Wahlkampf:Abkehr von Hartz IV und schwarzer Null

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Gregor von Uckermann (links) im Gespräch mit Norbert Walter-Borjans, einem der Kandidaten für den SPD-Bundesvorsitz. (Foto: Matthias F. Döring)

Norbert Walter-Borjans, Bewerber um den SPD-Bundesvorsitz, spricht darüber, wie sich die SPD seiner Meinung nach ausrichten sollte

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Die SPD hat spätestens seit Hartz IV und der Agenda 2010 ein Glaubwürdigkeitsproblem bei den Wählern. Bundesweit abgerutscht in den Umfragen auf 14 Prozent, kämpft die Partei ums Überleben. Glaubwürdigkeit hängt eng zusammen mit den Repräsentanten, die eine Partei - hier die SPD - vertreten. Die SPD befindet sich gerade auf der Suche nach einem Vorsitzenden - präziser nach einem Vorsitzendenpaar aus Frau und Mann. Am Samstagvormittag hatte in München die letzte Regionalkonferenz der SPD der verbliebenen sechs Kandidatenpaare stattgefunden. Am Abend hat sich Norbert Walter-Borjans, der zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Eskens für die Parteispitze kandidiert, in Gröbenzell 40 Besuchern im Gespräch mit dem SPD-Bürgermeisterkandidaten Gregor von Uckermann vorgestellt.

Das Duo Walter-Borjans und Eskens wird von den Jusos - speziell vom Juso-Chef Kevin Kühnert - gerade wegen seiner Glaubwürdigkeit favorisiert. Der 67-jährige Politiker aus Köln hat sich einen Namen gemacht, als er als NRW-Finanzminister Schweizer Steuer-CDs mit den Daten von deutschen Steuerbetrügern angekauft und damit der Staatskasse Millionenbeträge im dreistelligen Bereich verschafft hat. "Das habe ich damals sogar gegen Widerstände aus der eigenen Partei durchgesetzt", erklärt Walter-Borjans in Gröbenzell. "Dem damaligen ablehnenden Bundesfinanzmister Wolfgang Schäuble habe ich angekündigt, jede Mehrheit für diese Aktion zu organisieren." Seine Erfahrungen von damals mündeten in sein Buch "Steuern - der große Bluff".

Mit "Bluff" meint Walter-Borjans vor allem die Tatsache, dass die Steuerpolitik nicht wie immer von Politikern propagiert für die Gering- und Mittelverdiener gemacht wird, sondern allein die Vielverdiener noch reicher macht. Walter-Borjan sicher: "Die Oberen zehn Prozent haben in den vergangenen 30 Jahren ein Vermögensplus von 31 Prozent verzeichnet, die unteren zehn Prozent dagegen ein Minus von zehn Prozent." Norbert Walter-Borjans will mit dem Dogma der sogenannten "Schwarzen Null" und auch mit Hartz IV brechen. "Wir sind schon vor der Großen Koalition 2005 vom Weg abgekommen", sagt er. Gemeint ist der neoliberale Kurs der Schröder/Fischer-Regierung 1998 bis 2005. "20 Jahre später immer noch das gleiche Grippemittel zu verwenden, macht keinen Sinn", äußert Walter-Borjans seine Kritik an Hartz IV. Die "Schwarze Null", also keine Schulden zu machen für notwendige Investitionen in die Infrastruktur, etwa Straßen, Schulen, Internetversorgung und anderes, "verschiebt diese Schulden nur in die Zukunft", so der SPD-Mann.

Hier setzt sich Norbert Walter-Borjans auch von seinem Mitkonkurrenten um den Parteivorsitz, dem aktuellen Bundesfinanzmister Olaf Scholz, dem Verteidiger der Schwarzen Null, ab. Walter-Borjans, der für mehr Entwicklungshilfe plädiert, statt mit zwei Prozent des Bruttosozialprodukts die Bundeswehr aufzurüsten, sieht die "kleinmütige SPD" in der GroKo in der "Gefangenschaft einer breitbeinig daher kommenden Union". Ausstieg der SPD aus der GroKo im Dezember? Da will sich Walter-Borjans noch nicht eindeutig festlegen. In welchem Dilemma die Partei steckt, offenbart der anwesende örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi. "Ich werde nächste Woche mit der SPD-Fraktion gegen den Antrag der Grünen auf Tempo 130 auf Autobahnen stimmen", bestätigt Schrodi auf Nachfrage der SZ, weil dies nicht im Koalitionsvertrag mit der Union steht. Obwohl sich der Olchinger, der nach eigener Aussage für eine zukünftige linke Mehrheit von Rot-Rot-Grün in Berlin agiert, zum Tempo 130-Parteitagsbeschluss der SPD von 2007 bekennt.

© SZ vom 14.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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