Gabel-Attacke ohne Konsequenzen:Strafunmündige Täter laufen frei herum

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Die Lücken im System: Der brutale Angriff auf einen Pasinger Rentner bleibt für den 13-jährigen Hauptverdächtigen ohne strafrechtliche Folgen. Eine Unterbringung in einem geschlossenen Heim scheitert zudem an fehlenden Kapazitäten in München.

Jan Bielicki und Monika Maier-Albang

(SZ vom 04.06.2003) — Nach dem brutalen Überfall von drei Jugendlichen auf einen Pasinger Rentner befinden sich die Täter weiterhin in einem offenen Jugendheim der Stadt. Eine Unterbringung der Teenager in einem geschlossenen Heim sei "leider nicht möglich", sagte Jugendamtsleiter Hubertus Schröer der SZ. Die CSU-Stadtratsfraktion hält die städtischen Maßnahmen für "völlig ungenügend" und fordert die Einrichtung eines Kleinstheims für straffällige Jugendliche.

Die drei Jugendlichen hatten am Samstag den Rentner mit Gürteln geschlagen und ihm eine zum Schlagring gebogene Gabel in den Kopf gerammt. Der 13-Jährige, dem die Gabel-Attacke zugerechnet wird, war erst vor kurzem wegen familiärer Probleme in das Heim an der Pasinger Scapinellistraße eingewiesen worden. Er wohnte dort zusammen mit älteren Jugendlichen, weil Heime für Kinder seines Alters die Aufnahme des bereits durch Straftaten aufgefallenen Buben abgelehnt hatten.

Mit etwa zwölf anderen Heimbewohner war er am Abend losgezogen und hatte Bier getrunken. Kurz nach Mitternacht kamen die Jugendlichen am Garten von Rudolf B. vorbei. Als sie gegen den Zaun traten und Sprüche wie "Scheiß-Deutsche" grölten, kamen der Rentner und sein Sohn ans Gartentor.

Drei der Jugendlichen — der 13-Jährige, ein Deutscher türkischer Herkunft, ein 14-jähriger Türke und ein 15-jähriger Bosnier — prügelten auf sie ein. Die Polizei geht davon aus, dass der 13-Jährige Rudolf B. die Gabel ins Gesicht rammte. Das Opfer, Rudolf B., sagte der SZ, dass zwei Betreuer bei der Gruppe gewesen seien - zumindest einer habe noch zu schlichten versucht, aber nichts erreicht.

"Sehr wenig Möglichkeiten" für die Polizei

Bei strafunmündigen Kindern wie dem 13-jährigen habe die Polizei "sehr wenig Möglichkeiten", sagt Peter Müller, Leiter des Kommissariats 124 für jugendtypische Gewaltdelikte. Der Bub, der in Neuhausen aufgewachsen ist, war der Polizei bislang wegen Eigentumsdelikten, weniger als Gewalttäter aufgefallen. Er zählt nicht zu den 52 "Intensivtätern", die Polizei in der "AG Proper" betreut.

In der Arbeitsgemeinschaft kümmern sich geschulte Beamte um Jugendliche, die im letzten halben Jahr mindestens fünf Straftaten begangen haben. Allerdings gibt es auch hier ein "Kapazitätsproblem", erklärt AG-Leiter Thomas Hemm. "Wir könnten leicht doppelt so viele aufnehmen" - gäbe es mehr Personal. Vier Fünftel der Intensivtäter sind Hemm zufolge Jugendliche ausländischer Herkunft, die ihre Straftaten oft unter dem Einfluss von Hasch oder Ecstasy begehen. Auffällig sei, dass die Gewaltbereitschaft von Mädchen stark zunehme.

In besonders schwierigen Fällen setzen sich Polizei und Jugendamt gemeinsam für eine Unterbringung in einem geschlossenen Heim ein. Es gibt jedoch in Bayern nur zwei solcher Einrichtungen mit insgesamt 67 Plätzen: In Rummelsberg bei Nürnberg unterhält die Diakonie ein Haus für Jungen, ein reines Mädchenheim betreibt die Caritas in Gauting.

Neue Clearingstellen geplant

Drei neue "Clearingstellen" für sozial auffällige Jugendliche sollen in Würzburg, Regensburg und Hallbergmoos entstehen. Auch die Stadt will ein geschlossenes Heim in München, konnte aber bislang kein bezahlbares Haus finden. Das bisher einzige Angebot für ein Kleinstheim mit sechs Plätzen hätte rund 3,3 Millionen Euro gekostet.

Den Täter scheint der Vorfall kaum zu berühren. Als Beamte ihn am Montag zum Verhör abholten, fanden sie in seiner Tasche erneut eine gebogene Gabel.

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