Unter dubiosen Umständen:Grafrath verliert letzten Hausarzt

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Tierhaltung des Mediziners war Vermieter und Behörden zu viel

Von Gerhard Eisenkolb, Grafrath

Die Gemeinde Grafrath hat ihren letzten Hausarzt verloren. Der Mediziner verlegte nach sieben Jahren vor einigen Wochen seine Praxis nach Moorenweis. Dem Umzug ging ein längerer Rechtsstreit mit dem Vermieter voraus. Die Auseinandersetzung hat durchaus ungewöhnliche Aspekte. Das ist dem Umstand geschuldet, dass der Arzt in seiner Praxis und deren Nebenräumen eine größere Zahl von Fischen, Nagern, Reptilien und Vögeln - insgesamt wohl rund 100 - hielt und in diesem Zusammenhang neben dem Amtsgericht auch das Veterinäramt des Landratsamtes mit diesem Fall befasst war. Es bestanden Missständen und Zweifel an der artgerechten Haltung der ungewöhnlich vielen Haustiere.

Der Grafrather Bürgermeister Markus Kennerknecht (parteifrei) wollte den Mediziner unbedingt in der Gemeinde halten. Deshalb bemühte er sich darum, für ihn neue Praxisräume in Grafrath zu bekommen, er konnte aber kein geeignetes Objekt finden. Das bedauert Kennerknecht mit dem Hinweis, die Gemeinde sei bestrebt, die ärztliche Versorgung sicherzustellen. Auch über die Option, dass die Gemeinde die vakanten Praxisräume selbst anmietet und dann weitervermietet, wurde bereits diskutiert.

Der Bürgermeister sprach am Freitag von einem in der Gemeinde "anerkannten Arzt", der seit Anfang Oktober fehle. Das tue weh. Der Mediziner ist, wie er auf SZ-Anfrage erklärte, weiterhin daran interessiert, seine Grafrather Patienten an ihrem Wohnort zu behandeln. Er habe aber bisher keine geeigneten Räume für eine Zweitpraxis gefunden, die er dort einrichten wollte. Zu den Hintergründen der zivilrechtlichen juristischen Auseinandersetzung zwischen dem Arzt und seinem ehemaligen Vermieter äußerte sich Kennerknecht nicht. Er wies aber darauf hin, dass es ihm am liebsten wäre, wenn in die freien Praxisräume wieder ein Hausarzt einziehe. Der Vermieter sieht sich nun mit Vorhaltungen konfrontiert, den Hausarzt vertrieben zu haben.

Es ist aber offenbar nicht leicht, einen Mediziner zu finden, der sich in der Ampergemeinde niederlassen will. Deshalb stellte der Eigentümer der Praxisräume einen Antrag auf Nutzungsänderung in eine Wohnung. Dies lehnte der Bauausschuss zuerst ab, bis der Gemeinderat auf Intervention des Landratsamtes hin doch noch einlenkte und zustimmte. Kenneknecht hofft, dass die genehmigte Nutzungsänderung nicht vollzogen wird, sollte sich doch noch ein Nachfolger finden.

Nach Darstellung des Mediziners spielten die Tierhaltung eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Vermieter, die mit einer außerordentlichen Kündigung endete. "Ich habe eine Haufen Tiere", räumte der Arzt ein, um gleichzeitig darauf zu verweisen, dass der Vermieter immer über alles Bescheid gewusst habe. Die Tierhaltung sei nur ein Vorwand gewesen, ihn loszuwerden. Laut einer Pressesprecherin des Landratsamts seien tierschutzrechtliche Verstöße und Mängel bei der Tierhaltung festgestellt worden. Deshalb seien entsprechende Maßnahmen ergriffen worden. Kaninchen, Meerschweine, Hamster und Vögel seien in einem anderen Landkreis untergebracht und das dortige Veterinäramt eingeschaltet worden.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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