"H-Team":Kostenlose Rechtsberatung für Bedürftige

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Gerhard Grossmann freut es besonders, wenn er Menschen überzeugen kann, dass sie sich wehren können. (Foto: Stephanie Dillig)
  • Beim H-Team beraten Juristen ehrenamtlich arme Menschen, denen Ärger droht.
  • Sie machen den oft verunsichterten Menschen Mut, sich juristisch zur Wehr zu setzen.
  • 2010 startete die kostenlose Rechtsberatung für Bedürftige, im Oktober vergangenen Jahres verzeichnete das H-Team die 2000. Rechtsberatung.

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Ein Jahrzehnt lebt das ältere Ehepaar schon in einer Mietwohnung. Beide Partner sind älter als 60 Jahre, immer wieder krank und beziehen Arbeitslosengeld II. Nun droht ihnen auch noch der Wohnungsverlust: Der Vermieter hat ihnen die Kündigung geschickt, er macht Eigenbedarf geltend, sein Bruder benötige die Wohnung.

Für das Mieter-Ehepaar war das ein Schock: "Die Leute waren völlig fertig", sagt Rechtsanwalt Gerhard Grossmann, der ehrenamtlich in der Rechtsberatung des H-Teams arbeitet. "Sie hatten große Angst davor, keine Wohnung zu finden und deshalb in einer Pension für Wohnungslose zu landen."

Mut machen und Briefe schreiben

Grossmann machte ihnen Mut, sich zur Wehr zu setzen: Bei einer gerichtlichen Klärung können sie mit Prozesskostenhilfe rechnen. Ob tatsächlich Eigenbedarf besteht oder dieser nur vorgetäuscht wird, um zum Beispiel über eine Neuvermietung zu höheren Mieteinnahmen zu kommen, werde sich dann herausstellen. In jedem Fall verschaffe dies den Mietern noch für längere Zeit Luft.

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Gerade weil Menschen mit wenig Geld es schwer haben, unberechtigte Forderungen abzuwehren und berechtigte Ansprüche durchzusetzen, hat das H-Team, das für Bürger in Not eine ganze Reihe von sozialen Dienstleistungen anbietet, 2010 die kostenlose Rechtsberatung für Bedürftige gestartet. Was in kleinem Rahmen begann, hat sich inzwischen zu einem festen und gefragten Angebot für arme Bürger entwickelt. Im Oktober vergangenen Jahres verzeichnete das H-Team die 2000. Rechtsberatung seit der Einführung, insgesamt waren es 555 Beratungen allein 2015. Inzwischen kümmern sich fünf Anwälte mit unterschiedlichen Fachgebieten ehrenamtlich an mehreren Vormittagen der Woche um Rechtsfragen und lösen dabei Probleme, ohne dass es zu einem Prozess kommt.

Spenden werden gebraucht

Oft hilft schon der Anruf oder ein kurzes Schreiben des Anwalts, damit arme Menschen zu den ihnen zustehenden Sozialleistungen, ausstehenden Löhnen oder einbehaltenen Mietkautionen kommen. Das erfolgreiche Projekt, das nur aus Spenden, wie etwa vom "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung", finanziert startete, hat die Stadt seit diesem Jahr in die Regelförderung aufgenommen.

Das H-Team erhält 14 000 Euro Zuschuss vom Sozialreferat. Die Rechtsberatung sei "ein einfacher und niedrigschwelliger Zugang zur Beratung für bedürftige Bürger und trägt zur außergerichtlichen Lösung vieler Problemlagen bei", erkennt die Stadt an. Allerdings deckt der Zuschuss nicht alle Kosten, etwa 8000 Euro braucht das H-Team zusätzlich an Spenden. Zwar arbeiten die Anwälte ehrenamtlich, aber Raum-, Sach- und Verwaltungskosten fallen für das Angebot an.

