Auch in der trüben Novemberzeit sorgen die ausverkauften Vorstellungen von "Was Frauen wollen" im Theater im Roßstall für Begeisterung im Publikum. Und wen es danach noch immer nicht nach Hause in die kalte Wohnung zieht, der freut sich über einen Absacker unter Freunden im neu eröffneten Hofsalon. Beim Titel "Was Frauen wollen" drängt sich unmittelbar der Gedanke an Mel Gibson und die Romantik längst vergangener Zeiten auf. Das gleichnamige Theaterstück trägt den Untertitel "Eine fast romantische Komödie". Denn so unbedarft wie in den Neunzigern wagt sich aktuell natürlich niemand mehr an das Thema Frauen und Liebe heran. Alle Befürchtungen, dass es sich um ein bierernstes #MeToo-Stück handelt und die Zeit des unterhaltsamen Amüsements im Roßstall vorüber sein könnte, wurden entkräftet. Der Abend feiert Frauen wie Männer, beseelt von großer Heiterkeit, jedoch ohne sexistischen Beigeschmack.
Das Stück "Was Frauen wollen" mutet an wie ein Film, aber live auf der Bühne. Filmische Techniken wie Rückblenden und ein Ich-Erzähler-Voiceover führen durch das Leben der Franziska. Dargestellt wird sie von Lisa Bales-Brodacz. Sie bietet wahrlich eine schauspielerische Meisterleistung, denn die Rolle besteht aus einem fast durchgehenden Monolog mit unglaublich viel Text.
Das Setting, also der Ort auf der Bühne, an dem die Ich-Erzählung ihren Lauf nimmt, ist ein Möbelhaus mit Schnäppchenecke. Von dort spricht Franziska direkt mit dem Publikum und erklärt, warum sie nur einen einzigen Barhocker für ihre Singlewohnung braucht. Allein war sie nämlich nicht immer. Welche Erfahrungen sie zur Renovierung ihres Lebensraums führen, schildert sie nun also auf dem Barhocker. Bebildert und beleuchtet werden die Stationen in hochamüsanten Spielszenen. Partner sind Mirko Leko als "Mann eins bis sechs" und Katja-Lisa Engel als "beste Freundinnen", sowie Cecilia Gagliardi als Mutter und Verkäuferin, die nichts verkaufen will.
Das Setting im Möbelhaus ist genial. So können die Spielszenen ohne Umbauten auf der gleichen Bühne stattfinden. Wo dann doch ein altmodisches Wohnzimmer gebraucht wird, wird flugs eine Stellwand aufgeklappt und ein neuer Raum tut sich auf. Dadurch entsteht ein Tempo und ein Fluss, die eben eher im Film zu finden sind als im Theater.
Lisa Bales-Brodacz als Franziska springt quasi auf dem Weg zum Standesamt noch aus dem Taxi. Sie ist die "Braut, die sich nicht traut". Nicht etwa, weil sie sich vor dem Wagnis einer Ehe fürchtet, sondern weil sie ihre Zukunft wie einen Film vor sich sieht. Es fällt ihr wie Schuppen von den Augen, dass eine Unfreiheit aus der anderen schlüpft wie das Küken aus dem Ei. Wie zukünftig Kinder nach mehr Platz, einem Haus, verlangen, wie in der Zeit des Hausbaus bei den Schwiegereltern gewohnt wird, wie Kredite abbezahlt werden müssen. Jeder kennt die Falle, doch nicht jeder hat sie im Vorfeld bemerkt.
Single zu bleiben ist auch keine Lösung, und irgendetwas fehlt Franziska zum wahren Glück dann doch. Die Männer, die zur Auswahl stehen, werden allesamt hervorragend von Mirko Leko dargeboten. Die Palette ist enorm. Sie reicht vom Mamabubi über den Tänzer mit türkischem Akzent bis zum Showmaster im roten Pailletten-Jackett. Auch hier wieder das Film- und Fernsehmotiv, denn Franziska spricht mit einem fiktiven Holländer namens Piet von der Neuros, dem Sextherapeuten ihres Alptraums und Rudi-Carell-Verschnitt.
Neu im Roßstall ist die Konstellation Julian Brodacz als Regisseur, der auch das Bühnenbild zu "Was Frauen wollen" konzipierte, und Julian Brodacz mit Cecilia Gagliardi als Co-Theaterleitung. Auf der Bühne 2 probt er zusammen mit Lisa Bales-Brodacz für ein Zwei-Personen-Kammertheater aus eigener Feder. Es geht um YouTuber und wird sicherlich amüsant. Mit dem auf dem Roßstall-Gelände neu eröffneten Hofsalon wird darüber hinaus der akute Bedarf nach einem Kultur-Café gestillt. Mit einer Adventslesung sowie Musik und Open-Stage-Veranstaltungen, Bar und Bewirtung entsteht so ein neuer Kulturmagnet in Germering.
Weitere Vorstellungen von "Was Frauen wollen" im Roßstalltheater, Germering: 26. und 27.11.22, 1.12.22, 9.12. und 11.12.22 um 19.30 Uhr