Gründermesse "Bits & Pretzels":Networking mit "Daniela Düsentrieb" und Co: Beer-Pong und Masken für den Po

Lesezeit: 3 min

Bei der Start-up-Night der Gründermesse tauschen sich junge Unternehmer aus: "Geile, Idee!", sagt der eine. "Respekt, Alter!", sagt der andere.

Von Christoph Koopmann

Zwei Dutzend junge Menschen rekeln sich auf dem hellen Holzboden, vollführen die "Kobra" oder die "Schildkröte". Die Schreibtische sind an die deckenhohen Fenster geschoben und mit Louis-Vuitton-Handtaschen statt Laptops vollgestellt, das Neonlicht für die Yoga-Einheit gedimmt. Im Büroraum nebenan steht ein Kickertisch, auf den Metallstühlen mit Wildlederbezug liegen Polaroidkameras. Die Szenerie im Gemeinschaftsbüro, nein, im "Co-Working-Space", wie es in der Gründerszene heißt - sie fasst das Start-up-Prinzip perfekt zusammen: die Verbindung von Lifestyle und Geschäft.

Mehr als 1000 Jungunternehmer treffen sich an diesem Montagabend in den Büros und Werkstätten von 55 Münchner Start-ups, die meisten in perfekter Innenstadtlage. Bei der "Start-up-Night" duzt man sich. Das schafft Verbindlichkeit. Und schließlich soll der Abend ein lockerer Austausch sein für alle, die seit Sonntagfrüh bei der Gründermesse "Bits & Pretzels" über ihre Geschäftsideen gefachsimpelt haben. Kicker- und Beer-Pong-Turniere, Produktpräsentationen bei Cocktails und Salzstangen oder eben Yoga sorgen für eine Atmosphäre, in der sich entspannt Kontakte knüpfen lassen. "Networking" nennt man das hier, und wer mit weniger als einem Dutzend fremder Visitenkarten nach Hause geht, der ist darin offenbar nicht sonderlich talentiert.

Jahreswirtschaftsbericht
:Münchens Wirtschaft geht es bestens

Die Erkenntnisse des aktuellen Jahreswirtschaftsberichtes sind wenig überraschend. Doch die Stärke der Stadt ist auch ihre Schwäche.

Von Pia Ratzesberger

Auch Sandy Glückstein verteilt ihre Karten. Die Unternehmerin aus Deisenhofen ist an diesem Abend zum "Female Co-Founder Speed Dating" gekommen. Sie sucht hier nach Partnerinnen für den Vertrieb ihrer neuesten Erfindung. Frauen sollen mit ins Geschäft, denn nur jeder siebte Gründer in Deutschland ist weiblich. Hier sollen sie sich gegenseitig in ihrem Unternehmergeist bestärken - und "Frauen-Geschäftsideen" austauschen, wie Daniela Barghorn, Initiatorin des Gründerinnen-Treffens, in einem hippen Büro sieben Stockwerke über dem Viktualienmarkt erklärt. "Männer erfinden eben selten Produkte, die für Frauen gedacht sind", sagt Barghorn.

Sandy Glückstein dagegen schon. Ihre Innovation: Schönheitsmasken für den Po. Nicht ihre erste Idee, aber sie soll die erste richtig erfolgreiche werden. Sie sei eben so eine "Daniela Düsentrieb". Und das Feedback, das sie für ihre bisherigen Proben bekommen habe, sei "amazing" gewesen. Anfang 2019 sollen die Masken auf den Markt kommen. "Amazing" findet die Idee auch Jessica Parker. Die Frau aus New York hat wasserdichte Make-up-Taschen mit kleinen Fächern erfunden, damit Frauen nicht ständig in einer großen Plastiktüte wühlen müssen. Die Taschen will sie bald von München aus verkaufen, der deutsche Markt biete so ein Produkt noch nicht. Und die Stadt sei ohnehin ein wundervoller Ort für Menschen wie sie.

Mehr als 10 000 Menschen melden jedes Jahr in München ein Gewerbe an. Auch wenn die Zahl zuletzt sank, bleibt die Stadt ein Hotspot der Gründerszene. Die "Bits & Pretzels" ist darin zu einer Institution geworden.

Die jungen, gut gekleideten Menschen hier versuchen, jede Marktlücke zu schließen, und sei sie noch so klein: eine neuartige Zahnbürste, künstliche Intelligenz fürs Online-Shopping, organische Sportkleidung. Die Start-up-Gründer sind überzeugt von ihren Ideen, hoch motiviert, optimistisch - und begeistern auch die anderen. Jeder bestärkt bei der Start-up-Night jeden. "Geile, Idee!", sagt der eine. "Respekt, Alter!", sagt der andere. Auf einer Tafel in einem Büro fragt man die Gäste: "What would you do if you couldn't fail?" Doch übers Scheitern nachzudenken, kommt für keinen hier in Frage, erst recht nicht an diesem Abend.

Kaum ist die Yoga-Einheit in dem Büro direkt gegenüber der Frauenkirche vorbei, geht der Business-Talk auch schon wieder los. Dazu gibt es für jeden einen Gin Tonic, verkauft von einem Start-up. "Get drunk in style" ist der Spruch, mit dem Gründer Can Saglam wirbt. Das Wacholder-Aroma des "Bastard"-Gin verfeinere er nur durch eine zarte Koriander-Note, sagt Saglam. "Status und Lebensgefühl" soll der Schnaps ausstrahlen.

Manuel Bührig bleibt trotzdem bei Wasser, das Yoga sei überraschend anstrengend gewesen. "Aber ein total schöner Ausgleich, wenn man von Termin zu Termin hetzt", sagt der 29-Jährige. Schließlich hat er als Model, Schauspieler und Instagram-Influencer gleich drei Jobs. Bei so viel Business bleibt die Work-Life-Balance eben oft genug auf der Strecke.

Die Nachteile der Selbständigkeit hat auch Julio Brinkmann, 31, zu spüren bekommen. 2012 gründete er mit Freunden eine Firma, sie verkauften lederne Schlüsselanhänger, Handtaschen und Portemonnaies. Der eigene Geldbeutel blieb dabei lange leer, erzählt er in seiner Werkstatt im Univiertel. Dabei gestalteten sie ihre Produkte für jeden Kunden so individuell wie möglich: Mit einem Laser können filigranste Muster ins Leder graviert werden. Seit diesem Sommer läuft das Geschäft allerdings, denn ein Brieftaschen-Hersteller lässt nun seine Gravuren hier ausführen. Sein Herz hängt jedoch noch immer an den eigenen Taschen, die er und seine Kollegen nach wie vor von Hand machen. Bei der Start-up-Night dürfen sich die Gäste auch selbst welche nähen und gravieren: Visitenkarten-Etuis, damit kein an diesem Abend geknüpfter Kontakt verloren geht.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Mobilität
:Wenn die Stadt sich selbst ausbremst

München soll ein neues Referat bekommen, das sich mit allen Fragen rund um den Verkehr beschäftigt. Das könnte viele Projekte beschleunigen, hofft Oberbürgermeister Reiter.

Von Heiner Effern und Andreas Schubert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: