Wenn Tharwat E. am Nachmittag das Schulgebäude am Lehrer-Götz-Weg abschließt, weiß er, dass er nun einen Tag weniger als Hausmeister der Grundschule in Trudering arbeiten wird. Am 31. März wird er zum letzten Mal kontrollieren, ob alle Fenster geschlossen und die Lichter ausgeschaltet sind. Was danach kommt, weiß der gebürtige Ägypter mit deutscher Staatsangehörigkeit noch nicht genau.
Sieben Mal hat die Stadt München seinen befristeten Vertrag als Hauswart, also als Hausmeister-Aushilfe verlängert. Einmal schon wurde der Posten an jemand anderen vergeben. Der aber hörte nach nur zwei Tagen wieder auf, E. sprang erneut ein. Nun sucht das Rathaus einen Festangestellten für den Posten. E. wird die Stelle allerdings nicht bekommen. Dafür fehle ihm die notwendige handwerkliche Ausbildung, haben die Mitarbeiter ihm gesagt.
"Absolut unverständlich" sei das Vorgehen der Stadt
Wenn Schulleiterin Christine Neumann über den Fall ihres Hausmeisters spricht, schüttelt sie den Kopf. "Absolut unverständlich" sei das Vorgehen der Stadt. "Ein Mann kann nicht 16 Monate bei uns arbeiten und dann heißt es, er erfülle die Voraussetzungen nicht", sagt sie. Entweder sei er für den Job geeignet oder eben nicht. Tatsächlich hat E. nie einen handwerklichen Beruf erlernt, er ist Arabisch-Lehrer - eine Kompetenz, die der Schule momentan sehr hilft. 15 Flüchtlingskinder besuchen die Übergangsklasse für Schüler mit keinen oder nur geringen Deutschkenntnissen, viele von ihnen können sich nur auf Arabisch verständigen.
E. hilft nicht nur ihnen beim Übersetzen. Ab und zu nimmt er auch an Elterngesprächen teil. "Streng gläubige Muslime haben manchmal Probleme, mit Lehrerinnen zu sprechen", sagt die Elternbeiratsvorsitzende Pia Vigano. In solchen Fällen sei es praktisch, wenn sich diese Väter mit dem Hausmeister in ihrer Muttersprache verständigen könnten. "Ich verstehe nicht, warum das den Personalrat so wenig interessiert", sagt Vigano.
Lehrer, Kinder und Eltern haben bereits einiges versucht, um ihren Hausmeister behalten zu dürfen. Sie sammelten Unterschriften, schrieben Briefe an die Stadtverwaltung und an Kommunalpolitiker. Auch ein Gespräch zwischen Bildungsreferat und Schulleitung Ende Oktober habe nur wenig gebracht, so Rektorin Neumann. "Das Referat hat mir signalisiert, dass Herr E. einen unbefristeten Vertrag bekommt", sagt sie. Stattdessen habe er im Dezember wieder nur eine neue Befristung erhalten. Neumann habe dann den Personalrat angerufen. Dort habe man ihr erneut mitgeteilt, dass eine Festanstellung wegen der fehlenden Ausbildung nicht möglich sei.
"Für mich ist das Prinzipienreiterei"
Anfang Januar hat sich die Stadt nun erneut auf die Suche nach einem neuen Hausmeister gemacht. "Für die ausgeschriebene Position suchen wir eine engagierte Persönlichkeit mit einer abgeschlossenen gewerblich-technischen Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung", steht in der Anzeige. Der Bewerber solle neben einem breit gefächerten handwerklich-technischen Verständnis auch interkulturelle Kompetenzen und eine Serviceorientierung mitbringen. "Für mich ist das Prinzipienreiterei", sagt Neumann. E. habe doch bereits seit September 2013 bewiesen, dass er etwas von seiner Arbeit verstehe.
Nur kann er das eben nicht mit einem Zeugnis nachweisen. Richtige Hausmeister, die bei der Stadt technische Hausverwalter heißen, müssen nach Angaben des Bildungsreferats umfangreiche handwerklich-technische Kenntnisse besitzen, weil sie auch kleinere Arbeiten mit einem Auftragsvolumen von bis zu 2500 Euro überwachen, die externe Firmen tätigen. Dies sei in der Dienstordnung aus dem Jahr 2009 so festgeschrieben, die die Aufgaben der technischen Hausverwalter festschreibe. Solche Vorgaben gibt es auch in anderen Kommunen.
Hauswarte wie E. hingegen seien stets zeitlich befristet tätig. Zudem seien sie in der Regel an unterschiedlichen Schulen im Einsatz, etwa als Krankheitsaushilfe oder wenn es an einer Einrichtung mal mehr Arbeit gibt. "Dass Herr E. länger an dieser einen Schule verblieb, als dies bei Hauswarten im Regelfall üblich ist, ist auf den Wunsch der Schulleitung zurückzuführen", teilt das Bildungsreferat mit. Momentan beschäftigt die Stadt 36 solcher Aushilfen. Fest angestellt sind an den öffentlichen Schulen 255 technische Hausverwalter sowie 182 Helferinnen, die in der Regel die Partnerinnen der Hausmeister sind. Neun Stellen sind unbesetzt.
Kettenbefristungen sind nicht unüblich in der Branche
Generell lässt sich nur schwer ein Überblick über die Situation von Schulhausmeistern gewinnen. Viele sind nicht in einer Gewerkschaft organisiert. Von Komba, der einzigen deutschen Fachgewerkschaft für Beschäftigte der Kommunen, ist zu hören, dass Kettenbefristungen in der Branche nicht unüblich seien und zunähmen. Genaue Zahlen gebe es nicht, ebenso wenig Anspruch auf Übernahme in eine Festanstellung. Die Aushilfen hätten meist wenig Möglichkeiten, sich zu wehren, solange die Arbeitgeber nur einen sachlichen Grund angeben - im Falle von E., dass er das Anforderungsprofil nicht erfülle.
E., Vater von drei Kindern, hat sich zwar auf die Stelle als Hausmeister in der Truderinger Grundschule beworben. Chancen hat er aber keine. Das Bildungsreferat hat ihm mittlerweile in Aussicht gestellt, dass er unbefristet als sogenannter roulierender Hauswart eingestellt werden könne. An der Schule am Lehrer-Götz-Weg aber werde das nicht sein, sondern an ständig wechselnden Einsatzorten.