Herberge:Leere Betten in der Obdachlosenunterkunft

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Eingeschränkte Privatsphäre: Zwei-Bett-Zimmer in der Obdachlosenunterkunft in der Hasenheide. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Die Caritas-Beratungsstelle in Fürstenfeldbruck darf momentan niemanden übernachten lassen. Darunter leiden auch die anderen Angebote

Von Marija Barišić, Fürstenfeldbruck

Seit Ausbruch der Corona-Krise können obdachlose Personen nicht mehr in der Caritas-Beratungsstelle KAP übernachten. Auch jetzt, nachdem die meisten Ausgangsbeschränkungen schon gelockert wurden, bleiben die fünf Zimmer der Beratungsstelle vorerst geschlossen. Vor der Corona-Krise konnten dort insgesamt zehn Personen für jeweils sieben Nächte im Monat Unterschlupf finden. Da es sich bei den meisten der Betten aber um Doppelbetten handelt, müsste das Angebot bei einer Wiedereröffnung der Unterkunft mindestens halbiert werden, sagt die Sozialpädagogin und Beraterin Lisa Weiss: "Um den vorgeschriebenen Mindestabstand einzuhalten, kann in Zukunft nur ein Klient in einem Zimmer übernachten. Das bedeutet, dass wir nur fünf von zehn Schlafplätzen anbieten könnten."

Bis zu einer Wiedereröffnung versuchen Weiss und ihre Kollegen die betroffenen Personen vorübergehend an die Kaserne in München zu vermitteln, die laut Weiss genügend Plätze frei hat und besser ausgerüstet ist, als die Beratungsstelle in Fürstenfeldbruck. Das funktioniere bisher zwar ganz gut, sei aber keine ideale Lösung, da die betroffenen Personen plötzlich aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und von ihren bisherigen Ansprechpartnern getrennt würden. Aber das ist nicht das einzige Problem. "Was ist, wenn einer der Obdachlosen sich mit dem Coronavirus infiziert und in Quarantäne muss?", fragt Weiss. Selbst wenn Übernachtungen in der Beratungsstelle demnächst wieder möglich sein sollten, könne keine infizierte Person in den kleinen Räumen isoliert und versorgt werden: "Schließlich sind wir ja nur eine Beratungsstelle, die ab und zu Übernachtungen anbietet. Um acht in der Früh müssen die Personen aber die Unterkunft wieder verlassen."

Tatsächlich handelt es sich bei der Obdachlosenunterkunft in Fürstenfeldbruck in erster Linie um eine Beratungsstelle, die obdachlosen Personen Hilfe bei der Wohnungssuche, kostenlose Einkaufsgutscheine oder einfach nur Gesellschaft und ein offenes Ohr anbietet. Allein im vergangenen Jahr haben laut Caritas-Abteilungsleiter Heinrich Baumann 154 obdachlose Personen von diesen Service-Leistungen profitiert. Dass nun bei all den Angeboten der persönliche Kontakt wegfällt, ist für die Betroffenen besonders schwierig. "Wann können wir endlich wieder in die Beratung kommen und mit Ihnen reden?", ist eine Frage, die Weiss immer wieder gestellt bekommt. In solchen Momenten antwortet sie, dass sie das noch nicht sagen könne, verspricht aber, bis dahin telefonisch für ihre "Klienten", wie sie sie nennt, erreichbar zu sein. "Es ist wichtig den Personen das Gefühl zu vermitteln, dass wir trotzdem für sie da sind. Schließlich sind wir oft die einzigen Bezugspersonen, die sie haben", sagt Weiss.

Die wenigen Nachmittage in der Teestube und der Austausch mit den Beratern seien oft die einzigen Haltepunkte, die wohnungslose Personen in ihrem Alltag hätten - nun sei auch dieses kleine bisschen Struktur weggefallen. Seit Lockerung der Ausgangsbeschränkungen bereitet sich die Beratungsstelle darauf vor, die persönliche Beratung wieder schrittweise aufzunehmen. "Bis dahin beraten wir die Personen aber weiterhin telefonisch, per E-Mail oder über unsere Sprechanlage", versichert Weiss.

Wann und unter welchen Umständen Obdachlose wieder in den Räumen der Beratungsstelle übernachten können, ist weiterhin unklar. Für Weiss ist dafür vor allem die Politik verantwortlich: "Von Anfang an hätte man uns einen Leitfaden geben müssen, wie damit umzugehen ist, wenn sich eine der obdachlosen Personen in den Unterkünften infiziert. Stattdessen wurden wir einfach ins kalte Wasser geworfen." Laut Caritas-Abteilungsleiter Heinrich Baumann hat die Geschäftsführung der Caritas mittlerweile Kontakt mit dem Landratsamt und der Stadt Fürstenfeldbruck aufgenommen, um die Wiedereröffnung der Übernachtungsstelle zu planen: "Es finden gerade Gespräche dazu statt, welche konkreten Schritte gesetzt werden müssten, wenn wir von einem Corona-Fall betroffen wären." Dass niemand so genau sagen kann, wann Übernachtungen wieder möglich sein werden, davon lässt Weiss sich nicht entmutigen: "Wir sind gerade dabei die Zimmer aufzuräumen, haben neue Bettwäsche organisiert und wollen die Zeit nutzen, die Unterkunft richtig schön herzurichten", sagt sie: "Damit alles hier richtig schön ist, wenn die ersten wiederkommen."

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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