Workshop:Gemeinschaftliches Rumwursteln

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Im Olchinger Sozialzentrum kommen Gleichgesinntezu einem ungewöhnlichen Kochkurs zusammen

Von Erich C. Setzwein, Olching

Am Ende ist alles Wurst. Die schweren Schweineschultern sind in Stücke geschnitten und durch den Fleischwolf gedreht worden, der gefrostete Speck auch, die Gewürze sind dazugekommen und alles wurde durch eine Tülle in den Schafsdarm gepresst. Am Ende dieses überlangen Nachmittags, der in den Abend übergegangen ist, liegen vor den 14 Teilnehmern des Bratwurstkurses im Haus der Begegnung an der Olchinger Feursstraße meterlange, nach Knoblauch und Gewürzen duftende Bratwurstschlangen. Und den Wurstnovizen ist nun klar, dass es nicht wurst ist, was in die Wurst kommt und warum das so viel Arbeit macht.

Es ist schon das vierte Mal, das Daniela Paunert und Sabine Probst, die Leiterinnen des Sozialzentrums im Stadtteil Graßlfing, einen Wurstkurs anbieten. Auch dieses Mal ist er ausgebucht, auch dieses Mal sind Frauen und Männer in mittleren Jahren dabei, nur Paunerts sehr interessierter Sohn Korbinian drückt mit seinen neun Jahren den Altersdurchschnitt.

"Es ist unsere Aufgabe, im Sozialzentrum die Menschen zusammenzubringen", sagt die studierte Pädagogin Daniela Paunert, "und so etwas gelingt am besten über Essen." Ob beim offenen Frühstückstreff in den Vormittagsstunden, wenn junge Mütter ebenso wie Großeltern in den dritten Stock des Sozialzentrums kommen, oder bei den kulinarischen Kursen, die mehrmals im Jahr angeboten werden: Stets kommen Gleichgesinnte zusammen, entwickeln sich Gespräche, ohne dass der Altersunterschied oder die Herkunft eine Rolle spielt. Das ist auch beim Bratwurstkurs zu beobachten. Das Kennenlernen geht schnell, jeder wird in den folgenden Stunden seine Kompetenz in der Küche unter Beweis stellen können, ohne dass ein Wettbewerb entsteht. Es wird sich gegenseitig geholfen, und wenn der eine vom Kurbeln am Fleischwolf Muskelkater bekommt, ist wie selbstverständlich die Ablösung da. Eine Gemeinschaft, die sich erst kurz kennt, hält zusammen.

Das Ziel, das die Olchinger verbindet, ist klar: Am Ende die selbst gemachte Wurst mit nach Hause zu nehmen und sie tags drauf schon zu einem leckeren Essen zuzubereiten, es den Kindern oder dem Partner auf den Teller legen zu können, ein Produkt in der Küche zu haben, das man bislang selbst nicht gemacht hat. Vor dem Verzehr aber stehen die Mühen, denen sich Metzger heute nur noch bedingt aussetzen. Denn die haben Maschinen mit höllisch scharfen Messern, die ihnen die Arbeit abnehmen. Nicht so in der Küche des Sozialzentrums. Dort stehen sich Michael Kaunzinger und Dritan Halili gegenüber und schneiden das Schweinefleisch in kleine Würfel. Das Fleisch ist saftig und je länger die Männer mit den Messern durch die roten, von Fett durchzogenen Fasern schneiden, desto roter werden auch die Hände - vor Kälte. Kaunzingers Finger werden noch kälter, als er in die gewürzte Wurstmasse noch gestoßenes Eis mischt. Beim Metzger seines Vertrauens macht das eine Maschine.

Doch die Teilnehmer sind nicht zu diesem Kurs gekommen, um mit Maschinen das zu machen, was sie so auch im Laden kaufen könnten. Sie sind gekommen, um ein wenig von dem Handwerk mitzubekommen, das es ermöglicht, eine schmackhafte Wurst herzustellen. Sie lernen zu Beginn von Daniela Paunert, dass Hygiene alles ist in der Küche, dass rohes Fleisch in jeder Stufe der Verarbeitung anfällig ist für Keime, dass es sofort wieder in die Kühlung muss, wenn ein Schritt gemacht wurde. Und sie begreifen, als allein das Durchdrehen nach anderthalb Stunden zu Ende ist, dass das Wurst machen nicht einfach so nebenbei gehen kann im normalen Küchenalltag.

Paunert und Probst, die ebenfalls Erziehungswissenschaften studiert hat, sind selbst begeistert vom Kurs, erklären und helfen, packen mit an und spülen zwischendurch Geräte und Werkzeuge. Jedes Kilo Brät werde aus 750 Gramm Schweinefleisch und 250 Gramm Speck bestehen, es werde genau 16 Gramm Salz und 1,6 Gramm Pfeffer enthalten und eine durchgepresste Knoblauchzehe, zählt Sabine Probst auf. Und je nach Geschmacksrichtung auch Kräuter und Gewürze - oder Käsewürfel. Und während also auch Käse in kleine Quader geschnitten wird, hilft Korbinian beim zweimaligen Waschen der insgesamt 70 Meter Schafsdarm mit. Das sieht in Fernseh-Kochsendungen immer so leicht aus, ist aber eine arge Fummelei. Die Darmputzer merken, wie sich ein solcher Darm anfühlt, und dabei reift die Erkenntnis, dass man diese Erfahrung nicht mit vielen anderen teilt.

Nach all den Vorbereitungen, bei denen festzustellen ist, wie die Teilnehmer mit einer gewissen Liebe und Respekt vor den Grundprodukten an die Arbeit gegangen sind, steht das Füllen der gewässerte Därme an. Wiederum eine Fummelei, die glitschigen Wursthäute über die Tüllen der Wurstfüllmaschine und des Fleischwolfs zu bekommen. Und der Gedanke, der im Sozialzentrum ohnehin vorherrscht, wird auch dabei umgesetzt. Dass für den Einzelnen das Wursten eine große Mühe wäre, es aber in der Gemeinschaft viel leichter von der Hand geht.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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