Heim und Handwerk:Volle Palette

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Von der Krippenfigur über die borstenlose Klobürste bis zum raumfüllenden Jacuzzi hat die Handwerksmesse alles im Angebot. Genau deshalb ist sie so populär, denn in den eigenen vier Wänden gibt es eigentlich immer noch etwas zu verschönern

Von Karl Forster

Der Name ist natürlich Programm. Und deswegen für viele Münchner und im weiteren Umland wohnende Menschen Pflicht. Denn wenn eine Messe "Heim und Handwerk" heißt, wird damit jeder angesprochen, der ein Heim hat, das noch nicht ganz perfekt ausgerüstet ist; und jeder, der sich zum Hand- und somit auch zum Heimwerker berufen fühlt, weil er mit Lust und Laune an eben dieser Perfektionierung arbeitet. Kein Wunder also, dass die U 2 proppenvoll wird, bis sie die Station Messe West erreicht. Die "Heim & Handwerk" hat schließlich längst Tradition: Zum ersten Mal fand die Messe 1978 statt, also vor exakt 40 Jahren. Die Schau mit 1100 Ausstellern dauert noch bis Sonntag.

Man kann die Besucher schon in der U-Bahn in drei Gruppen einteilen: Da sind die, die genau wissen, nach was sie suchen. Sie haben im Messekatalog oft schon die in Frage kommenden Stände farblich markiert. Dann gibt es jene, die auf Inspirationen fürs traute Heim hoffen, meistens in Pärchenformation, was aber konfliktträchtig sein kann: "Ah, geh weida, was willst denn mit dem Schmarrn!" Und die dritte Gruppe besteht aus den Schnäppchenjägern, man erkennt sie an den opulenten Tragetaschen, die mit rabattierten Waren gefüllt werden wollen, vom Filzpantoffel bis zur Krippenfigur, welche - dank der terminlichen Nähe der Messe zum Weihnachtsfest - an zig Ständen angeboten werden, von der superkitschigen Heiligdreikönig-Kombi bis zum kunstvoll geschnitzten modernen Engel, der die frohe Botschaft verkündet.

Studenten der Staatlichen Musikinstrumentenbauschule in Mittenwald arbeiten an Geigenhälsen. (Foto: Florian Peljak)

Wer einen Messerundgang in der Halle A1 startet, wird gleich zu Anfang von einem Wust an Farben erschlagen: fettgerahmte Monsterschinken mit wogenden Wellen und dampfenden Wäldern; "Ölbilder von Künstlerhand" steht da geschrieben. Kunst ist, in des Wortes Sinne, eben Ansichtssache. Aber ein paar Meter weiter, vorbei an den Schnitzern aus dem Südtiroler Gröden, wartet die handwerkliche Gegenwart auf der Themenfläche "Handwerk, Kunst, Trends". Und schon nach diesen ersten Minuten und Metern zeigt sich, was die "Heim und Handwerk" als Alleinstellungsmerkmal auszeichnet: Die einen nennen das "für ein Fünferl ein Durcheinander", die anderen preisen die Bandbreite des hier Ausgestellten, vom Andamooka Opal aus Australien bis zum Zirbelzauber aus Bad Feilnbach, wo es heißt: "Der sinnliche Duft der Zirbenflocken lässt Sie den Luxus reiner, unverfälschter Natur spüren."

Es ist dann auch spannend, mit welch dichterischer Finesse viele der Produkte beworben werden. Wer hätte denn gedacht, dass das Allgäu sich selbst als "fein, schick, smart" einschätzt. Eine Bremer Designmanufaktur stellt hochwertige Lampen aus Holz her und hat dafür den Begriff "Woodmosphere" erfunden. Und die Schreinerkollegen vom Hause Öttl in Lenggries, auf der Messe unter anderem vertreten mit einem Holzkunstwerk namens "Balance", werben auf ihrer Website gar mit Oscar Wilde: "Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außergewöhnliche ihren Wert."

Hier wird ein Dampfsauger vorgeführt, der auch Fenster putzen kann. (Foto: Florian Peljak)

Holz ist das am meisten vertretene Material hier, eben auch wegen der Dominanz des Schreinerhandwerks, das nicht nur in einer Sonderschau Bayerns Nachwuchs eine große Bühne gibt. Aus Berlin stammen die Designer-Kunststücke der Firma Fern-Holz, was auch ein hübscher Name ist; und aus dem fernen Japan kommen zumindest die Vorlagen, nach denen der Schreinermeister Bernhard Risch aus Titting im Altmühltal die aus Filmen bekannten verschiebbaren Shoji-Wände bastelt. Erwähnenswert in Sachen Werbe-Dichtung wäre noch der Bettenhersteller "Macbett" oder die Wohnfabrik "Pappe La papp". Die Zirbe wurde ja schon genannt; man kann auch das aus diesem Baum gewonnene Öl kaufen, 20 Milliliter für 20 Euro, oder einen zirbernen Lattenrost, der ist dann teurer, verspricht aber "naturnahes Schlafen".

