Volkshochschule:Geboren aus Wissensdurst

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Bis zum Jahr 1952 entsteht an fünf Orten im Landkreis Fürstenfeldbruck eine VHS. Deren Programm wächst schnell, denn nach dem Ende von Krieg und Diktatur haben viele Menschen ein Bedürfnis nach Bildung

Von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Die Sehnsucht nach einem nicht ideologisch verformten Wissen und nach freien Informationen steht am Anfang der Volkshochschulgründungen im Landkreis Fürstenfeldbruck. Noch im Jahr 1945, wenige Monate nach Kriegsende, gründet die Olchingerin Gretl Bauer einen "Kreis geistig interessierter Menschen". Er ist die Keimzelle der Volkshochschule Fürstenfeldbruck, die im März 1947 entsteht. Der Arbeitskreis veranstaltet laut einem Bericht des Fürstenfeldbrucker Stadtarchivars Gerhard Neumeier Vorträge, Musik- und Literaturveranstaltungen sowie Diskussionen. All dies ist zuvor zwölf Jahre lang nicht oder nur unter ideologischen Prämissen möglich gewesen, denn das Nazi-Regime unterdrückt freie Informationen und Meinungsäußerungen. Künstlerisch betätigen darf sich nur, wer in die Reichskulturkammer aufgenommen worden ist. Personen mit jüdischen Vorfahren, anderen politischen Meinungen oder Werken, die den Nazis missfallen, werden jedoch nicht aufgenommen. Nach dem Ende von Krieg und Diktatur kann wieder frei diskutiert werden, neue Zeitungen und Zeitschriften erscheinen und finden ebenso viele Leser wie die Bücher junger Autoren.

Die Wissbegier der ersten Nachkriegsjahre ist auch im Landkreis groß. Nach Gründung der Volkshochschule Fürstenfeldbruck entstehen laut einer Darstellung der Volkshochschule Olching rasch Außenstellen in Gröbenzell, Maisach, Unterpfaffenhofen-Germering und Olching. 1952 schließen sie sich zum VHS-Kreisverband Fürstenfeldbruck zusammen, auch um staatliche Zuschüsse für das Bildungsangebot erhalten zu können. Der Staat nämlich fördert die Erwachsenenbildung. Bereits zu Zeiten der Weimarer Republik besitzt sie Verfassungsrang, Artikel 148 der Reichsverfassung verpflichtet Staat und Kommunen zur Förderung der Erwachsenenbildung und nennt explizit die Volkshochschulen. Diese Verpflichtung übernimmt die neue bayerische Verfassung.

Ein Bild, das es so nicht mehr geben wird: Warteschlagen bei der Einschreibung am alten Gröbenzeller Rathaus in den Achtzigerjahren. (Foto: VHS Gröbenzell)

Die Volkshochschulen bieten nicht nur Wissen zur Erhöhung der Allgemeinbildung - in Zeiten, in denen die große Mehrheit der Bevölkerung keine weiterführende Schule besucht, zweifellos eine wichtige Aufgabe -, sondern sie sind auch eine Schule der Demokratie. Denn die Deutschen sollen die Werte der neuen Staatsform kennen lernen. Und auch die berufliche Bildung spielt eine Rolle. Ebenso finden sich Kurse zu Fragen der Gesundheit im Programm - bis heute eine beliebte Rubrik im Kursangebot der Volkshochschulen.

Das erste Semester der neuen Einrichtung für Erwachsenenbildung, so schreibt es Neumeier, startet im Frühjahr 1947 mit zwölf Kursen. 558 Frauen und Männer nehmen die Angebote wahr. Die Bandbreite ist groß. Es gibt Kurse in klassischer deutscher Dichtung, Englisch, Radiotechnik, Alltagsphilosophie und Geschichte der Klaviermusik. Zur Abschlussfeier kommt der Schauspieler Gert Fröbe. Im folgenden Herbstsemester besuchen bereits 676 Kursteilnehmer 44 Veranstaltungen - und außerhalb von Fürstenfeldbruck, in Maisach und Olching, werden weitere 16 Kurse angeboten. Auch in den folgenden Semestern steigt die Anzahl der Kursteilnehmer sowie der Bildungsangebote. Ein finanzielles Problem ist die Währungsreform im Sommer 1948, denn von einem Tag auf den anderen sind die aus Hörergebühren und Spenden ersparten Rücklagen nichts mehr wert. 1949 wird die Gebühr für eine Stunde auf 40 Pfennig festgelegt, bei Bedürftigkeit gibt es Ermäßigungen. Denn die Volkshochschule will alle Bürger ansprechen, niemand soll ausgeschlossen werden, weil er sich die Hörergebühr nicht leisten kann.

Mittlerweile melden sich die meisten Teilnehmer für die Kurse online an, wie für einen Kochkurs in Eichenau mit dem Thema vietnamesische Küche. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein Problem, das die Volkshochschulen bis zum heutigen Tag begleitet, ist die Raumnot. Das Interesse an den Kursen wächst schneller als geeignete Gebäude errichtet werden. Noch zur 50-Jahr-Feier der VHS Germering im Jahr 2002 spricht Oberbürgermeister Peter Braun die Hoffnung aus, dass der "Wanderzirkus" bald beendet sein möge. Die Volkshochschule Gröbenzell spricht das gleiche Problem an, als sie im Jahr 2018 ihr 70-jähriges Bestehen begeht. Immer noch oder wieder reichen die Räume, die in einem Ort zur Verfügung stehen, nicht aus, um an Kursen veranstalten zu können, was die Volkshochschulen gerne anbieten möchten.

Aus kleinen Anfängen mit wenig Geld und viel Leidenschaft von freiwilligen Helfern sind bis heute acht Volkshochschulen mit Außenstellen im Landkreis gewachsen. Die von ihnen angebotenen Kurse gehen pro Semester in die Tausende, die Teilnehmerzahl ist fünfstellig. Die Volkshochschulen in Fürstenfeldbruck, Eichenau, Germering, Gröbenzell, Maisach, Mammendorf, Olching und Puchheim erstellen ihr Programm eigenständig. Finanziell werden sie von den Kommunen mit erheblichen Beiträgen unterstützt. Geführt werden sie von hauptamtlichem Personal. Das hat die Arbeit der Volkshochschulen professionalisiert. Der Trend zur Eigenständigkeit beginnt in den Siebzigerjahren. 1973 trennt sich die Volkshochschule Fürstenfeldbruck vom Kreisverband. Die Einrichtungen in den anderen Kommunen folgen mit den Jahren.

Nach mehr als 70 Jahren haben sich die Einrichtungen der Erwachsenenbildung etabliert. Das Spektrum an Angeboten ist über die Jahrzehnte ausgebaut worden. An den Volkshochschulen gibt es Sprach- und Computerkurse, es wird über politische und gesellschaftliche Entwicklungen diskutiert, Reisen in und Informationen aus anderen Ländern sind Bestandteil der Programme, handwerkliches Arbeiten und künstlerische Betätigung finden ebenso Berücksichtigung wie Sport, Gesundheit und Wellness. Aus dem kulturellen Leben der Städte und Gemeinden sind die Volkshochschulen nicht mehr wegzudenken.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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