Vor dem Amtsgericht:Knapp am Knast vorbei

Lesezeit: 2 min

Gericht verurteilt 20-Jährigen wegen vier Fahrten ohne Ticket zu 550 Euro Geldauflage

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Eine Gefängnisstrafe wegen Schwarzfahrens? Auch wenn das übertrieben klingen mag, zumal es lediglich vier Fahrten ohne Ticket im öffentlichen Personennahverkehr waren: Für einen jungen Mann aus dem Landkreis wäre das beinahe wahr geworden. Denn der 20-Jährige hat zwei offene Bewährungsstrafen zu verbüßen; bereits bei der letzten Verurteilung war die Strafe "mit erheblichen Bedenken noch einmal zur Bewährung" ausgesetzt worden. Und dennoch hat der junge Mann am Mittwochmorgen vor einem Jugendschöffengericht in Fürstenfeldbruck Glück. Es verhängt gegen den Angeklagten lediglich eine Geldauflage in Höhe eines Monatsgehalts, 550 Euro.

"Es stimmt so. Ich bin da schwarz gefahren", gesteht der 20-Jährige von Anfang an die ihm zur Last gelegten Vorwürfe. "Ich hatte Termine", er habe zur Arbeit fahren müssen, jedoch wegen der Corona-Pandemie und Kurzarbeit nicht mehr genug Geld gehabt, um sich einen regulären Fahrschein zu kaufen, erläutert er. Dafür seine Mutter oder Freunde anzupumpen sei ihm zu peinlich gewesen. Allerdings: Inzwischen hat er das erhöhte Beförderungsentgelt für die vier Fahrten, insgesamt 240 Euro, bezahlt und dafür bei eben jenen um Unterstützung gebeten. "Es war einfach dumm von mir", fasst der junge Mann sein damaliges Verhalten zusammen.

"Kommen wir zu dem, weswegen wir hier sind", beginnt die Vorsitzende Richterin mit dem Strafregister. Es hat fünf Einträge, 2018 und 2019 wurde er wegen diverser Delikte jeweils zu Bewährungsstrafen verurteilt, zuletzt zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren. "Er ist zwar ein Bewährungsversager", zitiert sie aus dem damaligen Urteil. Doch das Gericht würdigte seinerzeit auch, dass der Angeklagte sich gegenüber seinem Bewährungshelfer sehr verbindlich und zuverlässig zeigte und viel Engagement bei seiner Ausbildung an den Tag legte. Wie die Vorsitzende im aktuellen Verfahren unterstreicht, war bereits damals betont worden, dass die Strafe zum letzten Mal zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

Unterdessen verweist die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe darauf, dass der Angeklagte in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist - drogenabhängige Mutter, als Kleinkind zur Pflegefamilie, früher Tod des Pflegevaters sowie im Grundschulalter die Diagnose ADHS. "Und trotzdem hat er die Schule abgeschlossen." Der Bericht des Bewährungshelfers beweise seine Zuverlässigkeit, sein Strafregister, dass er die schweren Taten immer mit anderen zusammen begangen habe. Da der Angeklagte Ende das Jahres seine Ausbildung zum Fitnesstrainer abschließen will, empfahl die Sozialpädagogin, ihn für das Erschleichen von Leistungen, wie es juristisch korrekt heißt, nach dem Jugendstrafrecht ohne Berücksichtigung der Bewährungsstrafe zu einer Geldauflage von 500 Euro zu verurteilen. "Die Bewährung wurde verlängert und trotzdem begeht er weitere Straftaten", reklamiert die Staatsanwältin. Im Großen und Ganzen kann sie aber der Empfehlung folgen. "Ich sehe auch, dass Sie sich gut gemacht haben", sagt sie und beantragt 700 Euro Geldauflage. Die Verteidigerin argumentiert, dass "Schwarzfahren das unterste ist, was wir haben". Ihr Mandant habe nun eine Jahreskarte und auch schon 240 Euro Strafe bezahlt, plädiert sie für 500 Euro. Die Schöffenrichter legen die Geldauflage letztlich auf 550 Euro fest.

© SZ vom 15.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: