Weihnachtliches Brauchtum:Bedrohtes Kulturgut

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Aus purer "Schaffensfreude" halten Max und Gabriele Gassenhuber den Olchinger Schnitz- und Krippenfreunden seit Jahrzehnten die Treue. In seinem Haus beherbergt das Ehepaar selbst ein Sammlung von inzwischen 80 Weihnachtskrippen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Olchinger Krippenfreunde sind überaltert und werden immer weniger. Max und Gabriele Gassenhuber gehörten 1984 zu den Gründungsmitgliedern. Das Ehepaar macht sich Sorgen um die Zukunft des Vereins und seine eigene Sammlung

Von Christian Hufnagel, Olching

Die Krippe unterm Christbaum mag kein selbstverständliches Bild mehr sein. Wer sich mit Max Gassenhuber und seiner Frau Gabriele über diese traditionelle Darstellung der Weihnachtsgeschichte mit Menschen- und Tierfiguren unterhält, der kann nicht umhin, dieses religiöse Kulturgut als bedroht anzusehen. Das Ehepaar gehört zu den Mitbegründern der Olchinger Schnitz- und Krippenfreunde. 1984 war das, als die Teilnehmer eines Schnitzkurses für ihr neu entdecktes Hobby so viel Begeisterung empfanden, dass sie den kunsthandwerklichen Brauchtumsverein aus der Taufe hoben.

Bis zu 40 Mitglieder kamen damals montags im Pfarrheim zusammen, um "zu schnitzen, was hergeht", wie der Rentner die Zusammenkunft beschreibt, die über Jahrzehnte hielt. Das waren thematische Motive wie Obst, Masken oder eben Figuren wie Schafe, die zum Hauptvereinszweck führen: Der Weihnachtskrippe, etwa in Form des großartigen Gemeinschaftswerks, das jedes Jahr vor der katholischen Kirche Sankt Peter und Paul aufgebaut wird, oder von wiederkehrenden Ausstellungen.

Aber die Schnitzer wurden immer weniger: "Die Tafel der Verstorbenen ist proppenvoll", kommentiert Gabriele Gassenhuber den Werdegang der Gemeindeschaft wehmütig. "Jetzt sind wir noch 20", ergänzt ihr Ehemann. Er sei mit seinen 75 Jahren der Zweitjüngste im Verein, was in der Tat eine besorgniserregende Altersstruktur offenbart. Und dann brachte auch noch die Pandemie das Vereinsleben völlig zum Erliegen: "Seit März 2020 haben wir uns nicht mehr getroffen", bedauert der Schriftführer und ist nicht besonders optimistisch: "Die Zukunft des Vereins ist in Frage gestellt." Schon in der Vor-Corona-Zeit war jeder Versuch gescheitert, Nachwuchs zu finden und jüngere Mitglieder zu gewinnen, womit es den Krippenbauern nicht anders ergeht wie etwa Briefmarkensammlern oder sangeslustigen Vereinigungen: "Es interessiert sich heute niemand mehr für Krippen, die Jugend schon gleich gar nicht", lautet die bittere Erfahrung des Ehepaares.

Dessen Heim mutet vor diesem Hintergrund im Advent wie eine Herberge von Weihnachtskrippen an. Allein im Esszimmer, das einer gemütlichen Bauernstube gleicht, finden sich drei Exemplare, nicht alle sind leicht zu entdecken. Auf der Eckbank markiert ein Relief mit Josef, Maria und dem Kind gewissermaßen den Herrgottswinkel. Die heilige Familie hat Gabriele Gassenhuber aus einem Holzblock herausgearbeitet. Noch feiner die Darstellung der Stallszene mit Miniaturfiguren in einer halben Nussschale, welche in einem Holzwürfel eingefasst ist.

Auf einem kleinem Schränkchen steht das jüngste Exemplar, eine alpenländische Version der Weihnachtsgeschichte: "Uns hat jemand die Figuren und Tiere vor der Tür gestellt. Also habe ich einen Stall dazu gebaut", erzählt Max Gassenhuber die Entstehungsgeschichte, die viel über die Leidenschaft wie Spontanität der beiden aussagt. Ihr kunsthandwerkliches Spektrum reicht vom Schnitzen der Gliedmaßen über das Schneidern der Kleider bis hin zum Bau der Gebäude und schließlich einer ganzen Modelllandschaft, wie sie jetzt vor Weihnachten im Wohnzimmer aufgebaut ist und die Szenerie aus dem fernen Bethlehem in eine vertraute Gebirgslandschaft der Alpen führt. Die Bilderwelt weitet sich dabei mit den heiligem Trio aus dem Morgenland bis zum Dreikönigstag.

Der ehemalige technische Kaufmann und seine Frau haben sich auch in dem gemeinsamen Hobby der Schnitzerei und des Krippenbaus gefunden. Der 75-Jährige nennt es eine "Schaffensfreude", die sie antreibt und bereichert. Nicht verwunderlich also, dass es noch viel mehr Krippen in ihrem Haus gibt. 80 seien es, sagt die Frau und deutet mit dem Zeigefinger an die Decke. Im Speicher lagern diese vielen Exponate, die eine Hälfte selbst angefertigt, die andere gesammelt. Ein kunsthandwerklicher Schatz, dessen Zukunft so ungewiss ist wie eben die des Vereins im Gesamten.

Ein privates Museum habe Interesse gezeigt, schöpft die 80-jährige Olchingerin ein wenig Hoffnung, dass das Lebenswerk auch nachfolgenden Generationen noch Freude bereiten wird. Denn für das Olchinger Ehepaar gehört zu Weihnachten eine Krippe einfach dazu und bleibt diese an Heiligabend ein selbstverständliches Bild.

© SZ vom 24.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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