Gewerbesteuer:"Die Städte müssen Rabatz schlagen"

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Oberbürgermeister Ude fordert von der Bundesregierung eine rasche Reform der Gewerbesteuer.

Jan Bielicki und Berthold Neff

Die Städte begehren auf. Nachdem die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen bisher nicht zu einem Ergebnis kommt, fordert OB Christian Ude die Bundesregierung auf, sich rasch für eine Stärkung der Gewerbesteuer zu entscheiden: "Sonst wird man die Städte nicht wieder erkennen."

OB Christian Ude (Foto: dpa)

SZ: "München ist pleite!", haben Sie vor der Bundestagswahl gerufen. Hat der Alarm genutzt? Christian Ude: Mein Alarmruf hat ja zur Folge gehabt, dass sich die Bundesregierung endlich der Gemeindefinanzen angenommen hat. Seit sogar München klagt, wird das Thema endlich bundesweit ernst genommen.

SZ: Sind Sie denn zufrieden mit dem, was die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen bislang produziert hat? Ude: Es sind noch alle Chancen drin. Wenn sich die Kommission für das Modell der kommunalen Spitzenverbände entscheidet, das die Grundlagen der Gewerbesteuern verfestigt, wäre das eine richtige Weichenstellung. Wenn sich jedoch das Modell des Bundes der Deutschen Industrie durchsetzt, wäre das eine Katastrophe. Dieses Modell ist für die Städte eine dreiste Provokation.

SZ: Warum? Ude: Der BDI will mit der Abschaffung der Gewerbesteuer die Wirtschaft um neun Milliarden Euro entlasten und die Lohn- und Einkommensteuerzahler damit mehr belasten. Arbeit würde also teurer, und der Skandal, dass sich viele Großunternehmen aus der Finanzierung der Kommunen zurückgezogen haben, würde verewigt. Noch schlimmer wären die Folgen für Kernstädte, die Theater, Nahverkehr oder Krankenhäuser für eine ganze Region finanzieren. Sie müssten ihren Steuerzahlern hohe Hebesätze abknöpfen. Dagegen könnten Umlandgemeinden Gutverdiener mit Niedrigsteuern anlocken. Die Folgen wären Stadtflucht und die Verarmung der Städte.

SZ: Fühlen Sie sich von der Bundesregierung im Stich gelassen, die ja bisher nicht eindeutig Stellung bezogen hat? Ude: Das muss sie jetzt noch nicht tun, sicher aber noch vor der Sommerpause.

SZ: Aber der Bundeswirtschaftsminister mag Ihren Forderungen nicht folgen. Ude: Ich bin hier tatsächlich im vollen Dissens zu Wolfgang Clement. Er scheint furchtbare Angst vor dem Schlagwort Substanzsteuer zu haben. Die Willensbildung in der Bundesregierung ist also noch offen. Deswegen erwarte ich vom Kommunalminister Otto Schily, dass er sich zum Anwalt der Städte macht. Auch die Städte müssen weiter Druck machen - auch auf die CSU, die jetzt plötzlich dem BDI-Modell zuneigt und damit den Städten eiskalt in den Rücken fällt. Die Schlacht ist noch nicht geschlagen.

SZ: Sind denn der Wirtschaft in der jetzigen Krise höhere Steuern zuzumuten? Ude: Es stehen höhere Steuersätze weder bei der Gewerbe- noch bei der Grundsteuer zur Debatte.

SZ: Da hört man aus dem Bundesfinanzministerium anderes. Ude: Aus Berlin gibt es viele Vorschläge, die zwei Tage später wieder dementiert werden. Aber niemand kann doch eine Erkenntnis leugnen: Die deutschen Städte stecken in einer Finanzkrise, die jede kommunale Infrastruktur beeinträchtigt, ja kaputt macht. Das heißt, dass die gegenwärtige Finanzmasse nicht ausreicht. Deswegen muss die Gewerbesteuer zu mehr Einnahmen führen. Und das kann nur durch die Hinzuziehung weiterer Wirtschaftskreise und eine breitere Bemessungsgrundlage erreicht werden.

SZ: Glauben Sie noch an ein einmütiges Ergebnis der Kommission? Ude: Nein. Dazu sind die in ihr vertretenen Interessen zu gegensätzlich. Die Politik muss das zur Kenntnis nehmen und sich dann entscheiden. Und zwar schnell. Wir brauchen die Reform bis Jahresende. Sonst wird es 2004 in erschreckend vielen Städten Kürzungen und Schließungen geben, dass man diese Städte nicht mehr wieder erkennt.

SZ: Und was wird, wenn die Reform nicht in Ihrem Sinne ausfällt? Ude: Dann müssen die Städte Rabatz schlagen, wie es das noch nicht gegeben hat. Wir werden schon auf dem Deutschen Städtetag nächste Woche über spektakuläre Aktionen beschließen. Es ist ja kein Problem der Oberbürgermeister und Kämmerer. Die Bürger der Städte werden es ausbaden müssen. Eine Fehlentscheidung bei der Reform der Gemeindefinanzen wäre unverzeihlich.

SZ: Werden Sie Ende Juni mit Ihren Bürgermeisterkollegen in Berlin demonstrieren? Ude: Wenn die Bundesregierung sich unserem Modell anschließt, können wir die Demonstration absagen. Es sei denn, es gibt Widerstand im Bundesrat. Aber dann müsste ich nicht vor das Kanzleramt in Berlin ziehen, sondern vor die Staatskanzlei in den Hofgarten.

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