Trotz Bauboom:Entsiegeln statt bebauen

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Auf dem knapp 5000 Quadratmeter großen Areal stehen ein großes Holzhaus und ein noch bewohnter Anbau. (Foto: Günther Reger)

In Puchheim soll die Bürgerstiftung ein Grundstück mit zwei Wohnhäusern in eine öffentliche Parkanlage umwandeln

Von Gerhard Eisenkolb, Puchheim

Angesichts des Wohnungsmangels und exorbitant steigender Bodenpreise entstehen zurzeit im Landkreis auf fast jedem bebaubaren Fleckchen Häuser. Und er Boom verschont selbst viele der letzten nur spärlich bebauten, parkähnlichen Privatgrundstücke mit altem Baumbestand nicht. Diese werden aufgeteilt und oft ebenso dicht bebaut wie die angrenzenden Reihenhaussiedlungen. Doch es kann auch anders laufen, als man es gewohnt ist. Häuser lassen sich abreißen, Boden entsiegeln und die gewonnene Fläche an die Natur zurückgeben, beispielsweise als öffentlicher Park. Vor dieser Aufgabe aktuell steht die Bürgerstiftung für den Landkreis in Puchheim.

Um es genauer zu sagen, ist der gemeinnützigen Bürgerstiftung ist diese Herausforderung durch ein Testament aufgetragen worden. Es geht um ein mitten in einem Wohngebiet gelegenes, nicht ganz 5000 Quadratmeter großes Areal zwischen der Sandberg- und der Münchner Straße. Als einzigartig gilt dort der Bewuchs mit Fichten, Tannen, Weiden und Kiefern, zu finden sind auch eine 110 Jahre alte Linde und eine nicht viel jüngere, mächtigen Buche.

Laut Verfügung der im Dezember 2012 gestorbenen Fotografin Tamara Bründl ist ihr Grundbesitz in den Naturzustand zurückzuversetzen und für die Öffentlichkeit zu öffnen. Das heißt, ein Isartaler Holzhaus aus den Wirtschaftswunderjahren der Nachkriegszeit und ein noch von einem älteren Ehepaar bewohnter Anbau sowie Garagen sind zu beseitigen. Zudem ist die Stadt Puchheim dazu zu bringen, das Baurecht von dem Gelände zu nehmen. Für jemanden, der in wirtschaftlichen Kategorien denkt, mag das unverständlich klingen. Läge es doch nahe, das Bauland zu verkaufen, also den Planungsgewinn zu realisieren, und mit dem Erlös irgendwo am Stadtrand eine großzügige Parkanlage zu errichten.

Helmuth Stolle begründet, warum das nicht geht. "Testament ist Testament", sagt der ehemalige Stiftungsvorstand, der in den vergangenen fünf Jahren den Bründl-Nachlass betreute, zu dem auch ein Aktienpaket zur Finanzierung der Abrissarbeiten und des Parks gehört. Für eine Stiftung ist der Stifterwille als bindende Vorgabe nun mal Gesetz. Darüber, dass auch umgesetzt wird, was die Stifterin verfügte, wacht die Stiftungsaufsicht der Regierung von Oberbayern. Deshalb bleibt nur eine Möglichkeit: der Park auf dem vererbten Grundstück.

Stolle verbindet diese Aufgabe mit großen Chancen. Wertet doch das öffentliche Grün das Wohnviertel auf und könnte zudem noch eine identitätsstiftende Wirkung für die Bürger entfalten. Und er verweist auf den in der Satzung unter anderem vorgegebenen Stiftungszweck Naturschutz. Zwar ist die fast zwanzig Jahre alte Bürgerstiftung vor allem durch ihr soziales Engagement bekannt. Wofür ihre vier Tafeln, die Streitschlichter, das Neugeborenenprojekt "Willkommen im Leben" oder die Seniorenhilfe "Sonnenstrahl" stehen.

Wie bei ihren anderen Projekten verbindet die Bürgerstiftung mit dem Bründl-Anwesen ehrgeizige Ziele. Am einfachsten wäre es, die Zäune abzubauen und einen Weg durch das Gelände zu ziehen. Und fertig wäre der Bürgerpark. Nicht nur weil das Areal relativ klein ist, verbietet sich eine solche Lösung. Wie Stolle beteuert, gehe es um ein innovatives, Maßstäbe setzendes Konzept der Garten- und Landschaftsgestaltung unter Bezug auf die vorgegebenen Möglichkeiten. Dafür reicht eine grüne Wiese mit ein paar Bäumen, wie es sie überall gibt, nicht. Nur dann besteht die Chance, dass nicht nur die Nachbarn den Park nutzen, sondern sich auch andere Besucher für ihn interessieren.

Ein überzeugendes Konzept soll nicht nur die Stadt dazu bringen, das Baurecht zu streichen. Von einer gelungenen Planung hängt auch ab, dass der Park, wie das künftige Freizeitgelände um die in der Nachbarschaft gelegenen Böhmerweiher, ein Element in einem Netzt von Naherholungsräumen wird, von denen zwar jedes seine Eigenarten hat, die aber miteinander in Verbindung stehen und den Landkreis neu erlebbar machen. Ganz wie in dem Bürgerstiftungsprojekt "nahTourBand", einem Netzwerk von beschilderten Fahrrad- und Wegstrecken durch den Landkreis, das interessante Landschaften, Kulturdenkmäler und naturnahe Freizeiteinrichtungen erschließt.

Solche Überlegungen passen zum Entwicklungskonzept für den Landkreis, in dem beispielsweise die Freiflächen zwischen Eichenau, Puchheim, Gröbenzell und Olching vorausschauend als "Landschaftspark" definiert werden. Also als Freifläche, die sowohl der Naherholung als auch der landwirtschaftlichen Nutzung dient. Noch sind das nur Visionen. Innovative Ideen und Anregungen zur Gestaltung eines beispielgebenden Bründl-Parks erhofft sich Stolle von einem Projekt mit Studenten des Lehrstuhls für Landschaftsarchitektur und industrielle Gestaltung der TU München in Weihenstephan. Zum Lehrstuhl hat er bereits erste Kontakte geknüpft.

Bis eine Gartenbaufirma den Park anlegen kann, vergehen noch Jahre. Dem älteren Ehepaar, an das das kleinere Haus vermietet ist, räumte Tamara Bründl in ihrem Testament nämlich ein Wohnrecht samt Nutzung eines Gartenanteils auf Lebenszeit ein. Da die Stiftung auch zu dieser Verpflichtung steht, kann sie vorerst nur planen. Ansonsten muss sie die Aktivitäten auf die Pflege des Grüns und den Erhalt der Bäume beschränken.

Von der Übergangsphase profitiert auch die Gröbenzeller Künstlergruppe Gröbenart. Deren Mitglieder haben im Obergeschoß des Isartaler Holzhauses Ateliers eingerichtet, das Erdgeschoß nutzen sie für Ausstellungen. Auch hier folgte die Bürgerstiftung den Vorgaben des Testaments, das eine Zwischennutzung bis zum Abriss durch Künstler oder eine Einrichtung für Kinder vorgibt.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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