Bevor man nun zu den Heim-und-Handwerk-typischen Absurditäten kommt, sei, quasi als Überleitung, noch ein Esstisch erwähnt, der aus dem echten Höhenruder einer zweimotorigen Piper PA-31 besteht, ein prima Weihnachtsgeschenk für verhinderte Piloten. Die findet man noch in Halle A2 auf der Themenfläche Design Area. Dann aber geht's weiter nach A3, wo einen - schon wieder Holz - eine "Weltneuheit?" mit echtem Fragezeichen erwartet: ein Freischwinger ganz aus Holz der Schweizer Möbel Hasler AG. Man schreibt allerdings in aller Bescheidenheit dazu: "Weltneuheit? Wir wissen es nicht."

Unter den zahlreichen Whirlpools fiel einer auf, der einen schwimmenden Getränketisch bietet. (Foto: Florian Peljak)

Dann trifft man auf Felix Neureuther, der derzeit eigentlich mit gebrochenem Daumen in der Reha fürs Comeback arbeiten sollte. Also, man trifft ihn nicht wirklich, aber er lächelt vom Riesenplakat des Tempurcenters, einer der zahllosen Matrazenketten, für die Felix feststellt, sein Leben sei dank ihr "sehr viel lebenswerter" geworden. Na gut, der muss ja auch von irgendwas leben.

Dass unweit davon die AOK mit Glücksspiel und dem Slogan, man sei "die Gesundheitskasse" um Mitglieder wirbt, passt da irgendwie. Auch dass sich im Anschluss die Themenfläche "Gesund und fit zu Hause" breit macht, folgt diesem Trend. Der gipfelt dann in dem Versprechen: "5 Minuten bei 25 Hz entsprechen einem 5000-Meter-Lauf". Was bedeutet: Man stellt (oder setzt) sich auf einen elektrischen sogenannten Vibrationstrainer (es sind hier zahlreiche Firmen vertreten), und schon ist man nach fünf Minuten fit - oder so fertig wie nach 5000 gelaufenen Metern. Ein Trainermensch rät den Testern: "Oberkörper gerade! Und Arschmuskeln zsamm!" Dazu passen natürlich auch das Nackenmassagegerät und diverse Angebote, den Hallux Valgus (Großzehenschiefstand) korrigieren zu lassen. Wogegen der Polsterer der Schöner Wohnen München GmbH aus der Sendlinger Straße, einer der wenigen wirklich arbeitenden Handwerker auf der Messe, hier fast ein bisschen fremdelt.

Noch ein paar Erkenntnisse: Es gibt keine Staubsauger mehr, sondern nur noch Dampfsauger, die zum Teil sogar Fenster putzen können. Man sollte in Wohnräumen immer gut 50 Prozent Luftfeuchtigkeit haben (und natürlich Stoßlüften), sagt Manfred Giglinger vom Bauzentrum in Halle B2. Die Bundeswehr (Heim und Handwerk?) stellt fest: "Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst." Es gibt Infrarotkabinen aus ausgemusterten Seilbahngondeln. Die Firma Cranpool hat einen Whirlpool von 25 400 auf 19 990 heruntergesetzt, der geht aber in keine Tragetasche. Das "WC-Wunder", eine Klobürste ohne Borsten, geht in allen drei Größen (25, 35, 40 Euro) weg wie warme Semmeln.

Mehr als 1000 Aussteller bietet die Messe in diesem Jahr den Besuchern. Es gibt zum Beispiel die Skiliftgondel als Infrarot-Kabine. (Foto: Florian Peljak)

Der schönste Stand aber, einer, an dem mit großer Lust und Kunstfertigkeit gearbeitet wird, und der, in Zeiten weihnachtlicher Hausmusik und "Jauchzet, frohlocket"-Gesang, hier absolute Daseinsberechtigung hat, gehört der Staatlichen Musikinstrumentenbauschule Mittenwald. Hier wird an Geigenhälsen gedrechselt und geschabt, hier zeigen die Studenten, wie eine Oboe entsteht. Und hier gibt es auch einen sinnvollen Spruch, zwar nicht von Oscar Wilde, dafür von Arthur Rimbaud: "Was kann das Holz dafür, wenn es als Geige aufwacht?"

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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