Fliegerhorst-Konversion:Schweres Erbe

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Als die Luftwaffe das Flugfeld zwischen Fürstenfeldbruck und Maisach abgibt, ist die Euphorie groß. Auf dem riesigen Gelände sollen BMW und Traber angesiedelt werden sowie eine Maisacher Umgehung entstehen. Zum Hindernis wird, dass die Flächen unter Naturschutz stehen

Von Ariane Lindenbach, Maisach

Kein Fluglärm mehr und viel freier Baugrund in den Ortsteilen rund um den Fliegerhorst: Als vor etwas mehr als zehn Jahren bekannt wurde, dass die Bundeswehr den nördlichen Teil des Fliegerhorstes abgeben will, war die Euphorie in Maisach groß. Schließlich liegen die 240 Hektar weitgehend auf Maisacher Flur. Und die Chance, die verhassten Privatflieger mit einer anderen Nutzung - es wurde das Maisacher Konzept, für immer loszuwerden, scheinen so gut wie nie. Innerhalb von ein, zwei Jahren, so denkt man damals nicht nur im Rathaus, sondern beispielsweise auch bei der Bürgerinitiative gegen Fluglärm oder beim Münchner Trabrenn- und Zuchtverein (MTZV), werde das Areal mit einer Trabrennbahn und dem Fahrsicherheitszentrum von BMW bebaut sein und entsprechend genutzt werden.

Inzwischen ist das BMW-Gelände zwar seit vier Jahren teilweise in Betrieb - allerdings nur auf dem unproblematischen Teil des Geländes. Was die übrigen Pläne betrifft - die Erweiterung der BMW Driving-Academy und der Bau einer Trabrennbahn für den MTZV - ist bisher nichts verwirklicht. Die Projekte stecken insbesondere wegen der strengen Naturschutzauflagen im Bebauungsplanverfahren fest. Und da mittlerweile auch fest steht, dass die Bundeswehr im Zuge ihrer Reform das gesamte Gelände bis 2019 aufgeben wird, und somit auch die Kreisstadt ein großes Stück Fläche neu überplanen kann, kollidieren die Interessen der Kommunen in manchen Bereichen. Nur das noch vor wenigen Jahren denkbare Szenario, dass auf dem Gelände ein Flugplatz für Kleinflugzeuge entsteht, gilt heute wegen des Maisacher Konzepts als abwegig.

Neben Trabern, BMW und dem Fahrertraining der Polizei (es findet dort ebenfalls seit 2012 statt) soll auf dem früheren Militärflughafen nach dem Willen des Gemeinderats noch eine Südumfahrung für Maisach gebaut werden. Ein Großteil der Trasse könnte auf der ehemaligen Start- und Landebahn, dem sogenannten Taxiway, realisiert werden. Dazu müssten also nur relativ wenig Flächen neu versiegelt werden. Ein weiterer Profiteur des unerwarteten Flächengewinnes hätte nach den Vorstellungen der Gemeinderäte der SC Maisach sein können. Die Gemeinde wollte dem neben dem Flughafengelände angesiedelten Sportverein dort weitere Flächen zur Verfügung stellen.

Doch letztlich entschieden sich die Vereinsmitglieder 2013 aus finanziellen Gründen gegen einen Umzug. Für die Gemeinde hätte der Umzug den Vorteil gehabt, dass andere Flächen frei werden und sich das südlich der Bahnlinie bestehende Wohngebiet weiter nach Süden hätte ausdehnen können. Denn durch die Entwidmung des Fluggeländes ist nun auf großen Flächen Wohnbebauung möglich geworden, weil die Lärmschutzauflagen wegfielen. Bei der Bebauung von "Fursty", wie der frühere Militärflughafen seit der amerikanischen Besatzung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und danach liebevoll genannt wird, sind die großen Bereiche, die unter Naturschutz stehen (viele unter dem europäischen Standard Flora Fauna Habitat FFH), der Hauptgrund für den aktuellen Stillstand. Auf diesen Flächen ist eine Veränderung des Status Quo nur unter strengen Auflagen zugelassen, entsprechende Ausgleichsflächen müssen in unmittelbarer Nähe geschaffen werden.

