Heidi Zacher:"Ich wohne im Paradies"

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"Überholt wurde ich in diesem Winter nicht so oft." Heidi Zacher hat in diesem Winter drei Rennen gewonnen, eines mehr als in ihrer bisherigen Karriere insgesamt. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Deutschlands beste Skicrosserin spricht über Heimat, Pechvögel - und ihre Speckvorräte.

Interview von Ralf Tögel

Es ist das sonnige Gemüt, das bei Heidi Zacher zuerst auffällt. Die Lenggrieserin hat in ihrer Karriere schon einige Nackenschläge hinnehmen müssen, aus dem Gleichgewicht ließ sie sich nie bringen. Doch diesmal verlief die Saisonvorbereitung reibungslos, dementsprechend präsentierte sich die 29-Jährige als Siegfahrerin: drei Weltcup-Erfolge, insgesamt fünf Podestplätze. Für den ganz großen Wurf hat es nicht gereicht, bei der Weltmeisterschaft wurde sie Vierte, wie auch im Gesamtweltcup. Kein Problem, findet Zacher, zweimal knapp vorbei ist vielleicht ein gutes Omen für den kommenden Winter - dann sind Olympische Spiele.

SZ: Ist der Speck weg?

Heidi Zacher: (lacht) Der erste Speck ist gleich daheim bei der Siegesfeier draufgegangen, aber ein Teil vom anderen Speck ist noch da.

Das war die Siegprämie in Innichen, da gab es einen riesigen Südtiroler Speck ...

... in Watles gab es auch noch mal Speck, ich habe meine Speckvorräte diesen Winter ganz gut gefüllt.

Drei Weltcup-Siege, insgesamt fünf Podestplätze, ausgerechnet im letzten Rennen Platz vier - bei der Weltmeisterschaft. Enttäuscht?

Für einen kurzen Moment, als ich ins Ziel kam. Aber man muss es bei einer WM erst mal ins Finale schaffen. Klar, ich hätte gerne eine von den drei Medaillen gehabt.

Sie waren aber auch nicht ganz fit.

Das ging auf dem Heimflug vom Weltcup in Kanada los. Ich habe im Flieger einen Virus abgekriegt, und als wir dann in Spanien waren, ist am Mittwoch die Stimme zurückgegangen, am Donnerstag war sie weg.

Keine optimale Ausgangslage für den Saisonhöhepunkt.

Normale Kommunikation mit den Trainern war nicht mehr möglich, ich dachte sogar, ich kann den Start am Samstag vergessen. Aber es ist wenigstens nicht schlechter geworden und ich habe kein Fieber bekommen.

Hat das den Ausschlag gegeben?

Nein, ich will jetzt keine Ausrede suchen. Aber um in einem Finale ganz vorne mitzufahren, muss man zu hundert Prozent fit sein. Das war ich an diesem Tag nicht.

Dabei hatten Sie im Halbfinale mit der späteren Weltmeisterin Sandra Naeslund und Gesamtweltcupsiegerin Marielle Thompson noch überzeugt. Hat das bei Ihnen zusätzliche Erwartungen geschürt?

Klar, wenn man die Weltcup-Führende bei der WM rausfährt, weiß man, dass es funktioniert. Vielleicht haben mir im Finale dann die letzten Körner gefehlt, das Halbfinale war ein harter Kampf mit Marielle. Aber wie gesagt, das soll keine Ausrede sein. Ich bin die viertbeste Skicrosserin - nicht nur im WM-Rennen, sondern auch in der Weltcup-Gesamtwertung.

Sie wurden in der Vergangenheit immer wieder von Verletzungen gebremst, diese Saison lief ohne Zwischenfälle, und dann kommt die WM und sie fangen sich eine Erkältung ein. Sind Sie ein Pechvogel?

Nein! Ich erzähle Ihnen mal eine Geschichte: Eine Bekannte hat ihre Mutter im Krankenhaus besucht. Als sie ging, wurde sie von einer alten Dame, die am Steuer ihres Autos zusammengebrochen war, auf dem Gehweg über den Haufen gefahren. Sie hat ihre Mutter im Krankenhaus besucht und ist fünf Minuten später selbst eingeliefert worden. Das ist für mich ein Pechvogel. Ich hatte nicht die perfekten Voraussetzungen für eine WM, mehr nicht.

Also überwiegen Freude und Zufriedenheit?

Natürlich. Betrachtet man den Weltcup, war es meine zweitbeste Saison. Ich war schon einmal Zweite, jetzt bin ich Vierte. Nimmt man die Siege und Podestplätze, war es meine beste Saison. Bisher hatte ich insgesamt zwei Siege, jetzt kamen drei in einem Winter dazu.

Zwei davon in Innichen. Vom Speck abgesehen, ist so ein Doppelsieg speziell?

Das ist schon etwas Besonderes. Wenn das früher jemandem gelungen ist, dachte ich immer: Respekt. Das muss man erst mal schaffen, zweimal hintereinander die Leistung so abzurufen. Jetzt denke ich: Cool, du gehörst dazu. Das war schon das Highlight im Winter.

Wo sehen Sie die Gründe für die starke Saison?

Wir haben als Team funktioniert. Das Umfeld passt einfach, die medizinische Abteilung, die Serviceleute, sonst kann man solche Leistungen nicht bringen, es war die beste Saison eines deutschen Teams.

Vor der Saison hat die Sportlichen Leitung entschieden, die Mannschaft zu verkleinern. Offenbar eine gute Idee?

Absolut, wir waren drei Frauen und vier Männer, die Betreuung ist dadurch besser und intensiver.

Für Sie hat es sich besonders gelohnt. In der neu geschaffenen Cross Alps Tour, ähnlich der Tour de Ski im Langlauf, wurden sie Zweite.

Das war schon anstrengend, sechs Rennen in zweieinhalb Wochen. Normalerweise zeigt die Formkurve gegen Ende der Saison nach unten. Nicht bei uns. Auch ein Indiz für die gute Arbeit im Team. Bei mir ging sie sogar nach oben.

Sie sind in der Weltspitze etabliert, der ganz große Wurf aber fehlt noch. Was muss besser werden?

Ich habe immer noch Potenzial am Start. Da muss ich mich verbessern, bei der WM bin ich auch als Vierte herausgekommen. Wenn man auf eins oder zwei rauskommt, dann tut man sich schon viel leichter. Das werde ich im Sommer angehen, da liegt mein Fokus. Überholt wurde ich in diesem Winter nicht so oft.

Die Saison war lang, jetzt dürfte erst mal Urlaub angesagt sein?

Mein körperlicher Urlaub beginnt am Montag bei der Arbeit in der Bank. Außerdem bin ich auch gerne mal zu Hause, wir waren drei Monate in der ganzen Welt unterwegs. Und ganz ehrlich, eigentlich wohnen wir hier in Lenggries doch im Paradies, andere Leute kommen hierher, um Urlaub zu machen. Daheim kann ich mich genauso gut erholen.

Sie sind die einzige Topfahrerin im Team, die noch einen Job hat. Erholen bei der Arbeit, geht das?

Da ist der Kopf gefragt, der Körper kann sich erholen, mein Wechselspiel. In zwei Wochen geht es mit dem individuellen Kraft- und Konditionstraining wieder los, Anfang Mai stehen die ersten Konditionslehrgänge an, im Juli sind wir im vergangenen Jahr das erste Mal Ski gefahren.

Immerhin müssen Sie keine Masterarbeit im Sommer schreiben, das haben Sie vergangene Saison erledigt.

Ja, da habe ich heuer weniger Stress und den Kopf freier. Jetzt warte ich erst mal die Planungen von den Trainern ab.

Um gut vorbereitet in die Saison zu gehen, da steht ja ein besonderes Ereignis an.

Klar, die Olympischen Spiele 2018 in Südkorea. Die überragen alles. Ich war schon zweimal dabei, dieses Mal will ich um die Medaillen mitfahren.

Ein durchaus realistisches Ziel - und Sie wären auch mal an der Reihe.

Im Skicross gibt es einige Dinge, die man nicht beeinflussen kann, aber wenn an diesem Tag alles perfekt zusammenpasst, dann ist alles möglich.

Sie sind jetzt 29 Jahre alt, bestes Alter natürlich, aber wie wäre dieser Gedanke: In Pyeongchang Gold und dann unsterblich abtreten?

Keine Ahnung, jetzt ist gerade eine Saison vorbei, die nächste beginnt bald, darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich lasse alles mal ganz entspannt auf mich zukommen, dann ziehe ich meine Schlüsse.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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