Unschöne Überraschung:In der Abschleppfalle

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Kulturbesucher des Gröbenzeller Stockwerkes parken nebenan. Nach der Veranstaltung sind ihre Autos weg. Zurück bekommen sie ihre Wagen nur gegen 350 Euro in bar

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Befasst sich der Kabarettist Claus von Wagner wie am 11. Januar im Gröbenzeller "Stockwerk" in seinem Programm "Die Theorie der feinen Menschen" mit Auswüchsen des Kapitalismus, erleben die Zuschauer einen hintersinnig-unterhaltsamen Abend. Für zwölf der Zuhörer endete der Spaß, als sie nach der Vorstellung vom tief verschneiten Industriegebiet aus heimfahren wollten. Während sie sich amüsiert hatten, waren ihre Autos abgeschleppt oder von Abschleppfahrzeugen blockiert worden. Für diese Besucher nahm das Kapitalismus-Kabarett somit eine Wende ins Tragisch-Komische. Wer sich wie Simone Schrodi ans Steuer setzen wollte, musste zuvor hohe Abschleppkosten berappen. Für die Olchingerin waren das 310 Euro. Akzeptiert wurde nur Bares auf die Hand.

Zum Auslösen der Autos erwarteten Mitarbeiter des Abschleppers die Besucher nach der Vorstellung. Weit hatten sie es nicht, da die Firma ihren Sitz nur etwa 200 Meter vom Stockwerk entfernt ebenfalls in der Industriestraße hat. Der Fehler der Kabarett-Besucher bestand darin, auf einem privaten, nicht eingezäunten und daher leicht zugänglichen Gewerbegrundstück in der Nachbarschaft des Veranstaltungsorts zu parken. Da das Gelände öffentlich zugänglich ist, habe sie sich nichts dabei gedacht, sagt Simone Schrodi. Zudem waren an dem Abend die meisten der etwa 90 Privatparkplätze beim ehemaligen Möbelhaus frei, in dem sich ein Fitnessstudio und ein Bettenlager befinden. Im winterlichen Schneechaos sollen weder Verkehrsschilder noch ein Parkverbotshinweis an der Einfahrt zu entziffern gewesen sein.

Der Parkplatz des früheren Möbelhauses Fahr liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des "Stockwerks". (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Frau des SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi hält das harte Durchgreifen für übertrieben und spricht von Abzocke, obwohl ihr ein Nachtzuschlag von 50 Euro "kulanterweise" erlassen wurde. Sie ärgert auch, dass sie nicht mit Karte zahlen konnte, sondern sich um 23 Uhr von ihrem Schwager ins Ortszentrum zu einem Geldautomaten fahren lassen musste. Andere machten sich notgedrungen zu Fuß auf den Weg, um das Bargeld beizubringen.

Grundstückseigentümer Albert Fahr begründet sein Verhalten mit einer Vorsilvesterparty im Stockwerk am 30. Dezember. Damals sei der Parkplatz für ein Feuerwerk gesperrt gewesen. Veranstalter Thomas Breitenfellner und der Besitzer des Stockwerks hätten die Gäste dazu angehalten, bei ihm zu parken, ohne mit ihm vorher darüber zu reden. Selbst seine Feuerwehrzufahrten und Gehwege seien zugestellt gewesen. "Wenn der Veranstalter nicht den Mut besitzt, mich zu fragen, hat das Konsequenzen", sagte der ehemalige CSU-Gemeinderat Fahr auf SZ-Anfrage.

Breitenfellner weist das zurück. Es sei nur ein Teil der Parkplätze fürs Feuerwerk gesperrt gewesen. Niemand habe die Gäste angewiesen, aufs Möbelhausgelände auszuweichen. Bei einem zweiten, nahegelegenen Stockwerk-Gebäude habe ausreichend Ersatzparkraum zur Verfügung gestanden. Für den 30. Dezember schickte Fahr Breitenfellner eine Parkplatzrechnung über knapp 1200 Euro, die dieser nicht beglich. Der Veranstalter kritisiert, an der hinteren Zufahrt zum Fahrgelände in der Industriestraße - von dort seien die Partygäste angefahren -, weise kein Schild aufs Abschleppen unberechtigter Parker hin. Seit Anfang Januar ließ Fahr bei drei Abendvorstellungen im Stockwerk insgesamt 23 Autobesitzer für ihren Fehler teuer bezahlen. Wird unberechtigt auf Privatgrund geparkt, darf der Eigentümer abschleppen lassen. Juristisch gesehen liegt eine "Besitzstörung" vor, die zum sofortigen Eingreifen berechtigt.

Ein kleines Zusatzschild weist darauf hin, dass man dort nicht parken darf. Das Möbelhaus ist dauerhaft geschlossen, in den Räumen befinden sich ein Fitness-Studio und ein Bettenlager. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Gröbenzeller wie der Gemeinderat Peter Falk (SPD) fragen sich, inwieweit dieses Vorgehen verhältnismäßig ist und ob sich die Kosten im Rahmen dessen bewegen, was für diese Leistung ortsüblich ist. Nur das darf berechnet werden. Falk erwägt, den Gemeinderat mit den Vorfällen zu befassen, schließlich handle es sich um quasi öffentlichen Verkehrsgrund. Die Gemeinde solle sich wegen Nötigung und Erpressung an die Staatsanwaltschaft wenden.

Für Karlheinz Pangerl, den Leiter der Gröbenzeller Polizeiinspektion, ist Fahrs Verhalten kein Einzelfall. So registriert seine Dienststelle, die für Puchheim und Gröbenzell zuständig ist, pro Woche etwa vier bis fünf Autos, die von Privatgrundstücken abgeschleppt werden. Mit steigender Tendenz, da sich neben großen Lebensmittelhändlern und Discountern inzwischen auch private Hausbesitzer gegen solche Besitzstörungen wehren.

Gehen Grundeigentümer gegen Falschparker vor, geht das die Polizei nichts an. Es sei denn, Abschlepper und Autobesitzer geraten sich in die Haare. Gemeldet werden muss der Polizei ein solches Vorgehen nicht, obwohl sich die Beamten freuen, wenn sie bei einer Anzeige wegen Autodiebstahls erklären können, was passierte. Der Inspektionsleiter verhehlt nicht, dass es sich um ein einträgliches Geschäftsmodell handeln kann, mit Gepflogenheiten, die seit Jahren die Justiz beschäftigen.

Dem ADAC ist dieses Geschäftsmodell seit langem ein Dorn im Auge. Er hat einen Musterprozess geführt, der zugunsten der Parkraumbewirtschafter ausging. Es sollte die Verhältnismäßigkeit des Abschleppens geprüft werden beziehungsweise, welche Vorbereitungshandlungen bezahlt werden müssen. Gegen Parksünder vorzugehen gehe in Ordnung, so ein ADAC-Sprecher. Nur dürften diese nicht zum Freiwild erklärt werden.

An diesem Samstag, 26. Januar, findet im Stockwerk die nächste Veranstaltung mit "Knedl und Kraut" statt. Die Besucher werden zu Beginn darauf hingewiesen, ihre Autos vom Fahr-Areal zu entfernen, damit sie nicht in die Abschleppfalle gehen.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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