Und an diesem Punkt des komplexen Verfahrens ringen die Beteiligten seit fast einem Jahrzehnt darum, möglichst viele ihrer gegensätzlichen Interessen durchzusetzen. Neben einem Flächennutzungs- und einem Bebauungsplanverfahren muss nämlich ein FFH-Ausnahmeverfahren beantragt werden. Diesbezüglich verhandeln die von der Gemeinde Maisach beauftragten Planer des Büros Froehlich und Sporbeck sowie Landschaftsarchitekt Hans Michael Schober vom gleichnamigen Büro mit den Kommunen Eching und Garching. Auf deren Flur - im Mallertshofer Holz - liegt ein Großteil der benötigten Ausgleichsflächen. Involviert ist auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), der sowohl der Grund in Maisach als auch im Mallertshofer Holz gehört. Auch mit dabei: die Naturschutzbehörden der Landratsämter, des bayerischen Umweltministeriums und inzwischen auch das Bundesamt für Naturschutz.

Zudem müssen Bund Naturschutz (BN) und LBV (Landesbund für Vogelschutz) in die komplizierten Verhandlungen eingebunden werden. Denn die Möglichkeit, dass Naturschützer gegen die Planung Klage einreichen, schwebt von Anfang an wie ein Damoklesschwert über dem Projekt. Immer wieder versuchen die Planer, über den Ausgleich der verschiedenen Interessen einen Konsens herzustellen. Die geplante Trabrennbahn etwa wurde weit nach Osten verschoben, sodass sie nur noch zu einem ganz kleinen Teil die FFH-Flächen belegt. Auch die von BMW vorgesehene Erweiterung wurde beschnitten. Doch die Naturschützer haben weiter Bedenken, vor allem wegen der Eingriffe in die FFH-Flächen, aber auch weil sie die Notwendigkeit einer Südumfahrung bezweifeln. All diese Faktoren verkomplizieren die Umsetzung des Maisacher Konzepts. Bereits vor vier Jahren unterstrich ein Vertreter der Bima, dass es sich um ein "bundesweit einmaliges Verfahren, was die FFH-Problematik betrifft" handle. Der Beamte prognostizierte damals, dass man sich "auf der Zielgeraden" befinde. Prognosen wie diese gab es in den vergangenen Jahren einige, bewahrheitet haben sich alle nicht. Dafür betonen die Verantwortlichen inzwischen, dass dieses Verfahren selbst auf EU-Ebene beispiellos sei.

Ein weiterer Hemmschuh für das Maisacher Konzept ist die benachbarte Kreisstadt. Vor der Bundeswehrreform, als niemand ahnte, dass der gesamte, 1935 erbaute Fliegerhorst mitsamt der Offizierschule der Luftwaffe in wenigen Jahren aufgegeben wird und Fürstenfeldbruck dann wie Maisach als betroffene Kommune die Planungshoheit über die auf seiner Flur liegenden Flächen erhalten würde, verfolgte man in Bruck die Bestrebungen Maisachs mit wohlwollendem Interesse. Inzwischen steht auch für die Kreisstadt ein enormer Flächenzugewinn fest, und im Stadtrat überlegte man, dort unter anderem eine Hochschule anzusiedeln oder ein Wohngebiet zwischen dem Gewerbegebiet Hasenheide und der BMW Driving Academy.

Naheliegend, dass da die Interessen der beiden Nachbarkommunen kollidieren. Denn weder eine Hochschule noch ein Wohngebiet sind neben einem Fahrsicherheitszentrum mit Fahrzeiten von Montag bis Sonntag zwischen 7 und 18 Uhrgut situiert. Deshalb reagiert der Brucker Stadtrat seit einiger Zeit in seinen Stellungnahmen auf die Maisacher Vorhaben, insbesondere die BMW-Erweiterung, zurückhaltend bis ablehnend. Insgesamt ist das Maisacher Konzept inzwischen weit fortgeschritten: Die erste Auslegung des Bebauungsplanverfahrens ist erfolgt. Um wenigstens die geplante Südumfahrung von Maisach möglichst bald realisieren zu können, hat der Gemeinderat Maisach den Bebauungsplan im Vorjahr in zwei Teile geteilt: in einen weitgehend unproblematischen mit der Umgehungsstraße und in einen mit den Naturschutzflächen.

Letzterer betrifft auch die Flächen von BMW und dem MTZV. Wobei es inzwischen fraglich scheint, ob die Traber je nach Maisach kommen. Aber das sind vereinsinterne Fragen. Der Bau der Südumgehung könne 2017 beginnen, was Bürgermeister Hans Seidl bei der jüngsten Bürgerversammlung angekündigte. Es war nicht seine erste diesbezügliche Ansage. Dank des geteilten Bebauungsplans könnte er diesmal Recht behalten. Was die anderen Projekte betrifft, ist man inzwischen allgemein mit zeitlichen Prognosen sehr zurückhaltend geworden.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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