Große Verkehrsbaustellen in München:Nervenprobe

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Vor einigen Jahren ließen die Stadtwerke im Tunnel unter der Lindwurmstraße mehrere Gleise ersetzen. Die Strecke von U 3/6 war lange Zeit gesperrt. Jetzt kommt der Münchner Norden an die Reihe. (Foto: Robert Haas)

Der Münchner Verkehr ist ab sofort einer außergewöhnlichen Belastung ausgesetzt - und die Pendler einer enormen Geduldsprobe: Zwischen Studentenstadt und Kieferngarten beginnen die Sanierungsarbeiten an der U6-Gleisbrücke. Sie werden sich 14 Wochen hinziehen. Auch an der S-Bahn und der A 9 wird gebaut.

Von Marco Völklein

Das Corpus Delicti ist nicht einmal fünfhundert Meter lang. Aus der Luft betrachtet sieht es aus wie ein Salamander, der sich in die Kurve legt. Vor Ort allerdings wirkt die U-Bahn-Brücke über die Heidemannstraße alles andere als spektakulär. Und auf den ersten Blick auch nicht sehr sanierungsbedürftig. Kein Beton, der bröckelt. Die Farbe ist frisch.

Der Eindruck täuscht nicht. "Von unten haben wir die Brücke erst vor ein paar Jahren saniert", sagt Herbert König, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Aber das war eben nur der eine Teil. Der andere Teil, die Sanierung von der Oberfläche aus, steht in diesem und im nächsten Sommer an. An diesem Dienstag beginnen die Arbeiten. Es wird eine der größten U-Bahn-Baustellen, die die MVG je abgewickelt hat. Und eine harte Nervenprobe für die Fahrgäste der U 6: Sie müssen für fast 14 Wochen zwischen Studentenstadt und Kieferngarten auf Ersatzbusse umsteigen.

Vor allem den vielen Pendlern aus Garching sowie den Studenten und Lehrkräften der Technischen Universität, die den Campus in der 16 500-Einwohner-Stadt erreichen wollen, graut bereits davor. Zumal parallel dazu auch noch auf der A 9 an einigen Wochenenden gebaut (siehe Beitrag rechts) und auch bei der S-Bahn im Münchner Stadtzentrum in diesem Jahr wieder kräftig gewerkelt wird (siehe Text unten). Ein Sommer der Großbaustellen kommt auf die Münchner zu.

Doch laut MVG-Chef König führt kein Weg an dieser "wichtigen Operation an der Hauptschlagader des U-Bahn-Betriebs" vorbei. Die Gleisbrücke ist seit dem Start der U-Bahn vor mehr als 40 Jahren in Betrieb. Über sie rücken morgens die Züge aus den Werkstätten und von den Abstellflächen der MVG in Fröttmaning aus; am späten Abend rollen die Waggons wieder zurück in die Werkstatt. Gibt es ein Problem mit der Brücke, kommen die Züge nicht mehr ins Netz. Der gesamte U-Bahn-Betrieb würde dann stillstehen.

Deshalb haben die MVG-Ingenieure das Bauwerk stets besonders im Blick. Und dabei haben sie festgestellt, dass es nach mehr als 40 Jahren stark sanierungsbedürftig ist. Nicht nur die Gleise müssen ausgetauscht werden, auch den Betonbau selbst wollen die Ingenieure erneuern. Zudem werden nördlich und südlich der Brücke Gleise erneuert und der U-Bahnhof Kieferngarten modernisiert. Auf der Brücke werfen die Ingenieure erstmals seit 45 Jahren einen Blick von oben in das Bauwerk. Denn erst wenn die Ingenieure mit großen Baggern die Schienen, Schwellen und den Kies zur Seite geschafft haben, werden sie sehen können, wie stark der Zahn der Zeit an dem Betonbau genagt hat. Je nach dem, wie groß die Schäden an dem Bauwerk ausfallen, werden die Ingenieure dann entscheiden, wie umfangreich (und zeitaufwendig) die Sanierung ausfallen wird. Geplant ist, dass die Arbeiter zum 25. August wieder abrücken. Pünktlich zum Start der Fußball-Bundesliga. In diesem Jahr ist die westliche Brückenhälfte dran, 2014 soll die östliche folgen. Auch dann werden die Fahrgäste wieder auf Ersatzbusse umsteigen müssen.

Anders aber geht es nicht, sagt MVG-Chef König. Denn die Operation an der Hauptschlagader bedeutet auch für den täglichen U-Bahn-Betrieb eine logistische Herausforderung. Während der Bauzeit können tagsüber keine Züge über die Brücke rollen. Die MVG benötigt den Platz auf dem Bauwerk, um das Baumaterial anzuliefern; außerdem muss der Strom abgeschaltet werden, um die Arbeiter nicht zu gefährden. Lediglich in den Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr wird nicht gebaut - nur in diesem Zeitfenster können die Verkehrsmeister und Werkstattmitarbeiter die U-Bahnen in das Fröttmaninger Betriebsgelände ein- und später wieder ausfahren lassen. Die MVG-Leute haben zahlreiche Pläne ausgetüftelt, um in dieser knappen Frist die Züge, die in die Werkstatt müssen, ein- und wieder ausrücken zu lassen. Zudem werden sie versuchen, nachts mehr Züge ins Netz zu schleusen als normalerweise und diese an verschiedenen, unterirdischen Abstellpositionen "zwischenzuparken", sodass tagsüber genügend Züge zur Verfügung stehen. Zusätzlichen Nachschub aus dem Fröttmaninger Depot können sie ja tagsüber nicht gen Süden schicken - die Bauarbeiten auf der Gleisbrücke verhindern das.

Eine zusätzliche Herausforderung sind die Fußballspiele in der Fröttmaninger Arena. Die MVG hat die Baustelle so gelegt, dass der Bundesliga-Betrieb möglichst nicht betroffen ist. Allerdings finden auch in der Bundesliga-freien Zeit zahlreiche Veranstaltungen im Stadion statt: Los geht es am kommenden Samstag, wenn 45 000 Fans das Champions-League-Finale auf den Großbildwänden verfolgen werden. Der FC Bayern will zwar zusätzliche Busse einsetzen, um die Fans von den Stationen Alte Heide und Studentenstadt zur Arena zu bringen; dennoch warnt die MVG vor "temporären Sperrungen" einzelner Bahnhöfe und bittet, mit dem Fahrrad oder in Auto-Fahrgemeinschaften anzureisen.

Ähnliches droht zudem am 24. Juli, wenn der FC Bayern beim "Uli-Hoeneß-Cup" gegen den FC Barcelona antritt, sowie am 31. Juli und 1. August beim "Audi-Cup", bei dem neben den Bayern-Stars die Spieler des AC Mailand, von Manchester City und des FC São Paulo auflaufen. MVG-Chef König hatte nach eigener Aussage die Manager des FC Bayern und des Stadions gebeten, die Zusatzspiele heuer vielleicht mal ausfallen zu lassen. Doch darauf hätten die sich nicht eingelassen. Nun schauen alle gespannt darauf, wie der An- und Abtransport zur Arena am kommenden Samstag laufen wird. Der normale Verkehr unter der Woche, sagt König, "der macht uns keine Sorgen". Den habe man im Griff. "Kummer bereitet uns der Fußball."

© SZ vom 21.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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