Grüne nach der Europawahl:Der Traum vom Thron

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"Europa ist Europa, Rathaus ist Rathaus" - trotzdem denken die Grünen schon mal über einen eigenen OB-Kandidaten für München nach.

Jan Bielicki

Fast klingt Lydia Dietrich etwas erschrocken: "München ist nicht Tübingen", wehrt die Vorsitzende der grünen Stadtratsfraktion ab. Sie hätte auch sagen können, dass München nicht Freiburg ist. Denn die beiden Universitätsstädte im deutschen Südwesten haben eines gemeinsam: In beiden Rathäusern regiert jeweils ein grüner Oberbürgermeister.

Drei Grüne in München: (v.l.n.r.) Siegfried Benker, Lydia Dietrich, beide Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen im Münchner Rathaus, sowie Münchens dritter Bürgermeister Hep Monatzeder. (Foto: Foto: Rumpf)

So weit ist es in München tatsächlich nicht. Hier stellen die Grünen nur den dritten Bürgermeister, und Hep Monatzeder versichert, dass das Ergebnis der Europawahl keinen Einfluss haben werde auf die Kommunalpolitik: "Europa ist Europa, Rathaus ist Rathaus."

"Sehr stabile" Koalition im Rathaus

Soll heißen: Obwohl die Grünen mit ihren 21,4 Prozent am Europawahl-Sonntag die SPD klar überrundet haben und wieder - wie bei den Wahlen 2004 - zweitstärkste Kraft in München wurden, bleiben im Rathaus, so Monatzeder, "die Mehrheiten so, wie sie sind" - und die Grünen der deutlich kleinere Partner im Regierungsbündnis. "Unmittelbar", sagt auch Siegfried Benker, der Chef der Rathaus-Grünen, "hat das Europa-Ergebnis keine Auswirkungen auf unsere Koalition" im Rat, die im Übrigen "sehr stabil" sei.

Mittelbar jedoch könnte sich einiges tun im rot-grünen Verhältnis. "Die Grünen sind nachhaltig stärker geworden", insistiert ihr Stadtchef Nikolaus Hoenning, und er fordert, dass sich die neugewonnene Stärke der Grünen auch im Rat niederschlägt: "Ich erwarte, dass unsere Fraktion nun sehr viel selbstbewusster auftritt, um ökologische Ziele durchzusetzen." Die Grünen, so fordert der erst vor knapp vier Wochen an die Parteispitze gewählte Hoenning, müssten nun "verstärkt auf eigene Rechnung Politik machen". Etwa bei Münchens Olympia-Bewerbung, die es, so der Spiele-Skeptiker Hoenning, "nicht um jeden Preis geben wird".

Ude spottet

Ob das so formulierte Selbstbewusstsein der Grünen ausreicht, den eigenen Leuten auch die Eroberung des OB-Amtes zuzutrauen, ist jedoch noch alles andere als klar. "Dazu gibt es noch keine Überlegungen in der Partei", sagt Hoenning.

Doch Parteistrategen beginnen zu erkennen, dass es für die Grünen im Rennen um die Nachfolge Christian Udes nötig werden könnte, nicht darauf zu warten, ob eine geschwächte SPD einen geeigneten Kandidaten findet, sondern mit einer "ganz eigenen Persönlichkeit" (Benker) darauf zu setzen, in die OB-Stichwahl zu gelangen. Noch sei es "verfrüht", darüber zu entscheiden, sagt Benkers Kollegin Dietrich, aber "in ein, zwei Jahren müssen wir uns ernsthafte Gedanken machen".

"Ich wüsste nicht, wer diese Persönlichkeit sein könnte", spottet der Amtsinhaber Ude. Sein grüner Stellvertreter Monatzeder weist darauf hin, dass zwar Ude zu alt für eine erneute OB-Kandidatur sei, "das ist bei mir aber nicht der Fall". Aber, schränkt Monatzeder ein, "ich habe keine Ahnung, was die grüne Partei vorhat".

© SZ vom 09.06.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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