Umgang mit neuen Corona-Regelungen:Unmut im Kulturbetrieb

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Die Plätze in den Veranstaltungshäusern, wie hier im Brucker Veranstaltungsforum, werden mindestens im November leer bleiben. (Foto: Johannes Simon)

Egal ob Theater, Kino, Künstler oder Veranstaltungshaus: Das Verständnis für den erneuten Lockdown, der ab Montag gilt, ist gering. Nachdem es in den vergangenen Wochen langsam wieder aufwärts gegangen ist, treffen die scharfen Maßnahmen die Betreiber hart

Von Florian J. Haamann und Franziska Schmitt, Fürstenfeldbruck

Die Stimmung unter den Kulturschaffenden im Landkreis ist angesichts des erneuten Lockdowns angespannt. Bei vielen macht sich Frust breit. Beim Germeringer Roßstall-Theater will man diesem Unmut am Sonntag mit einer Installation Ausdruck verleihen. Von 14 Uhr an versammeln sich die Künstler im Innenhof des Theaters. "Wenn wir nichts mehr machen dürfen, dann stehen wir halt rum", sagt Theaterleiterin Cecilia Gagliardi. Jeder, der möchte, sei dazu eingeladen, sich zu beteiligen. Egal ob mit Musikinstrument, Buch oder einfach nur so. Eine Anmeldung per Mail an cgagliardi@web.de ist erwünscht. Am Roßstall wurde mit "Frühschicht bei Tiffany" gerade das erste Stück seit März inszeniert, die Premiere war vor zwei Wochen. "Die Stimmung ist wirklich nicht gut. Wir haben, wie so viele andere auch, riesige Bemühungen unternommen, die Kasse verlegt, Plexiglasscheiben eingebaut, das Stück angepasst, damit genug Abstand auf der Bühne ist, es wurde gekürzt, es gab eine Maskenpflicht auch am Platz - und jetzt sehen wir, dass das alles nichts genützt hat", sagt Gagliardi. Wie es nun weitergeht, könne sie noch nicht sagen. Eigentlich sollte es zusätzliche Aufführungen des Stücks geben, nun sei nicht einmal klar, ob es überhaupt noch einmal gezeigt wird.

Ähnlich frustrierend ist der erneute Lockdown für die Neue Bühne Bruck. Denn dort wiederholt sich die Geschichte. Am Wochenende vor dem ersten Lockdown hatte man mit einer Inszenierung von Felix Krull Premiere, nach der zweiten Aufführung war das Schluss. Am Freitag vor einer Woche feierte "Das Abschiedsdinner" Premiere, am Samstag gab es die zweite Aufführung, die dritte war für kommende Woche geplant. "Man muss sich eben beugen, es hilft ja nichts. Und wir sind ja noch in einer besseren Situation als die Theater, die davon leben müssen, die meisten von uns betreiben das ja 'nur' als Hobby. Trotzdem tut es mir leid um die viele Arbeit die in der Produktion steckt", sagt Neue-Bühne-Chef Alexander Schmiedel.

Auch wenn er sich noch nicht einmal sicher sei, ob es im Dezember wirklich weitergehen kann, sollen die Proben für das eigentlich für Ende November geplante Kinderstück "Ein Schaf fürs Leben" weitergehen. Er sei auch deshalb enttäuscht, weil man in den letzten Wochen einfach gemerkt habe, dass die Leute dankbar für das kulturelle Angebot seien und es gut angenommen haben. Sollte es im Dezember weitergehen, überlegt die Neue Bühne einen zusätzlichen Spieltag pro Woche anzubieten, um möglichst vielen Besuchern ein Angebot machen zu können.

"Wir hatten es zwar vermutet, aber doch gehofft, dass die Kultur vielleicht ein bisschen außen vor bleibt", sagt Claudia Hassel von der Brucker Künstlervereinigung. "Ich habe schon Verständnis für die Maßnahmen, aber es tut halt weh. Aber wir müssen da irgendwie da durch". Nachdem die Ausstellungen und Workshops für November abgesagt sind, ist die große Hoffnung der Künstler, dass im Dezember wieder geöffnet werden darf. Denn da plant die Künstlervereinigung eine große Verkaufsausstellung mit Kleinformaten. "Da könnten die Leute ein bisschen Kunst kaufen, um die Künstler zu unterstützten, die jetzt ja wenigstens weiter arbeiten, aber nicht an die Öffentlichkeit gehen können", sagt Hassel.

