Geschäfte hinter Gittern in Stadelheim:Wenn Wachtmeister dealen

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In der Justizvollzugsanstalt Stadelheim sind Handys und Drogen aufgetaucht, obwohl diese streng verboten sind. Die Polizei hat eine überraschende Spur: Sie ermittelt gegen fünf Justizvollzugsbeamte.

Florian Fuchs und Christian Rost

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen fünf Wachtmeister, die in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim Handys und Drogen an Häftlinge verkauft haben sollen. "Die Untersuchungen der Polizei dauern an, wir warten auf den Abschlussbericht", bestätigte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. Einer der Beschuldigten sitzt in Untersuchungshaft, bei einem zweiten ist der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Auch die drei anderen Beschuldigten sind vom Dienst suspendiert worden.

Weggesperrt, aber nicht abgeschirmt sind die Häftlinge in Stadelheim. In der JVA sollen Beamte Handys und Drogen verkauft haben. (Foto: Catherina Hess)

Wie das Justizministerium auf Anfrage mitteilte, seien die illegalen Geschäfte bei einer Kontrollaktion kurz vor Weihnachten 2011 aufgeflogen. Demnach verkauften die Justizvollzugsbeamten die Handys unabhängig voneinander. Ein Beschuldigter soll auch mit Drogen gehandelt haben. Wie lange und in welchem Umfang die Knast-Geschäfte liefen, ist laut Steinkraus-Koch noch unklar. Bei Ermittlungen und Vernehmungen soll außerdem geklärt werden, wie genau die Wachtmeister die Handys und Drogen ins Gefängnis geschmuggelt haben.

Handys sind in Gefängnissen verboten und insbesondere in der JVA Stadelheim, mit rund 1400 Gefangenen die größte Haftanstalt in Bayern, ein Problem. In Stadelheim sitzen Hunderte Untersuchungshäftlinge ein. Den meisten dieser Delinquenten, die auf einen Prozess warten, ist schon wegen der Möglichkeit der Zeugenbeeinflussung jeglicher Außenkontakt untersagt. Dennoch werden bei Kontrollen der Haftzellen immer wieder Mobiltelefone aufgefunden. Im Jahr 2009 waren es 32 Geräte.

Jahrelang waren Drogen und Handys heimlich an einem Auto eines JVA-Mitarbeiters versteckt und auf diese Weise auf das Gelände der Haftanstalt geschmuggelt worden. In anderen Fällen wurden kleine Handys oder Drogenpäckchen in Tennisbälle eingearbeitet und über die Gefängnismauer geworfen. Diese sogenannten Mauerwürfe sind in den letzten Monaten wieder verstärkt registriert worden.

Eine Debatte über mögliche Sicherheitslücken in Stadelheim hatte im Juli 2010 ein Häftling mit seiner Aussage in einem Prozess am Münchner Landgericht ausgelöst. Der Intensivstraftäter meinte, er könne sich "ohne weiteres" ein Handy in der Haft besorgen, es seien "genügend im Haus". Auch von einem schwunghaften Rauschgifthandel hinter Gittern berichtete der Mann, der angeklagt war, weil er aus der Untersuchungshaft heraus mit Anrufen von einem Mobiltelefon die Familie eines Mithäftlings um 600 Euro erpressen wollte.

Die Justizverwaltung sucht derzeit nach einer technischen Lösung für das Handyproblem. In Stadelheim sind nachts schon Mobil-Finder in Betrieb, um die Geräte aufzuspüren. Allerdings wissen die Gefangenen von der elektronischen Falle und verhalten sich entsprechend vorsichtig. Den Mobilfunkempfang auf dem Gefängnisareal komplett zu unterdrücken, ist nicht möglich, weil davon auch die Nachbarschaft betroffen wäre. In Planung ist, sogenannte Imsi-Catcher zu installieren, die rund um die Uhr Handys orten können.

Die fünf tatverdächtigen Justizvollzugsbeamten müssen sich voraussichtlich wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit vor Gericht verantworten. Ihnen drohen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

© SZ vom 13.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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