Wahlkampf:Ungenügende Infrastruktur

Lesezeit: 2 min

Öffentlicher Nahverkehr als Wahlkampfthema der FDP: Im Daxerhof diskutieren (von links) Sven Gossel, Landtagskandidat Ulrich Bode und Bezirkstagskandidat Peter Münster. (Foto: Carmen Voxbrunner)

FDP-Verkehrsexperte Sven Gossel referiert über die Bahn

Von Karl-Wilhelm Götte, Olching

Sven Gossel kennt sich besonders gut mit dem Bahnverkehr rund um München aus. Der Verkehrsexperte der bayerischen FDP könnte darüber stundenlang reden. Auch bei der FDP-Veranstaltung "Verkehr in München und um München herum" in Olching ist Gossel kaum zu bremsen. Er redet von Spinnennetzen und Gittern, wenn er den Gesamtverkehr in der Landeshauptstadt und dem Umland kenntnisreich analysiert und beschreibt. Leider hören nur 15 Besucher zu. Sein wenig überraschendes Fazit lautet: "Wir haben ein absolutes Infrastrukturproblem, was den Bahnverkehr angeht." Mit einem Ausbau der S 4 rechnet er erst ab dem Jahr 2030.

"Das dritte Gleis von Pasing endet dann aber schon in Eichenau", sagt Gossel nach dem aktuellen Stand des Bundeswegeplanes. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Ausbau nicht wenigstens bis Fürstenfeldbruck erfolge. Einen Fortschritt sieht der IT-Experte im Hauptberuf mit der zweiten Münchner Stammstrecke kommen, dass dann ab 2025 erstmals Regionalzüge durch die Röhre der Innenstadt fahren könnten. Für Gossel ist entscheidend, wie hoch der Durchsatz ist, "also wie viele Passagiere pro Zeiteinheit transportiert werden können." Der FDP-Politiker ist sicher: "Die Länge eines Netzes oder die Breite einer Straße sind da irrelevant." So müsste eine Straßenbahn in München nach seiner Meinung alle zwei Minuten fahren, wenn sie konkurrenzfähig sein will.

Gossel erläutert, dass das Münchner Bahnnetz "zu 80 Prozent noch von Ludwig II. geplant wurde" und die Signaltechnik im Wesentlichen noch aus dem Jahre 1930 stamme. Der FDP-Verkehrsexperte überzeugt: "Dadurch hat die Bahn einen Kapazitätsverlust von 50 Prozent." Alle Bahnverkehre nach Süden, zum Beispiel von Regensburg nach Rosenheim, liefen über München. Das Grundproblem sei natürlich der Sackbahnhof und dass bisher keine Personenzüge durch München durchfahren können. Die Strecke im Norden ist nur dem Güterverkehr vorbehalten.

Als großes Verkehrsdefizit erweise sich der nicht vorhandene S-Bahn-Ring. Werde der gebaut, würde das sehr teuer werden, weil viele neue Bahnhöfe an den Knotenpunkten mit der U-Bahn errichtet werden müssten. Ein weiteres großes Problem sei die fehlende Bahnverbindung von Pasing nach Norden. Diese "Pasinger Kurve" mit sechs Gleisen wäre als Umfahrung von München eine große Entlastung. Kostenpunkt: 200 Millionen Euro. Sie finde sich nicht im aktuellen Bundesverkehrswegeplan. Unverständlich findet Gossel die Tatsache, dass Bayern in den vergangenen fünf Jahren keinen Antrag bei der EU gestellt hat, um sich neue Bahn-Infrastruktur mit 50 Prozent bezuschussen zu lassen. "Das ist ein enormes Versäumnis der bayerischen Staatsregierung, das Geld liegt doch auf der Straße", kritisiert der Redner.

So werde die Bahnstrecke von Buchloe über Lindau in die Schweiz nur einspurig elektrifiziert. "Die wird über Memmingen geführt", so Gossel, "nicht über die zweispurige Strecke über Kempten."

Der FDP-Politiker plädierte, was den Autoverkehr betrifft, für die Verwirklichung des Südrings der A 99 mit mehreren Tunneln unter dem Isartal hindurch. Die Kostenschätzung von 2011 mit 1,5 Milliarden Euro sei jedoch nicht mehr aktuell. Gossel geht von heutigen Kosten in Höhe von fünf bis sechs Milliarden Euro aus. Die Investition würde sich trotzdem lohnen, weil sie den Verkehr in München - besonders über den Mittleren Ring - enorm entlasten würde. Den Autoverkehr in und um München taxierte Gossel auf eine Million Autos pro Tag, die nur mit durchschnittlich 1,2-1,3 Personen besetzt sind. Das liege auch daran, dass 70 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen Dienstwagen wären. Deren Fahrern sei die Anzahl der Mitfahrer und auch der Benzinpreis völlig egal. Gossel sicher: "Da gibt es keine neutrale Entscheidung fürs Verkehrsmittel und auch eine enorme Marktverzerrung." Bei weniger Autos müssten mehr Leute in ein Auto. "Um Stoßzeiten zu vermeiden, sollten die Unternehmen auch die Arbeitszeiten besser verteilen", forderte Gossel. Auch müsse bei den Firmen ein Umdenken stattfinden und deren Ansiedlung nicht nur in München, sondern auch im Umland passieren. "Arbeiten und Wohnen müssen zusammengebracht werden", argumentierte auch der Brucker FDP-Stadtrat Klaus Wollenberg in der Diskussion.

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: