BCF Wolfratshausen:Aufbäumen gegen die Abschiedsstimmung

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Seltsame Abschiedsstimmung: Nicht nur Trainer Marco Stier (li.), sondern auch Abteilungsleiter Manfred Fleischer wird bald aufhören. (Foto: Manfred Neubauer)

Vor den entscheidenden Wochen kommt noch einmal Bewegung in den Kader.

Von Andreas Liebmann, Wolfratshausen

Die Saison begann mit einem stolzen Trainer - und 4000 besetzten Stehplätzen. Es gibt auch gar keine Sitzplätze rund um den Wolfratshauser Fußballplatz, abgesehen von ein paar alten Parkbänken und den Tischen auf der Terrasse des Sportlerheims. Aber das Isar-Loisachstadion war rappelvoll, seit Jahren mal wieder. Zum Sitzen war ohnehin niemand gekommen, sondern um den gastgebenden Ball-Club Farchet gegen den großen FC Bayern spielen zu sehen, für ein Autogramm von Mats Hummels oder einen lockeren Spruch von Thomas Müller. An dessen Hand war Marco Stiers Tochter Miley eingelaufen, und der BCF-Trainer sagte nach der mit 1:4 verlorenen Partie: "Ich bin mega stolz. Wir haben super dagegenhalten. Die Jungs hatten Eier in der Hose."

Ein halbes Jahr später sagt Marco Stier, 33, ehemaliger Junioren-Nationalspieler und Drittligaprofi - gar nichts mehr.

Für die Weihnachtsfeier seines Bayernligisten Mitte Dezember hatte er eine Erklärung angekündigt. Stier eröffnete den Anwesenden damals, dass er nach Saisonende mit der Familie in seine Geburtsstadt Hamburg zurückkehren werde, und dass ihn zwei Jahre Abstiegskampf in Wolfratshausen "doch sehr mitgenommen" hätten. Man darf davon ausgehen, dass das eine nicht unmittelbar etwas mit dem anderen zu tun hat. Fest steht damit, dass er seinem Wolfratshauser Hausnachbarn Edmund Stoiber nicht mehr lange über den Gartenzaun hinweg wird zuwinken können, was doch eine kuriose Situation war, weil er den früheren Ministerpräsidenten ja auch an Samstagnachmittagen als prominentesten BCF-Anhänger im Stadion wiedertraf. Meist auf einer der Parkbänke sitzend und gut zu sehen, weil zu den BCF-Spielen selten mehr als hundert Zuschauer kommen.

Seit der Ankündigung seines Abschieds will sich Stier jedenfalls "aus persönlichen Gründen" nicht mehr öffentlich äußern. Er hat seinen Angreifer, engen Freund und Co-Trainer Angelo Hauk damit beauftragt, für den Rest der Saison nach außen Rede und Antwort zu stehen.

Der BCF Wolfratshausen hat auf Rang 17 überwintert, dem drittletzten, mit nur einem Punkt Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz und drei Zählern Rückstand zum FC Ismaning, der knapp über den Relegationsplätzen steht - aber noch zwei Spiele weniger absolviert hat. Es wird also eng. Mal wieder. Dabei hatte Stier vor der Saison prognostiziert, sein Team werde zwar wieder im unteren Tabellendrittel landen, aber sicher nicht mehr in akuter Abstiegsangst wie in den Jahren zuvor. Das war Mitte Juli, nur wenige Tage nach dem Testspiel gegen den FC Bayern.

Fünf Neue sind gekommen, drei für die anfällige Abwehr. Fünf andere sind gegangen

Es ist eine seltsame Abschiedsstimmung, in der sich die Mannschaft nun gegen den Abstieg stemmen soll. Auch Abteilungsleiter Manfred Fleischer hat schon längst angekündigt, dass gerade seine letzte Amtszeit abläuft. Angelo Hauk schätzt, dass noch weitere Abschiede bevorstehen, vermutlich auch sein eigener. "Wir wissen, dass es schwer wird", sagt er, "wir wissen, welchen Druck das bedeutet: Aber wir wollen die Klasse halten, wir wollen niemanden mit einem Abstieg verabschieden."

Vielleicht ist es hilfreich, ein wenig Personal durchzuwechseln. Klar ist: Der BCF hat 64 Gegentore kassiert, das ist der schlechteste Wert beider Bayernliga-Gruppen. Stier hatte Verstärkungen für die Abwehr gefordert. Fünf Neue sind es geworden: Timon Hummel, 24, war bis vor einigen Wochen Kapitän und Abwehrchef des Nord-Bezirksligisten FC Schwabing, Aleksandar Spehar, 23, kommt vom Süd-Bezirksligisten FC Phönix München, beide Innenverteidiger. Auch Marin Culjak, 19, ist eher für die Defensive eingeplant, er hatte sich beim SV Pullach nicht durchgesetzt. In Florian Shalaj, 20, kommt ein Mittelfeldspieler, der beim Regionalligisten Buchbach den Sprung nicht geschafft hat. Shalaj wie Culjak sind im Nachwuchs höherklassiger Klubs ausgebildet worden. Und schließlich Rückkehrer Ibrahim Cakir, 21, zuletzt beim Landesligisten Kissing. Sie alle sind vom bisherigen Abstiegskampf unbelastet. Allerdings stehen ihnen fünf Weggänge gegenüber. Michael Ott (21 Jahre/8 Saison-Einsätze) wechselt nach Verletzungsproblemen zum Bezirksligisten Moosinning, bei Ivan Vidovic (21/5), Anthony Butge (23/2) und Leon Brudy (25/0) war bis Mittwoch kein neuer Verein bekannt. Auch Sandro Wolfinger ist weg. Der 26-jährige Nationalspieler ist in seine Heimat Liechtenstein zurückgekehrt. Mitgenommen hat er das Trikot, das er im Sommer von Thomas Müller ergattert hatte.

Der Verbleib in der Bayernliga ist längst eine heikle Mission für die Farcheter. Eigener Nachwuchs für diese Klasse ist nicht in Sicht, eine ganze Menge Funktionäre und Spieler haben den Verein in den vergangenen zwei Jahren nach Unstimmigkeiten verlassen. In der Nachbarschaft bereitet sich der Landesligist TuS Geretsried gerade darauf vor, allmählich wieder die Nummer eins in der Gegend zu werden - unter anderem mit den langjährigen BCF-Spielern Lech Kasperek und Michael Rauch. Und etwas weiter weg, beim TuS Holzkirchen, spielen andere Ehemalige: Sebastian Pummer, Marco Höferth und Christopher Korkor. Letzterer hat dort bis Winter schon mehr Einsatzminuten bekommen als in der gesamten Vorsaison unter Stier. Selbe Liga, neun Tabellenplätze weiter oben. Während Stier in der Vorrunde doch oft arge Personalnot hatte: Jona Lehr, der pausieren wollte, hatte er mühsam zurück ins Team geredet, Lars Nummer, der zunächst nach Heimstetten gewechselt war, erlaubte er die reumütige Rückkehr. Und auch Co-Trainer Michael Rödl, der seine aktive Laufbahn vor der Saison beendet hatte, musste seit Oktober regelmäßig spielen.

Lustigerweise hatten Stier vor der Saison einzig im Sturm Bedenken geplagt, wo er nur Hauk habe und den torgefährlichen Vorbereiter Marian Knecht. Die Abwehr mache ihm keine Sorgen, sagte er damals. Knecht überraschte positiv: Ein Tor nur legte er auf - aber 16 Mal traf er selbst. Damit ist er dicht dran am Toptorjäger der Liga. Nur an Hummels kam im Sommer auch er nicht vorbei.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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