Gewaltbereitschaft:"Die kommen her, um zu schlägern"

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Schlägerei als Event: Die Fußballfans werden immer gewaltbereiter, beklagt die Polizei. Flaschen fliegen, Polizisten werden angespuckt und angegriffen.

S. Wimmer

Das Bier aus den Bechern schwappt über die Beamten, Fans spucken den Polizisten ins Gesicht, rotten sich zusammen und gehen auf die Uniformierten los: Regelrechte Jagdszenen im und rund ums Grünwalder Stadion des TSV 1860 präsentierte die Polizei in einem Video am diesem Donnerstag zum Auftakt der Rückrunde in der Fußballbundesliga.

Sperrengitter fallen, Polizisten werden bedrängt: Szenen vom Heimspiel des TSV 1860 II gegen Waldhof Mannheim. (Foto: Foto: Polizei)

"Seit Einführung der dritten Liga haben wir es mit immer mehr gewaltbereiten Fans und einer neuen Feindseligkeit zu tun", sagt Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Mit sechs Mannschaften im Spielbetrieb der Ligen trage allein das Polizeipräsidium München fast die Hälfte der Last aller Fußballeinsätze in ganz Bayern.

Bus wird mit Flaschen beworfen

Die Bilder illustrieren das: Die Polizei zeigt Video-Sequenzen von der Partie 1860 München II gegen den SV Waldhof Mannheim 07 vom 20. Dezember 2008. Man sieht Fans, die sich vor dem Wienerwald versammeln und den vorbeifahrenden Bus der Mannheimer mit einer Flasche bewerfen.

Noch während der Fahrt öffnet der Busfahrer die Türe, Fans wollen aus dem Bus springen, doch die Polizei riegelt die Türe mit dem Wagen ab. In der nächsten Szene rennen Mannheimer und 60er-Fans im Stadion aufeinander zu, "während des Spiels", sagt Schmidbauer. "Die sind nicht wegen des Fußballs hier, sondern nur zum Schlägern."

Die Fans wollen den freigehaltenen Pufferblock überwinden, die Polizei schreitet ein. Gitter werden niedergerannt, Polizisten angespuckt und angegriffen. 15 Minuten vor dem Spiel verschwindet ein Pulk von 60er-Fans in einer Seitenstraße, um wenig später, als die Mannheimer das Stadion verlassen, wieder hervorzustürmen.

Brennpunkte verlagern sich bis in die Innenstadt

Nächste Szene: Die Grünwalder Straße ist für den Verkehr gesperrt, ein Riegel von Polizeibeamten will das Aufeinandertreffen der Fans verhindern. Ein Pulk geht auf die Polizisten zu, es kommt zu Handgreiflichkeiten. "Die Brennpunkte dieser Hooligan-Aktionen verlagern sich aus den Stadien heraus bis in die Innenstadt, teilweise begleiten wir die Fanbusse auch noch bis weit hinter die Stadtgrenze", sagt Schmidbauer.

Gerade die Spiele der zweiten Mannschaft des TSV 1860 stellen für die Polizei "eine echte Aufgabe" dar, meint Schmidbauer. Wenn Vereine aus Hessen oder Baden-Württemberg zu Auswärtsspielen anreisen, sei ein "hohes Risikopotential" an der Grünwalder Straße zu erwarten. Und von den baulichen Gegebenheiten am 60er-Stadion sei die Polizei ohnehin "wenig begeistert".

Mittlerweile ist es keine Seltenheit, dass Polizeibeamte bis zu drei Fußball-Einsätze an einem Wochenende zu bewältigen haben. Der FC Bayern, der TSV 1860 München sowie die SpVgg Unterhaching sind mit sechs Teams im Spielbetrieb vertreten, allein im vergangenen Jahr betreuten 17.563 Polizeibeamte die Ligaspiele und nahmen 243 Personen fest sowie 94 in Gewahrsam.

Randalierer glauben, anonym bleiben zu können

Obwohl die Polizei die Zahl der gewaltbereiten Hooligans innerhalb der drei Vereine nur auf rund 100 schätzt, registriert Schmidbauer "ein wachsendes Umfeld". Die Fußballspiele hätten Eventcharakter, "man schließt sich den Schlägern an, um etwas zu erleben", meint er.

Zudem glauben die Randalierer, in der Masse anonym untertauchen zu können. Neben zahlreichen Fanprojekten und der Zusammenarbeit mit den Vereinen, dem DFB und den Sicherheitsdiensten setzt die Polizei auch auf die Unterstützung der Fanclubs: "Wir wollen so weit kommen, dass die echten Fans, und das ist die Mehrheit, keine Gewalttäter in ihren Reihen dulden."

Etliche Fußballfans des TSV 1860 dagegen beurteilen die Lage völlig anders. Sie kritisieren die Aussagen der Polizei als "Hype" und "als Versuch, das 60er-Stadion madig zu machen". Vom TSV 1860 selbst war am Donnerstag keine Stellungnahme zu erhalten.

© SZ vom 30.01.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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