Treuer Fan:"Ich hab' es mir schlimmer vorgestellt"

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Am Ziel: 2014 marschierte Volker Keidel zu Fuß von München nach Hamburg. Die Ankunft am Volksparkstadion war erst mal einen Jubel wert. (Foto: oh)

Volker Keidel ist glühender HSV-Verehrer. Nun ist sein Lieblingsklub aus der Bundesliga abgestiegen. Er erzählt, wie er den Schicksalsschlag verkraftet hat und warum er sich als Franke und Wahl-Puchheimer ausgerechnet Hamburg ausgesucht hat

Interview Von Heike A. Batzer, Puchheim

Der Hamburger SV ist nach 55 Jahren in der Fußball-Bundesliga erstmals abgestiegen. Das dürfte für den Landkreis Fürstenfeldbruck von eher randständiger Bedeutung sein, lebte nicht in Puchheim der glühende HSV-Verehrer Volker Keidel. Der Buchhändler, Autor und Fußballfan hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, die sich unter anderem um Fußball drehen ("Das Wunder von Bernd", "Mein Ditmar Jakobsweg", "Bierquälerei", "Massenbierhaltung", das Hörbuch "Hopfen & Malz & Hrubesch & Kaltz"). Die SZ sprach mit ihm über das Schicksal seines Lieblingsklubs.

SZ: Jetzt ist es passiert. Der Hamburger SV ist abgestiegen. Haben Sie schon ein wenig Luft geholt?

Volker Keidel: Ja, es geht mir gut. Ich hab' es mir schlimmer vorgestellt. Ich hab das Spiel nur in einer Kneipe gesehen, aber selbst da hat man gemerkt, was für ein magischer und würdevoller Abschied das im Stadion war. Abgesehen von den peinlichen Randalierern.

Dass es den HSV erwischen würde, war nach den Jahren, in denen er gerade so die Relegation überstanden hat, doch nur noch eine Frage der Zeit.

Ja. Auch deshalb tut es nicht so weh. Nach fünf bis sechs Jahren auf der Palliativstation ist der Abstieg auch irgendwie eine Erlösung. Doof ist halt, dass wir gerade jetzt zum ersten Mal in dieser Zeit wieder richtigen Fußball spielen.

Sie haben am letzten Spieltag sogar noch bei einer Sportwette 120 Euro auf einen Hamburger Sieg und eine Wolfsburger Niederlage gesetzt. Das war demnach kein echter Tipp, sondern eher Ihr Wunschergebnis.

Ich wollte einfach sichergehen, dass ich im Falle des Klassenerhalts erstligareif feiern kann. Das geht mit 1000 Euro einfach besser als mit 120. Schade drum, ich hätte alles gegeben.

Was hat der HSV falsch gemacht?

Für mich ist das schwer zu beurteilen. Wahrscheinlich gibt es beim HSV einfach zu viele Leute, die nicht an einem Strang ziehen. Jeder will sich profilieren, eine klare Linie geht dadurch verloren.

Auch Ihr Kumpel Bernd Hollerbach, mit dem Sie mal in der C-Jugend gekickt haben, kam als zwischenzeitlicher HSV-Trainer in dieser Saison nicht über sieben sieglose Spiele hinaus. Hätten Sie ihm mehr zugetraut?

Klar hätte es noch mal klappen können, über den Willen und Kraft in der Liga zu bleiben. Ich hätte es Bernd sehr gegönnt!

Der Puchheimer Bäcker Martin Schönleben, ein Bayern-Fan, hat eigens eine Nichtabstiegs-Semmel mit der HSV-Raute kreiert. Haben Sie schon welche bei ihm bestellt?

Ja, hab ich. Leider erst am letzten Samstag, da war es vielleicht zu spät. Aber es ist schön, wie viele Leute hier mittlerweile mit mir mitleiden. Herrn Schönleben kannte ich nur über Facebook, dann startet er als eigentlicher Bayern-Fan so eine Aktion - da geht mir das Herz auf, ehrlich.

Echte Fans zitieren bei einem Misserfolg dieser Größenordnung gerne den Satz: "Liebe kennt keine Liga". Wie geht es mit Ihrer Liebe zum HSV jetzt weiter?

Seit Samstag habe ich mehrmals am Tag Tränen in den Augen, weil ich mir auf Youtube anschaue, wie das ganze Stadion, als der Abstieg besiegelt war, "Mein Hamburg lieb' ich sehr" gesungen hat. Ich freue mich tatsächlich auf die nächste Saison. Wenn 5000 Hamburger nach Sandhausen fahren.

Warum haben Sie sich eigentlich als gebürtiger Franke und Umland-München-Bewohner ausgerechnet den HSV für Ihre Fußballleidenschaft ausgesucht? Es wäre doch auch einfacher und erfolgreicher gegangen, mit dem FC Bayern zum Beispiel.

Der HSV war gut, als ich klein war. Dann spielten da damals Legenden wie Kevin Keegan und Peter Nogly. Dazu die Raute und die schönen Stutzen, es war schnell um mich geschehen. Wenn ich jetzt Bayern-Fan wäre, würde ich es nicht zugeben, aber alles wäre noch viel schlimmer. Ich würde mich nicht mehr wirklich über eine Deutsche Meisterschaft freuen, weil es zu normal geworden ist. Das ist doch die wirkliche Tragödie.

Vor vier Jahren haben Sie eine Pilgerreise zum HSV unternommen. Fast 900 Kilometer zu Fuß von München nach Hamburg mit einer Meisterschalenattrappe im Gepäck. Sie sagten, Sie wollten den Erfolg symbolisch zurückbringen. Hat nicht geklappt. Hat aber wenigstens den Autor Volker Keidel deutschlandweit bekannt gemacht, oder?

Ich wollte für diesen "Ditmar-Jakobsweg" im Gegenzug eine Meisterschaft zu meinen Lebzeiten. Das muss der Fußballgott irgendwie falsch verstanden haben und jetzt bekomme ich eventuell nur eine Zweitliga-Meisterschaft. Vielleicht muss ich mich noch mal auf den Weg machen. Die Wanderung hat mir sicher auch als Autor geholfen, aber noch schöner ist, dass ich so viele HSVer kennengelernt habe. Sowohl im Verein als auch Fans in ganz Deutschland, die im Auto sitzend die Scheibe runtergekurbelt und mir "Nur der HSV!" entgegen gebrüllt haben. Der HSV ist überall, so viel steht fest.

Werden Sie den Abstieg des HSV in einem neuem Buch verarbeiten?

Nein, wie gesagt, ich muss nichts verarbeiten, mir geht es gut. Ich freue mich sehr auf die Zweite Liga, bin gespannt auf Neuzugänge und Abgänge, frage täglich am Kiosk nach dem neuen Kicker-Sonderheft und kriege jetzt schon wieder feuchte Handflächen, wenn ich an den ersten Spieltag denke. Ich bin verliebt, mehr geht nicht, nur der HSV!

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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