Es wird so sein wie immer, aber natürlich auch ganz anders als im letzten Jahr - schließlich findet in diesem Jahr keine Jahrhundert-Wiesn statt, sondern ein ganz normales Oktoberfest. Aber was, bitte, ist schon normal bei dieser Veranstaltung? Normal ist hier der Ausnahmezustand. Wir verraten, was der vorausschauende Gast in diesem Jahr alles beachten sollte. Wetter: Im Freibad wird es voll, wenn die Sonne scheint - das ist auf der Wiesn nicht unbedingt so. Zwar kommen wahrscheinlich mehr Leute bei schönem Wetter. Dann aber können die Biergärten geöffnet werden, und dadurch reduziert sich der "Druck auf die Zelte", wie das im Tourismusamtsdeutsch heißt. Das scheinbare Paradox kann der Kenner zu seinen Gunsten ausnützen: Wenn es regnet, sind Wirtsbuden- und Schaustellerstraße drängelfrei. Und wenn es schön ist, gibt's einen Sitzplatz zur Maß. Das Wetter in diesem Jahr lässt sich, soweit Prognosen über zwei Wochen möglich sind, mit vier Wörtern zusammenfassen: mal so, mal so
Preise: Die Wiesnwirte sind allesamt sehr arme, gestresste Menschen mit vielen Problemzonen. Deshalb sollte man ihnen von Herzen die paar mickrigen Euro gönnen, die ihnen nach Abzug der Unkosten noch bleiben. Also bitte nicht schlucken, wenn der Ochsenbraten 14,50 Euro kostet. Der Preis für die Maß Bier ist heuer besonders praktisch, bei neun Euro im Schnitt braucht man nur noch Zehn-Euro-Scheine, dann hat auch die Kellnerin was davon. Oder aber man investiert die gleiche Summe, um zwei Mal mit der Wilden Maus zu fahren (4,50 Euro kostet die Fahrt für Erwachsene) - auch hier ist der Rausch inbegriffen.
Wiesnhit: Wenn eine Prognose verlässlich ist, dann diese: es gibt niemanden, der verlässlich prognostizieren kann, welches Lied ein Wiesnhit wird. "Fürstenfeld" war ein Zufallstreffer, auf eine Schnulze wie "Sierra madre" hätte keiner getippt, und das "Fliegerlied" wurde eigentlich für motorisch unterbegabte Kinder komponiert. Es ist also nicht völlig auszuschließen, dass ein eher krudes Lied wie "Mia ham an Scheich" oder "Scharfe Möpse" vielleicht ein Erfolg beim ein oder anderen Zecher wird.
Tracht: Es ist inzwischen so weit gekommen, dass die Lederhose auch beim Discounter aushängt, gleich zwischen dem Hundefutter und den Prosecco-Palletten. Auf die Billigoffensive im Supermarkt reagieren die etablierten Händler mit einer Politik der massiven Aufrüstung: Je greller die Weste, je verknoteter die Schürze, desto besser. Knallige Pop-Art-Farben und vogelwilde Formen bestimmen das Bild, der Karneval auf der Theresienwiese hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Lady Gaga trifft Florian Silbereisen. Vielleicht wird 2012 ja alles wieder anders - dann kommen die Trachtenverweigerer ganz groß in Mode.
Übernachten: Die Hoteliers haben, barmherzig wie sie sind, die Preise nur sehr moderat angehoben - um 88 Prozent, wie ein Internet-Portal errechnet hat, 201 Euro kostet die durchschnittliche Unterkunft. 16 Prozent aller Wiesngäste gehen gar nicht ins Hotel, sondern quartieren sich auf einem der Campingplätze ein, wie das Tourismusamt mitteilt. Am besten hat es das aus Forstinning stammende Huhn Calimera: Es darf im Hotel Haydn direkt bei der Wiesn übernachten, Gras und Heu liegen bereit. Zwei Künstler wollen mit ihrer Aktion ein Zeichen gegen den massenhaften Hendl-Konsum protestieren - zu diesem Zweck muss Calimera sogar zu einem Morgenspaziergang auf dem Oktoberfest antreten. Ob die Henne auch in Tracht geht?
Fahrgeschäfte: Auf der Wiesn gibt es zwei Arten von Fahrgeschäften, die sich analog der Becksteinschen Zwei-Maß-Regel unterteilen lassen. Einmal jene, bei denen man zwei Maß und ein Hendl bei sich behält, und jene, bei denen das nicht der Fall ist. Erstere nennt man auch Traditionsfahrgeschäfte. Kinder finden sie meist "fad", Erwachsene sind eher in der Lage, auch die Vorteile zu sehen. Die andere Kategorie ist eigentlich nur für Verrückte und ganz Wagemutige geeignet. Oder solche, die sich während der Wiesn wegen Schleudertrauma, Bandscheibenvorfall oder ähnlichem krankschreiben lassen wollen (siehe auch: gelber Urlaubsschein).
Facebook: Die Mitgliedschaft in einem sozialen Netzwerk wie Facebook sollte während der Wiesn ruhen. Zumindest wäre die Wohnortangabe von "München" auf beispielsweise "Timbuktu" zu ändern, weil sonst sämtliche 367 sogenannte "Freunde" wissen wollen, ob sie während des Oktoberfests auf dem Sofa übernachten können. Fotos sollten beim Wiesnbesuch von vorneherein nicht gemacht geschweige denn hochgeladen werden, es sei denn, man will als Saufgurgel bei (im günstigsten Fall) 600 Millionen Facebook-Mitgliedern bekannt werden. Auch von einer öffentlichen Einladung zur Wiesn via Facebook ist Abstand zu nehmen: Es findet sich nämlich garantiert ein unbedeutender, norddeutscher Bundestag-Hinterbänkler, der einen wegen Anstiftung zur ungenehmigten Facebook-Party für sechs Millionen Gäste anzeigt.
Rauchen: Zweifellos ist Bayern, wenn nicht sogar die Welt, ein ganzes Stück schöner geworden, seit die Nichtraucher dem Freistaat ein Rauchverbot verordneten, das unter anderem auch dadurch zustand kam, dass die Raucher an dem Tag, an dem es drauf angekommen wäre, alle im Biergarten waren. Den Ärger jedoch hatten am Ende mal wieder die Wiesnwirte, die Raucherbalkone bauen mussten. Dort darf weder bedient noch konsumiert werden, was den Zorn der Wirte verständlich macht: Geld für etwas ausgeben, mit dem sie später keines verdienen können, das tun sie höchst ungern. Die Raucher auf den Balkonen hingegen hoffen auf ein Wetter, das Bayern so schön präsentiert, wie es auch vor dem Rauchverbot schon war.
Heimkommen: So einfach es ist, auf das Oktoberfest zu gelangen, so schwierig scheint es zu sein, die Festwiese wieder zu verlassen. Manche brauchen dazu fast die gesamte Breite der Wirtsbudenstraße, weil sie sich auf einem Kurs bewegen, der die gelaufene Wegstrecke stark verlängert. Segler nennen das "gegen den Wind kreuzen". Andere wiederum müssen erst neue Energie tanken, indem sie sich zu Füßen der Bavaria auf ein Nickerchen ablegen. Wieder andere vertrauen auf die Kraft, die vier Maß Bier verleihen, und kommen nicht nach Hause, weil sie dringend noch auf irgendeine "After-Wiesn" müssen. Schon der Name ist zweifellos interpretationsfähig.