Gesundheit:Die Vergessenen

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Früher starben Mukoviszidose-Patienten spätestens als Jugendliche, heute können sie viel älter werden. Doch die medizinische Versorgung sei selbst in einer Großstadt wie München nicht ausreichend, kritisieren Patienten. Sie fordern mehr Ärzte und wenden sich mit einer Petition nun an den Landtag

Von Dietrich Mittler, München

Peter Eixner weiß nicht, was in den nächsten Jahren noch auf ihn zukommt. Aber er weiß eines: Er will kämpfen um sein Leben. Eixner ( Name geändert) leidet an Mukoviszidose. Der 32-Jährige ist einer von gut 8000 Menschen in Deutschland, die von dieser seltenen Erkrankung betroffen sind. Bei Mukoviszidose drohen die Atemwege durch zähen Schleim blockiert zu werden. In München leben nach den Berechnungen des Vereins "Mukoviszidose e.V" rund 75 Menschen, die als Erwachsene von dieser letztlich tödlichen Erkrankung betroffen sind, in Oberbayern 240 und in ganz Bayern rund 670. Viele Patienten von außerhalb kommen in die Landeshauptstadt, da sie wohnortnah keine geeignete Versorgung finden.

Mukoviszidose, so lautet auch die Diagnose von Ulrich Zißler. Zißler, vor elf Wochen erst Vater geworden, ist wie Peter Eixner von einer Krankheit betroffen, an der Betroffene einstmals spätestens als Jugendliche starben. Und dass dies früher unweigerlich so war, hat Auswirkungen bis heute. Für Kinder mit Mukoviszidose gibt es ausreichend ausgestattete Fachambulanzen - für Erwachsene nicht. "Besonders dramatisch" sei die Situation in München, sagen die Sprecher des "Mukoviszidose e.V. - und Ulrich Zißler wird an diesem Dienstag im Maximilianeum mit dabei sein, wenn der Verein an Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) eine entsprechende Petition übergibt. Deren Ziel: ein runder Tisch, an dem auch politische Entscheidungsträger mitwirken sollen.

"Das Gesundheitswesen gibt uns das Signal: Wir wollen eigentlich gar nicht, dass ihr erwachsen werdet", erklärt Stephan Kruip. Der Zornedinger hat als Bundesvorsitzender des Mukoviszidose e.V. die Petitionsübergabe mit initiiert. In der Landeshauptstadt, so seine Einschätzung, sei die Situation inzwischen unhaltbar: "Die ambulante und stationäre Versorgung der erwachsenen Patienten mit Mukoviszidose droht in München und Umgebung in den nächsten Monaten zusammenzubrechen."

Bereits im September trafen sich Mukoviszidose-Patienten und ihre Mitstreiter zu einer Demonstration, getan hat sich aus ihrer Sicht seitdem nicht viel. (Foto: privat)

In der Schwabinger Mukoviszidose-Kinderambulanz der Technischen Universität München geht Anna Elisabeth Vogl-Voswinckel nun bald in den Ruhestand, eine Ärztin, die seit Jahren neben ihrer eigentlichen Arbeit auch erwachsene Mukoviszidose-Patienten betreut hat. Diese nunmehr 40 Patienten müssen zukünftig in der Erwachsenenambulanz der LMU mitversorgt werden. "Ich würde mich freuen, wenn wir für diese Patienten, die ich zum Teil seit bereits 30 Jahren kenne, eine gute Lösung finden, sagt Vogl-Voswinckel. "Man bräuchte 200 000 Euro im Jahr, dann könnte man das stemmen."

Dringend, so betont Kruip, müssten jetzt zusätzliche Ärzte und Therapeuten eingestellt werden, die auf die Behandlung der seltenen Multiorgankrankheit spezialisiert seien. Jahrelang sei die bestehende Mukoviszidose-Erwachsenenambulanz der LMU an der Ziemssenstraße mit einer Dreiviertel-Arztstelle und einer halben Pflegestelle besetzt gewesen. "Völlig unzureichend angesichts von rund 200 Patienten", die dort zu versorgen seien, sagt Kruip. An seiner Einschätzung ändert auch der Umstand nichts, dass inzwischen eine Personalaufstockung stattfand: laut LMU "ein Arzt in Weiterbildung mit Erfahrung im Bereich der Mukoviszidose-Behandlung" sowie eine zusätzliche Pflegekraft.

Kruip und seine Mitstreiter kritisieren indes auch die räumliche Situation, die Mukoviszidose-Patienten das Leben schwer mache. Daran habe auch der Umzug der stationären Versorgung von der Ziemssenstraße nach Großhadern nichts geändert: "Aufgrund eines akuten Mangels an freien Betten warten die Betroffenen bis zu drei Wochen auf die stationäre Aufnahme und werden dort dann von Personal ohne Erfahrung mit den spezifischen Notwendigkeiten in der Mukoviszidose-Therapie versorgt", sagt er. Peter Eixner, selbst ausgebildeter Rettungsassistent, berichtet: Einmal habe er eine Woche lang auf ein freies Bett warten müssen - und "wäre es mir da noch einen Zacken schlechter gegangen, dann hätte ich auf die Intensivstation gemusst".

Kruip macht der LMU-Klinikleitung schwere Vorwürfe. Trotz langwieriger Gespräche sei viel zu wenig passiert, um die Situation der Betroffenen zu verbessern. Die jedoch weist das strikt zurück: Eine gute Versorgung von Mukoviszidose-Patienten sei "in jedem Lebensalter jederzeit sichergestellt", betonte ein Sprecher. Über die Personalaufstockung durch den Arzt in Weiterbildung und eine weitere Pflegekraft hinaus sei auch "die kontinuierliche Betreuung durch Physiotherapie, Ernährungsberatung und Psychologie" verstärkt worden. Was die räumliche Situation betreffe: Da bringe die Anfang November 2018 erfolgte Verlagerung der stationären Versorgung von Mukoviszidose-Patienten nach Großhadern für die Betroffenen "mittelfristig eine große Verbesserung mit sich". Und außerdem: "Für Gespräche zu weiteren Verbesserungsmaßnahmen stehen wir gerne zur Verfügung." Rückendeckung bekommt die LMU vom zuständigen Wissenschaftsministerium: "Das Ministerium begrüßt die dort bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation der Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose", hieß es auf Anfrage. Kruip und seinen Mitstreitern geht das nicht weit genug. "Wir brauchen endlich konkrete Maßnahmen, die die Mindeststandards in der Behandlung sichern", sagte er am Montag.

Zu den Unterstützern gehört auch die Münchner Schauspielerin Michaela May, die sich seit mehr als 25 Jahren für Mukoviszidose-Patienten einsetzt. May wird die Petition gemeinsam mit Patientenvertretern an Landtagspräsidentin Ilse Aigner übergeben. "Wir kämpfen dafür, dass auch denen geholfen wird, die mit Mukoviszidose älter werden", sagt sie.

© SZ vom 26.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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