Türkenfeld:Hautkrankheit

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Macht aus der Hautfarbe ein Kabarettprogramm: Simon Pearce, hier bei einem Auftritt in Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Simon Pearce karikiert das Schwarzsein

Von Edith Schmied, Türkenfeld

Als einzige schwarze Familie - es ist von der Hautfarbe die Rede - in Puchheim aufzuwachsen, das färbt ab. So sehr, dass es bei Simon Pearce das beherrschende Thema seines ersten Soloprogramms ist, in dem er bewusst mit dem Schwarzsein kokettiert. Gibt ja auch eine Menge her. Vor allem an Vorurteilen, die der Deutsch-Nigerianer hemmungslos und lustvoll bedient. Klischees, die er, ehrlich gesagt, bei allem schwarzen Humor, bedenkenlos überstrapaziert. Besonders dann, wenn es um das Thema Sex geht. Okay, vieles an diesem Abend ist kein Witz, sondern Realität. Aber manches ist einfach zu dick aufgetragen, auch wenn Kabarett zwangsläufig von Übertreibungen lebt. Das Publikum im voll besetzten Saal des Gasthofs Unterwirt in Türkenfeld amüsierte sich trotzdem.

Über den pechschwarzen Vater, studierter Politikwissenschaftler, der mit seinen sonntäglichen Schlachtritualen - Machete saust auf kopflose Hühner nieder - den Kumpel seines Sohnes verschreckt und die zart aufflammende Freundschaft schon im Keim erstickt. Muddi, Volksschauspielerin Christiane Blumhoff, die einzige Weiße in der Familie, ist die Wilde. Sie versucht ihre Titten bedingt erfolgreich im Muskelshirt zu verstecken und knabbert während der Kommunion in der Kirche Hühnerknochen, wo doch hier vorrangig der Leib Christi, die Hostie, verspeist wird. "Neger nagen eben gerne", lautet Simons Fazit. Die Familie Pearce steht im krassen Gegensatz zur entschleunigten Sauberkeit in ordentlichen weißen Haushalten. Allerdings verhilft dem jungen Simon die Betroffenheit über das Leid Afrikas dort gelegentlich zu einem ordentlichen Mittagessen.

Im Bestreben, ein echter Nigger zu werden und den Klischees zu entsprechen, beginnt Simon eine Gangsterausbildung. Aber so sehr er sich auch anstrengt, er kriegt's einfach nicht gebacken. Sprayen (abwaschbare Farbe), Klauen (eine Dose Hundefutter, die er wieder zurückbringt) - alles endet im Debakel. Der coole Gang bringt's auch nicht. Der endgültige Ritterschlag zum Nigger geht anders, mit einer Portion herzerfrischender Frechheit. Alten Damen, die in seinem Kraushaar wühlen und entzückt ausrufen "Mei, wie ein Schaf", gewöhnt er das mit einem Griff an die faltige Gurgel und einem "Mei, wie ein Truthahn" ab.

Klar, dass bei dem Thema Schwarzsein die Polizei nicht ungeschoren davonkommt. Deren Spezialität ist, so der Betroffene, die "Rasta-Fahndung". Im Klartext bedeutet das Ausweiskontrolle und Drogentest, gerne auch auf offener Straße mit Gummihandschuhen. Schließlich begegnet Simon diesen Schikanen mit Ironie und vorauseilendem Gehorsam. Beim Anblick eines Polizisten zückt er seinen Ausweis, lässt die Hose runter und bietet sich an: "I war dann soweit."

München, die Stadt der Toleranz und Hauptstadt der Bewegung, die der Rechtsradikalen, ist ein weites Feld, das der Comedian gerne und witzig beackert. In den Clubs lungern eine Menge Typen herum, die der gelernte Schauspieler gekonnt parodiert, besonders deren Tanzstil, von Techno bis Reggae. Mit seinem Bewegungstalent und der charmanten Performance erreicht er beim Türkenfelder Publikum volle Punktzahl und eine Menge Applaus. Und da äfft er noch Gil nach, sie ist der Inbegriff es Gutmenschen. Sie schlängelt sich selbstvergessen durch ihr eigenes esoterisches Nirwana, hat das Peace-Zeichen in Herz und Hose und schwafelt das einschlägige Vokabular herunter. Wie sehr Simon allein die politisch übertrieben-korrekte Bezeichnung "Maximalpigmentierter" auf den Senkel geht, zeigt seine Reaktion: "Das klingt ja wie eine Hautkrankheit." Den einzig möglichen, passenden Ausdruck erfährt man an diesem Abend freilich nicht. Das bleibt Simons Geheimnis.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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