Zu Gunsten des SZ-Spendenhilfswerks:Skurril für einen guten Zweck

Auf der Benefizveranstaltung in Fürstenfeld präsentieren die sonst anonym agierenden Streiflicht-Autoren ihre Texte, erzählen von ihrem journalistischen Alltag - und erregen viel Gelächter. Ein Abend mit viel Sarkasmus, Witz und Musik.

Von Friederike Zoe Grasshoff

SZ Benefizabend

Ergänzen sich hervorragend: die Musiker des Puchheimer Jugendkammerorchesters unter der Leitung von Peter Michielsen und die vier Streiflichtautoren Joachim Käppner (von links), Harald Hordych, Wolfgang Görl und Hilmar Klute.

(Foto: Günther Reger)

- Es kann enorm befreiend sein, sich vom Duktus der political correctness loszusagen. Das gilt auch für Journalisten, selbst wenn derartige Ausbrüche natürlich nur begrenzt möglich sind. Das Skurrile im Gewöhnlichen zeigen, übertreiben, provozieren. Ein Beispiel aus der Praxis: Die Textgattung Glosse bietet etwa die Möglichkeit, denjenigen Feuilleton-Kollegen den Spiegel vorzuhalten, die in ihrer ereignisarmen Existenz die Nähe zu Pornostars wie Sasha Grey suchen, eine Legende der US-amerikanischen Erotikindustrie, die neuerdings auch Romane schreibt - und ziemlich viele Interviews gibt. Noch schöner aber ist es für Kolumnisten, dass sie eigentlich über alles schreiben können: die einschläfernde Wirkung von Fernsehköchen, inflationär gebrauchte Fußballmetaphern, Pferdefleisch-Lasagne, das Ruhebedürfnis einer Margot Käßmann in der Eisenbahn.

All diese Kuriositäten beziehen sich auf eine tagesaktuelle Nachricht, die ganz bewusst verschärft wird. An sechs Tagen in der Woche erscheinen diese und andere Geschichten auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung, links oben. Die Rede ist von der Glosse Streiflicht, im Jahr 1946 wurde sie erstmals abgedruckt. Wer aus der Redaktion die neuen Eskapaden eines Gérard Depardieu oder die Kochgewohnheiten deutscher Männer sarkastisch-skurril zuspitzt, bleibt in der Regel geheim: Das Streiflicht erscheint ohne Autorennamen, ohne Kürzel, über die Urheberschaft kann normalerweise nur gemutmaßt werden. Am Donnerstagabend tritt die Stamm-Mannschaft der Streiflicht-Autoren heraus aus der Anonymität - und zeigt sich auf der Bühne des Kleines Saals des Veranstaltungsforums Fürstenfeld: Die SZ-Redakteure Hilmar Klute, Harald Hordych, Wolfgang Görl und Joachim Käppner lesen einige ausgewählte Glossen aus den vergangenen zwei Jahren. Klute, der das Streiflicht leitet, stellt gleich zu Anfang klar: "Was wir nicht wollen, ist so eine Art Poesiealbum." Diese Textform dürfe zwar gedanklich mäandern und zu einer "seltsamen Moral" führen, dennoch solle ein nachrichtlicher Kern erkennbar bleiben. Ein konkretes Beispiel liefert Hordych mit einem Text zur NSA-Spähaffäre, einfühlsam-ironisch schildert er den Zwiespalt eines international operierenden Geheimagenten: Trocken erzählt Hordych, wie die Welt "dem Spion zum Rätsel" geworden sei. Schließlich stelle sich die Frage, "wer jetzt eigentlich gerade in welcher Frage mit wem verbündet ist und welches Land gerade abgehört werden soll?"

In den kurzen Pausen spielt das Puchheimer Jugendkammerorchester, es ist ein Wechsel aus meditativem Innehalten und humoristischer Entladung. Gelacht, geschmunzelt und gefeixt wird an diesem Abend nicht einfach so, all das geschieht für einen guten Zweck: Die Streiflicht-Lesung fungiert als Benefiz-Veranstaltung zugunsten des "SZ-Adventskalenders für gute Werke", seit mehr als 60 Jahren hilft dieser Adventskalender finanziell schwachen Menschen aus München und Region. Im Spendenjahr 2012/2013 kamen insgesamt 5,7 Millionen Euro zusammen, etwa 30 000 Leser spenden jedes Jahr Summen von fünf bis 60 000 Euro. Ein großer Teil des Geldes geht an Sozialdienste und Verbände, die mit dem Adventskalender kooperieren. Hinzu kommen die Einzelfallhilfen, das sind zum Beispiel Einkaufsgutscheine für Familien oder Lebensmittelpakete für Bedürftige.

"Der SZ-Adventskalender greift da, wo sich der Staat aus der Verantwortung zieht", sagt Christian Hufnagel in seiner Eröffnungsrede. Hufnagel ist langjähriger SZ-Redakteur, leitet die Landkreisredaktion Fürstenfeldbruck und moderiert durch den Donnerstagabend. So kämen die Spendenerlöse etwa Familien mit schwerkranken Kindern und Menschen in Altersarmut zugute. Das Spektrum reiche von der Brille für Senioren bis hin zu Fahrzeugen für soziale Einrichtungen.

Wie die Streiflichtautoren macht auch er einen kurzen Exkurs in die journalistische Praxis: Natürlich sei man als Lokaljournalist an Sensationen interessiert, dies sei ein oft erhobener Vorwurf an den Berufsstand. "Doch Lokaljournalismus bietet auch die Möglichkeit, Menschen eine Freude zu bereiten." Dies geschehe nicht nur durch bestimmte Themen und Artikel, sondern eben auch durch Hilfsaktionen wie den SZ-Adventskalender. Seine Botschaft an die Gäste: "Danke!"

So haben sich am Donnerstagabend nicht nur mehr als 100 Gäste in Fürstenfeld versammelt, um sich von skurrilen Geschichten und jungen Musikern unterhalten zu lassen, auch die Journalisten haben ihre Streiflicht-Werkstatt verlassen. Streiflicht-Autor Wolfgang Görl wirkt zufrieden, an einem Abend nicht anonym unterwegs sein zu müssen: Da man als Streiflicht-Autor in den Turm des SZ-Hochhauses eingesperrt sei, "ist es schwierig, sich in der wirklichen Welt zurechtzufinden". So schwierig wirkte das zwar gar nicht, aber dennoch: Willkommen in der skurrilen Wirklichkeit!

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