Am meisten Probleme haben die Hilfesuchenden mit dem Sozialrecht. Darum kreist etwa ein Viertel aller Beratungsgespräche, dicht gefolgt von Zivilrecht und Mietrecht. "Viele Menschen verstehen die Bescheide nicht, die sie bekommen", sagt Grossmann. Manches müsse er selbst zwei bis drei Mal lesen, um es dann den Betroffenen in eine verständlichere Sprache zu übersetzen und an Hand von Beispielen zu erklären.

Grossmann stieß vor vier Jahren zum H-Team, er kümmert sich vor allem um Miet- und Familienrecht. Nach seiner Pensionierung als Vorsitzender Richter einer Zivilkammer am Landgericht wollte er "in sinnvoller Weise meine Rechtskenntnisse anwenden". Früher führte er fünf bis sechs Verhandlungen an einem Tag, "aber wenn hier viel los ist, dann ist es auch anstrengend, da man sich nicht vorher vorbereiten kann".

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Die Menschen zu beraten, die sich eine fachkundige Unterstützung nicht leisten könnten, sei aber eine sehr befriedigende Tätigkeit, sagt Grossmann. "Sie sind dankbar, dass sich einer für ihre Belange einsetzt." Auch wenn der Erfolg natürlich nicht zu garantieren ist. Wie etwa bei einer Frau im Scheidungsverfahren, die sich Sorgen machte wegen eines Kredits, den ihr Mann aufgenommen hatte. Bei einer Erhöhung hatte sie mitunterschrieben, weil die Bank darauf bestanden hatte.

Handyverträge sind ein Dauer-Ärgernis

Grossmann konnte ihr die Angst vor einer drohenden Privatinsolvenz nehmen. Unter Heranziehung der Rechtsprechung dürfte es gelingen, einen Anspruch der Bank abzuwehren, zumal die Frau über kein eigenes Einkommen verfügte. Als "lästigen Dauerbrenner" in der Beratung bezeichnet der Anwalt Handyverträge: Da werde mit Ein-Euro-Angeboten gelockt, aber hinterher seien dann 50 Euro pro Monat fällig, "da fallen viele Menschen darauf rein".

Oft lassen sich die Fälle im Sinne der Betroffenen klären, meist durch einen Anruf oder ein Schreiben, hinter dem ein Jurist steckt, freut sich Grossmann, der zumeist an drei Vormittagen im Monat beim H-Team berät - nach vorheriger Anmeldung, denn dabei wird abgeklärt, um welches Rechtsgebiet es geht, um die Hilfesuchenden zum richtigen Experten zu schicken. Außerdem müssen die Ratsuchenden ihre Bedürftigkeit nachweisen, etwa durch einen Bescheid über den Bezug von Sozialhilfe oder Hartz-IV-Leistungen.

Wenn wichtige Fristen versäumt wurden, kann auch Grossmann kaum noch etwas ausrichten. Oder wenn zum Beispiel ein Betrunkener bei einer Kontrolle einen Polizisten mit "Dumpfbacke" beschimpft, zumal wenn das mehrere Zeugen auch noch bestätigen. An der Verurteilung zu 50 Tagessätzen Geldstrafe sei da nicht zu rütteln, wohl aber an der Höhe der Tagessätze: 40 Euro seien für einen Sozialhilfebezieher zu viel.

Menschen behalten den Glauben an die Gerechtigkeit

Grossmann rät, den Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze zu beschränken. So kann der Mann, der schließlich einräumt, sich "nicht ganz richtig verhalten zu haben", damit rechnen, mit 15 Euro davon zu kommen. Notfalls lasse sich die Strafe aber auch in Arbeitsauflagen umwandeln.

Nicht wenigen Mietern konnte Grossmann helfen, Geld zu sparen. Denn da lohnt ein Blick in die Unterlagen: Viele alte Verträge enthalten eine unwirksame Regelung zur Übernahme der Schönheitsreparaturen. Besonders freut es ihn aber, wenn er Menschen, "die den Glauben daran, Recht zu bekommen, verloren haben, die Hoffnung zurückgeben kann, dass sie sich wehren können".

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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