Fußball-Regionalliga:Sinnsuche am See

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Es ist ein Kampf: Szene aus dem Hinspiel vom September 2019 mit Luca Beckenbauer (l.), damals noch beim SV Heimstetten (jetzt Koblenz), und dem Doppel-Torschützen beim Garchinger 4:3-Sieg, VfR-Kapitän Dennis Niebauer. (Foto: Claus Schunk)

Das Derby zwischen Garching und Heimstetten war fragwürdig. Am Freitag einigen sich beide auf eine Absage.

Von Christoph Leischwitz, Garching

Ob der Rasen im Garchinger Stadion am See jetzt froh ist? Ob man das Gras jetzt fröhlich wachsen hören kann? Zum letzten Mal musste der Rasen am 7. März für ein Pflichtspiel herhalten, sieben Grad hatte es damals in Garching. Den ganzen Frühling und Sommer über haben sie ihn in Ruhe gelassen. Und jetzt, fast acht Monate später, wollten sie ihn plötzlich noch einmal mit 22 Paar Fußballschuhen malträtieren. Und nächste Woche vielleicht sogar noch einmal. Die Temperaturen wären diesmal zwar angenehmer gewesen. Aber, bitte, ergibt das Sinn?

Nein, beschlossen die beiden Regionalligisten VfR Garching und SV Heimstetten und einigten sich am Freitagabend darauf, ihr für diesen Samstag angesetztes Derby ausfallen zu lassen. "In beiden Städten steigen die Zahlen der Corona-Infizierten an. Zur Sicherheit unserer Spieler, Trainer und Zuschauer haben wir uns für die Absage entschieden!", teilte der VfR auf seiner Facebook-Seite mit. Das Eintrittsgeld für die 50 verkauften Tickets werde zurückerstattet. Die Mitteilung endet mit dem Wunsch: "Bleibt gesund und passt auf euch und eure Mitmenschen auf!"

Es dürfte ein Wunsch sein, den beide Teams mit in die Winterpause nehmen können. Denn im Grunde geht niemand davon aus, dass nach den November-Einschränkungen die Rasenplätze im Dezember noch einmal betreten werden. Andererseits: Ludwig Trifellner, 62, hat im Fußball schon viel erlebt. Und so ganz ausschließen mag er vermutlich selbst jetzt nichts. Alles habe man getan, um auf die Pandemie so flexibel wie möglich reagieren zu können; vor allem, dass die Regionalliga Bayern keine neue Saison gestartet hat, sondern die Saison 2019/20 zu Ende spielen will, habe zeitlichen Druck rausgenommen. Das sei auch alles richtig gewesen. Aber: "Jetzt werden wir trotzdem wieder gedrängt, unbedingt noch zu spielen", sagte der Sportdirektor des Tabellenletzten am Freitag, als er noch davon ausgehen musste, dass die Partie am Samstag stattfindet. Nicht nur das: Für den Dienstag, also nach Eintreten der Beschränkungen im Amateur- und Profisport, ist das Nachholspiel gegen den FC Memmingen angesetzt. Ob es noch ausgetragen wird, war am Freitagabend offen. Das Hickhack um eben dieses Spiel stieß Trifellner besonders sauer auf. Zur Begründung für die Neuansetzung der vergangene Woche abgesagten Partie gab der Verband an, dass die fünf Regionalligen womöglich noch Profistatus erhalten - und Profisport darf ja weiterhin betrieben werden. Aus Sicht Trifellners wäre damit der Gipfel der Absurdität erreicht: "Wenn wir jetzt Profis werden, dann müssen wir aber auch getestet werden. Und ich weiß nicht, ob das Sinn macht. Die Spieler arbeiten ja alle." Außerdem würde man eine Genehmigung brauchen, um am Montag noch einmal trainieren zu dürfen.

Auch Heimstettens Trainer Christoph Schmitt war am Freitag - vor der Absage - hin und her gerissen. "Es ist schon ein bisschen wild, jetzt noch zu spielen", sagte Schmitt angesichts der steigenden Infektionszahlen und der allgemeinen Stimmung. Aber er hätte grundsätzlich nichts dagegen gehabt: "Wir haben ein paar Verletzte, Kranke, Gesperrte, aber das darf nicht entscheidend sein." Trifellner hingegen fand, dass die Personalsituation durchaus eine Rolle spielt. Schließlich ist ein Garchinger nach wie vor an Corona erkrankt. Der Sportdirektor berichtet, dass der junge Spieler seit Wochen flach liegt und sich kaum bewegen könne. "Das schlägt bei der Mannschaft schon auf die Stimmung."

Sportlich ist die Situation für die Garchinger ohnehin dramatisch. Mit nur 13 Zählern liegen sie auf dem letzten Platz der Regionalliga (wenn man einmal den ans Tabellenende versetzten Aufsteiger Türkgücü außen vor lässt). Zur sportlichen kommt nun eine terminliche Notsituation: Der VfR hat erst 22 von 34 Saisonspielen bestritten, muss also bis 8. Mai noch zwölf Mal ran. Der Rasen im Stadion am See wird noch ordentlich malträtiert werden.

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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