SZ-Serie: Bühne? Frei!:Grenzen überschreiten

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Seit der Spielzeit 2020/21 ist Dmitry Mayboroda beim Bayerischen Staatsballett als Pianist angestellt. Er tritt auch als Solist auf, etwa mit den Wiener Philharmonikern. (Foto: Susanne Schramke)

Kultur-Lockdown, Tag 15: Der Pianist erzählt von seiner besonderen Verbindung zu Komponist Rachmaninow

Gastbeitrag von Dmitry Mayboroda

Eine besondere Verbindung zur Musik von Rachmaninow habe ich seit meiner Kindheit. Später hatte ich sogar das Glück, seinen Enkel Alexander Rachmaninow kennenzulernen, der mich bis zu seinem Tod vor einigen Jahren sehr unterstützt hat. Er ermöglichte mir beispielsweise, auf dem Flügel von Sergei Rachmaninow zu spielen. Dieses Instrument steht heute in der Villa Senar in der Nähe von Luzern. Von diesen Erfahrungen kann ich sehr profitieren, wenn ich die verschiedenen Préludes im Ballett "With a Chance of Rain" spiele. Diese Produktion zeigen wir im Rahmen des neuen dreiteiligen Ballettabends "Paradigma". Eigentlich hätten wir Anfang November Premiere haben sollen. Wir hoffen nun, den Abend im Dezember auf die Bühne bringen zu können.

Auf der einen Seite gibt es in Rachmaninows Musik viele dunkle Stimmungen, aber auf der anderen Seite verarbeitet er zahlreiche Motive, die mit Hoffnungen und optimistischen Zukunftsperspektiven in Verbindung stehen. Es ist vielleicht nicht so extrem wie bei Robert Schumann, aber auch hier haben wir es mit einer Komponistenpersönlichkeit zu tun, die ganz verschiedene Gesichter hat. Dadurch ist das emotionale Spektrum von Rachmaninows Musik sehr groß. Außerdem glaube ich, dass Rachmaninows Musik auch Leute anspricht, die nicht so oft in ein Konzert mit klassischer Musik gehen.

Persönlich bedeutet mir das Mitwirken in "With a Chance of Rain" auch deshalb viel, weil ich gemerkt habe, wie viel Einfluss der Tanz auf mein Klavierspiel ausübt. Die Interpretation ist ganz anders, als wenn ich in einem Solo-Konzert auftrete. Es gibt mehr Spielraum, was das Tempo oder die Dynamiken betrifft. So benötigen die Tänzer manchmal gewisse musikalische Akzente, um sich in der Choreografie orientieren zu können. Diese Akzente sind nicht unbedingt in den Noten vorgesehen. Ich versuche dann einen Kompromiss zu finden, um beiden Seiten gerecht zu werden. Man kann dadurch mit der Musik etwas Anderes erzählen.

Der Ballettabend "Paradigma" besteht aus insgesamt drei Stücken. In allen ist das Thema der Grenzen und der Überschreitung von Grenzen sehr präsent. In diesem Zusammenhang war ich total fasziniert, als ich die Schallplattenaufnahmen von Rachmaninow anhörte. Er spielte seine eigenen Werke oft ganz anders, als er sie in den Noten festgelegt hat. Das zeigt mir, dass es künstlerische Freiheiten gibt. Wo sind die Grenzen, wann überschreitet man sie, und wie weit darf man gehen? Das sind Fragen, die uns im Moment ja nicht nur im künstlerischen Bereich beschäftigen. Das Wichtigste aber ist , dass es uns gelingt, eine künstlerische Inspiration zu transportieren. Ich möchte mit der Musik die Tänzer inspirieren, und sie wiederum zeigen mir eine neue Seite von Rachmaninow. Das ist ein lebendiger Dialog, eine Geschichte zwischen Tänzer, Musiker und Publikum.

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© SZ vom 16.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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