Hans-Sachs-Straßenfest:Meinungsstarke Majestät

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Mit dem Bart erinnert Milady Charleen Bla Bla, Jahrgang 1966, an Conchita Wurst. (Foto: privat)

Tagsüber arbeitet er als Innenausstatter - und Abends erfolgt die Verwandlung in Milady Charleen Bla Bla. Ein Gespräch über den Unterschied von Akzeptanz und Toleranz - und das Gefühl, bedroht zu werden.

Interview von Michael Bremmer, München

Tagsüber geht er als Ralf in die Arbeit, abends oder zu feierlichen Anlässen folgt die Verwandlung. Der Innenausstatter wird zur Majestät: Milady Charleen Bla Bla, die amtierende Maikönigin Münchens. Seit zehn Jahren ist es im Glockenbachviertel Tradition, dass der ausdrucksstärkste Mann in der weiblichen Rolle beim Tanz in den Mai gewählt wird. Milady Charleen ist bereits im zweiten Amtsjahr, auch weil sie die Rolle sehr politisch ausübt. Das wird man auch am Samstag um 13 Uhr bei der Eröffnung des 25. Hans-Sachs-Straßenfestes merken.

SZ: Das Hans-Sachs-Straßenfest ist das bekannteste lesbisch-schwule Straßenfest Münchens - und durch die Offenheit auch eine Werbung für Toleranz. Wie weit ist die Stadt in Sachen Toleranz?

Milady Charleen Bla Bla: Wir sind einen guten Weg gegangen. Aber der Weg der Toleranz ist längst zu Ende. Es geht jetzt um Akzeptanz.

Wie meinen Sie das?

Ich möchte nicht mehr toleriert, ich möchte akzeptiert werden. Erst wenn wir diesen Schritt geschafft haben, ist auch eine Ehe für alle möglich.

Sie haben sich kürzlich Ihren Künstlernamen in Ihren Pass eintragen lassen. Wie haben die Mitarbeiter im Kreisverwaltungsreferat auf den Antrag reagiert?

Nachdem ich das Formular für den Künstlernamen ausgefüllt hatte, durfte ich mein Anliegen vorbringen. Die Mitarbeiter haben ganz schön gestaunt, so etwas hätten sie auch nicht alle Tage, haben sie gesagt. Das machte eine Kollegin aus dem Nebenzimmer neugierig. Sie erkannte mich sofort, von meinem Auftritt beim Kocherlball. (lacht) Ja, ich bin es.

Das klingt alles nett und aufgeschlossen.

Ich habe fast nur gute Erfahrungen gemacht. Je selbstverständlicher man damit umgeht, was man repräsentiert, umso selbstverständlicher reagiert dein Gegenüber auf dich.

Auf der anderen Seite wurde Ihre Facebook-Seite gesperrt. Sie haben damals gepostet: "Ich habe mich noch nie so nackt und bevormundet gefühlt."

Es ist schon komisch, dass meine Seite ausgerechnet einen Tag nach der Anti-Pegida-Demonstration in München gesperrt wurde, bei der ich mit Schärpe und Krone in der ersten Reihe stand und auf vielen Pressefotos zu sehen war. Bei Facebook kann mit einem Klick ein Profil gemeldet werden. Zufall?

Sie haben das Vorgehen öffentlich kritisiert. Ist deswegen Facebook zurückgerudert?

Ich denke, sie haben es verfolgt. Es hat zwar zehn Tage gedauert, aber dann hat sich Facebook dafür entschuldigt, mein Profil versehentlich blockiert zu haben. I am what I am, da wird auch Facebook nichts daran ändern. Die Entschuldigung habe ich herzlichst angenommen.

Aber vielleicht andere Kräfte. Kurz nach dem Christopher-Street-Day gab es einen homophoben Überfall. Müssen Schwule, Lesben, Transgender auch in München Angst haben, sich auf der Straße zu erkennen zu geben?

Die Berichterstattung darüber hat ein Bewusstsein geschaffen, dass so etwas nicht hingenommen wird. Aber in der Tat: Man wird bedroht, ich habe das erstmals bei der Anti-Pegida-Demonstration zu spüren bekommen. Einer hat mich angeschrien: "Warte nur, wir kriegen dich auch noch."

Sie haben keine Angst?

In dem Moment habe ich mich durch die Polizei sicher gefühlt. Und auch München gibt mir als Stadt Kraft und die Sicherheit. Ich bin absolut gegen Gewalt, aber ich werde mich und meine Freunde zur Not schützen. Damit wir so sein können, wie wir sind.

Jeder soll angenommen werden, so wie er ist. Warum muss eine Maikönigin dann stöckeln können?

(lacht) Man hat auf Stöckelschuhen einfach einen eleganteren Gang. Und abgesehen davon: Ich bin mit meinen 178 Zentimetern nicht der Größte, da helfen die Stöckerl auch ein bisschen.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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