ist eine Gottesgabe, könnte man hierzu anmerken. Christian Thalhammer, Mesner in St. Peter, drückt es so aus: "Sie hat's überlebt."

Er spricht über das kunstvoll geschmückte Skelett der Munditia Protogenia, eine sogenannte Ganzkörperreliquie, die seit 341 Jahren in ihrem wieder makellosen gläsernen Schrein ruht. Sie gilt als Patronin der Witwen und alleinstehenden Frauen. Es ist ein besonderes Artefakt im Alten Peter auf dem Petersbergl zwischen Marienplatz und Rindermarkt. Das Knochengerüst einer kleinen Frau, mit transparenter Gaze überzogen, der Schädel auf einem Kissen gebettet. In den Augenhöhlen stecken, eingefasst von goldenem Brokat, große Glasaugen, die sich zum Orgelbalkon hinwenden. Bekränzt von einem silbernen Lorbeerkranz hält die in fein gewebtes Textil gewandete Knochenfrau einen Glaspokal in der rechten Hand, in der linken balanciert sie einen vergoldeten Palmzweig.

Für Thalhammer ist die heilige Munditia eine alte Bekannte nach 33 Jahren als Mesner in St. Peter. Er erzählt von den feierlichen Messen mit Lichterprozession zum Gedenken an den Todestag der Munditia jedes Jahr am 17. November. Und er berichtet von gar nicht so wenigen Frauen jeden Alters, die im stillen Gebet vor dem Schrein verharren. Thalhammer deutet auf ein Kärtchen, das jemand hinterlassen hat: "Der heiligen Munditia zum Dank für die große Hilfe in einer schwierigen Situation 2017", steht darauf.

Der Dank gilt einer Frau, die womöglich während der Christenverfolgung im 4. Jahrhundert getötet, genauer geköpft wurde. Es lässt sich herleiten aus Spuren an einem Halswirbel sowie anhand der Inschrift auf der Grabplatte. Die lateinische Abkürzung "APC" könnte für "Ascia Plexa Capita" ("mit dem Beil enthauptet") und/oder auch "Andronico Probo Consulibus ("als Andronicus und Probus Konsuln waren", also im Jahr 310) stehen. Belegt ist: Die Gebeine stammen aus der Cyriacus Katakombe in Rom, die fromme Forscher in der Barockzeit untersuchten - und mutmaßliche Märtyrer fanden. Der Münchner Ratsherr und Kaufmann Franz Benedikt Höger erhielt das Skelett der Munditia als Geschenk. Begleitet von einem Festzug fand es am 5. September 1677 seinen Platz in der Seitenkapelle - wo der Glaube an Munditias Schutzmacht bis heute überlebt.

Mit der Adventsserie "Hinter Glas" schaut die Stadtviertel-Redaktion hinter sehenswerte, nicht nur weihnachtlich geschmückte Fenster.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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