Mit einer gewissen Portion Galgenhumor reagiert Marita Kuhn vom Veranstaltungsforum Fürstenfeld auf den erneuten Lockdown. "Immerhin wissen wir jetzt mal vier Wochen, was passiert, das gibt uns eine gewisse Planungssicherheit." Denn gerade für die großen Veranstaltungshäuser waren die vergangenen Wochen chaotisch. Je nach Inzidenz durften Veranstaltungen mal mit mehr oder weniger Besuchern stattfinden, was häufig Absagen oder Verschiebungen mündet ist, weil bereits mehr Karten verkauft waren, als Zuschauer zugelassen waren. Die Arbeit werde durch den Lockdown aber nicht weniger, sagt Kuhn. Jetzt gehe es darum, mit den November-Künstlern nach neuen Terminen zu suchen und die Kunden zu informieren. "Wir hoffen natürlich auch, dass es bald wieder weitergeht. Wir könnten auch das Haus erst einmal zu machen, aber das wollen wir nicht. Ich glaube kaum eine Branche ist flexibler als der Kulturbereich und die Gastro. Die Künstler kämpfen ums Überleben und sie leben auch vom Applaus. Das wollen wir ihnen ermöglichen".

Gedrückt sei die Stimmung in seinem Haus, berichtet Michael Kaller, der Leiter des Puchheimer Kulturzentrums Puc. Für den erneuten Lockdown im Kulturbereich hat er "eigentlich kein Verständnis. Ich finde, es wird immer noch viel zu undifferenziert vorgegangen. Ich glaube, die Maßnahmen werden dem Infektionsgeschehen nicht gerecht. Alle Besucher, die bei uns waren, haben die Hygienemaßnahmen ausdrücklich gelobt und betont, wie sicher sie sich gefühlt haben". Vor allem aber fürchtet er auch Konsequenzen für die Gesellschaft. "Mit der Kultur bricht jetzt wieder ein ganz wichtiger Bereich der Öffentlichkeit weg. Das wird uns als Menschen nicht gerecht. Es verlangt uns zuviel ab, wenn wir nur zuhause vor dem Fenster sitzen sollen und es ab vier Uhr schon dunkel ist".

Nach Ansicht von Alexander Rusch, dem Inhaber und Geschäftsführer des Cineplex in Germering, gehören die Kinos gerade zu den sichersten Orten. "Aus den Studien zum Infektionsgeschehen geht kein Fall hervor, bei dem eine Infektion auf einen Kinobesuch zurückgeführt wurde," sagt Markus Schmölz, Geschäftsführer des Scala Kinos. Dementsprechend treffe die bevorstehende Schließung bei den Kinobetreibern auf Unverständnis.

Bisher sind die Kinobetreiber des Landkreises zwar noch guten Mutes, die vier Wochen finanziell überstehen zu können. In dieser Zeit können sie sich mit 75 Prozent des Umsatzes aus dem vergangenen Jahr vom Staat unter die Arme greifen lassen. Was ihnen Sorgen bereite, sei, dass das Kino bei den Menschen in Vergessenheit geraten könnte und, wie es Petra Löw ausdrückt, die "Kinokultur aussterben" könnte. Löw ist Inhaberin der Gröbenlichtspiele und selbst leidenschaftliche Kinogängerin.

Ein weiteres Problem könnte sein, dass es bald keine neuen Filme mehr zu zeigen gibt. Das gelte zumindest für die Kinos, die internationale Blockbuster auf die Leinwand bringen wollen. Mindestens sechs Wochen bräuchten Filmverleihe, um Neuerscheinung zu bewerben, erklärt Löw. "Ob dann die Kinos noch oder wieder offen haben oder nicht - dieses Risiko wollen die meisten Verleihe nicht eingehen," erklärt Schmölz. Er glaube jedenfalls nicht, in diesem Jahr wieder öffnen zu können.

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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