Geschichte:Vom Lazarett zum modernen Altenheim

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Bei der Eröffnung des Gebäudes im Jahr 1952 als Altenheim gab es auch Zweibettzimmer im Wohnbereich des Hauses an der Rümannstraße 60. (Foto: Stadtarchiv)

Vor 75 Jahren haben die Nationalsozialisten das "Haus an der Rümannstraße" eröffnet

Von Sven Loerzer

Ein Vorzeigeprojekt für moderne Altenhilfe und Architektur der NS-Zeit sollte es werden, doch nach der Eröffnung vor 75 Jahren, 1942, diente das "Haus an der Rümannstraße" erst einmal als Lazarett für verwundete Soldaten. Unter den 13 Münchenstift-Häusern ist es heute mit knapp 450 Bewohnern und rund 250 Mitarbeitern die größte Einrichtung, die auch die breiteste Palette an unterschiedlichen Versorgungsformen für alte Menschen anbietet, vom Wohnen mit Service bis hin zu Gerontopsychiatrischen Wohngruppen. "Die Geschichte zeigt, dass auch die Gebäude der Nazis demokratisch umgewidmet werden können", sagt Münchenstift-Geschäftsführer Siegfried Benker. "Nach dem Ausgrenzungswahn der Nationalsozialisten ist die Rümannstraße heute ein Haus für alle alten pflegebedürftigen Münchnerinnen und Münchner, egal welcher Herkunft, welcher Religion und welchen sozialen Status'." Eine "tolle Atmosphäre und das gute Miteinander der Pflegekräfte und der Bewohner" hat Bürgermeisterin Christine Strobl bei ihren Besuchen erlebt. An diesem Samstag um 11 Uhr eröffnet die Münchenstift-Aufsichtsratsvorsitzende dort eine Ausstellung zur Geschichte des Hauses.

Dem Neubau hatte das NS-Regime eine wichtige Rolle zugedacht, wie Dominik Aufleger und Korbinian Engelmann erläutern, die im Auftrag des Heimträgers die Ausstellung konzipiert und dazu im Stadtarchiv recherchiert haben. Das neue Altenheim sollte "zwei wichtige Elemente der nationalsozialistischen Selbstdarstellung vereinen", wie Dominik Aufleger und Korbinian Engelmann schreiben: "Die NS-Wohlfahrtspolitik und moderne Architektur." Eine Ausstellung 1938/39 im "Haus der Deutschen Kunst" präsentierte das Modell des Gebäudes neben anderen monumentalen Bauprojekten als gelungenes Beispiel nationalsozialistischer Architektur. Im Juni 1936 ist auf Vorschlag von NSDAP-Oberbürgermeister Karl Fiehler beschlossen worden, ein modernes "Alterspflegeheim" mit 530 Betten in Schwabing für 2,6 Millionen Reichsmark zu bauen. Eine spätere Erweiterung auf mehr als 700 Plätze war vorgesehen. Um Küchenabfälle zu verwerten, sollte es sogar Ställe für Schweine und Hühner auf dem Gelände geben. Statt großer Schlafsäle sollten Ein- bis Fünfbettzimmer entstehen. Damit wollte die Stadtverwaltung dazu beitragen, Wohnungen im Zentrum für junge Familie freizumachen. Die NS-Presse feierte das Projekt als "Wahrzeichen nationalsozialistischer Fürsorgepolitik". Dennoch erwies sich die Finanzierung als schwierig, 1939 gerieten die Arbeiten am Haupthaus ins Stocken. Das änderte sich, weil das Gebäude "kriegswichtige Zwecke" erfüllen konnte: Es sollte zunächst als Wehrmachtslazarett dienen. Den Garten und die Straße sollten Zwangsarbeiter anlegen. Im Jahr 1942 kamen die ersten verwundeten Soldaten an. Bereits Ende 1942 war das Lazarett überbelegt.

Nach Kriegsende übernahmen die Amerikaner 1945 die Verwaltung des Hauses und nutzten es als Krankenhaus für "Displaced Persons" - vor allem für von den Nationalsozialisten nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter und ehemalige KZ-Häftlinge. Die hygienischen Zustände seien prekär gewesen, ergaben die Recherchen, da das Krankenhaus "überfüllt war und es an Fachpersonal fehlte. So war es schwierig, ansteckender Krankheiten Herr zu werden. Zahlreiche Patientinnen und Patienten, aber auch einige Schwestern starben an Typhus." Erst im Dezember 1951 übernahm die Stadt das Haus wieder.

Nach umfangreicher Renovierung eröffnete dann 1952 der damalige Oberbürgermeister Thomas Wimmer das Gebäude endgültig als Altenheim. Die Nachfrage nach Plätzen war groß, zumal es kaum andere Angebote gab. Betreuung und Pflege übernahmen auch weiterhin die "Barmherzigen Schwester des hl. Vinzenz von Paul", die seit 1942 in dem Gebäude tätig waren. Die Ordensschwestern hätten noch in der NS-Zeit durch "Braune Schwestern" ersetzt werden sollen, doch wegen des Personalmangels in der Kriegszeit kam es nicht dazu. Wegen Nachwuchsproblemen mussten die Ordensschwestern 1976 ihren Einsatz im Haus der Rümannstraße beenden. Die Betreuung übernahm das "Katholische Familien- und Altenpflegewerk".

In diesem Jahr wurde auch der Erweiterungsbau, der 150 Einzelzimmer umfasste, eröffnet, das "Hans-Hirmer-Haus". Die Benennung erfolgte nach dem Münchner Herrenausstatter, der 3,5 Millionen Mark für den 13,8 Millionen Mark teuren Bau gespendet hat. Außerdem begann die rund zehn Jahre dauernde Modernisierung des Altbaus, die knapp 27 Millionen Mark kostete. Nach deren Abschluss verfügte der Bau über 368 Wohn- und Pflegeplätze. Neu waren eine medizinische Badeanlage und das Alten- und Servicezentrum Schwabing-Nord hinzugekommen, Gymnastik- und Fernsehräume sowie ein Friseursalon. Das unterschiedliche Angebot an Wohn- und Pflegeplätzen ergänzte 1987 die Tagespflege, bei der Pflegebedürftige von außerhalb des Heimes von morgens bis spätnachmittags Betreuung erhalten, um so auch Familienangehörige zu entlasten.

Mit Einführung der Pflegeversicherung übernahm 1996 die von der Stadt gegründete gemeinnützige Tochtergesellschaft Münchenstift das Haus und die Betreuung. Von 1998 bis 2003 dauerten der Umbau und die Renovierung, um zeitgemäßen Komfort bieten zu können. Die "Krankenhausatmosphäre" mit großen Pflegestationen sollte durch kleinere Wohngruppen abgelöst werden. Wie die Stadt, so verändere sich das Haus, sagt Benker: Erneut wurde modernisiert, der geschlossene Bereich geöffnet, die Volkshochschule für Senioren ist eingezogen, demnächst kommt noch eine stationäre Kurzzeitpflege dazu. Gerade auch die gelungene Kooperation mit der Volkshochschule, die dort vielfältige Kurse anbiete, die für Bewohner des Hauses und Senioren aus dem Stadtviertel offen sind, mache das Haus zu einem Vorbild, sagt Christine Strobl. "Das Angebot wird gut angenommen. Ich hoffe, wir können das auf alle Häuser ausdehnen."

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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