Gesundheit:Hohe Nachfrage nach Therapieplätzen

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Depressionen und Angststörungen haben während der Pandemie zugenommen

Von Janek Kronsteiner

Die Anfragen nach einer Psychotherapie sind nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) stark angestiegen. Eine Akuttherapie wurde im Februar 2021 bayernweit mehr als viermal öfter angefragt als noch im Februar 2020; ein Anstieg von 14 auf 65 Anfragen. Auch die Zahl der Anfragen zum Beginn einer längerfristigen Therapie hat sich im selben Zeitraum von 65 auf 141 verdoppelt. Die Zahlen decken sich mit Aussagen von vielen Psychotherapeuten. Die gestiegene Nachfrage bei seinen Kollegen beobachtet auch Bruno Waldvogel von der Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten (PTK). Am häufigsten würden aktuell Depression und Angststörung behandelt. Therapien würden besonders bei Jugendlichen häufiger benötigt, erklärt Waldvogel. "Corona und Pubertät sind eine schwierige Sache."

Dementgegen ist laut KVB die Nachfrage nach Kinder- und Jugendpsychologen im Februar leicht gesunken. Die Nachfrage nach Akuttherapie sank im Februar 2021 von 25 auf 19 im Vergleich zum Vorjahresmonat. Auch die Anfragen nach längerfristiger Jugendtherapie sank in Bayern. "Mit diesen Zahlen müssen wir aber vorsichtig sein", mahnt Claudia Ritter-Rupp, dritte Vorsitzende der KVB. "Erst wenn sie wieder in der Schule oder in der Kita sind, wird vermutlich bemerkt, wie viele Kinder verhaltensauffällig sind."

Auch die Beratungsstelle Münchner Insel am Marienplatz verweist aktuell mehr Menschen auf psychiatrische und psychologische Hilfsangebote. Der Leiter der ökumenischen Beratungsstelle, Tilmann Haberer, geht von einem Anstieg von rund 40 Prozent aus. Viele der Hilfesuchenden würden an die Psychotherapeutischen Ambulanzen verwiesen. "Wir beobachten aber auch, dass einige Ratsuchende zur Münchner Insel kommen und fragen, wie man überhaupt einen Therapeuten findet", berichtet Haberer.

Damit Patienten in Krisen schnell eine Psychotherapie starten können, wurde 2017 der Zugang zur Psychotherapie erleichtert. Seitdem müssen Psychotherapeuten mit Kassenzulassung wöchentlich 200 Minuten per Telefon erreichbar sein und müssen freie Therapieplätze melden. Patienten sollen so innerhalb von 14 Tagen einen Termin für ein Erstgespräch erhalten. In Bayern wurde dafür die Terminservicehotline eingerichtet. In den Erstgesprächen soll der Psychologe eine erste Diagnose stellen und den weiteren Verhandlungsbedarf feststellen. "Wir haben durch die Umstellung viele Patienten mit Diagnose, aber ohne anschließende Behandlung", kritisiert der Psychologe Waldvogel. "Wenn wir die Patienten dann nicht selbst weiterbehandeln können, haben wir keinen Einblick, wo die Patienten dann landen." Waldvogel befürchtet, dass Patienten mit Diagnose, aber ohne Therapie, versuchen, sich mit Alkohol oder anderen Drogen selbst zu therapieren. Auch könnten sie chronische Krankheitsverläufe entwickeln und häufiger in eine stationäre Behandlung müssen.

Patienten mit Diagnose, aber ohne Behandlung begegnet auch Haberer bei der Münchner Insel immer wieder. Auch er habe das Gefühl, es sei schwerer geworden, einen Therapieplatz zu finden. Dabei sind laut KVB gerade in München viele Therapieplätze unbesetzt.

Bei der KVB sind in der Stadt und im Landkreis München 1983 freie Psychotherapieplätze gemeldet; davon 569 für Kinder und Jugendliche. In ganz Bayern sind 6758 freie Therapieplätze gemeldet. Wie die Erstberatung werden auch langfristige Therapietermine über eine Koordinationsstelle per Telefon vergeben. "Ich sehe, das System funktioniert", sagt Ritter-Rupp, "aber vielleicht funktioniert es noch nicht genug." Das Schwierigste sei, den Patienten die Wege in die Psychotherapie zu erklären. Auch ihren Kollegen seien die Möglichkeiten der Patienten, an einen Therapieplatz zu kommen, nicht immer bewusst, so die Therapeutin.

Die Servicehotline für den therapeutischen Erstkontakt hat die Nummer 116 117. Die Vermittlung von freien Plätzen erfolgt unter 0921/ 88 09 94 04 10.

© SZ vom 11.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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