Tradition:Die schwimmende Villa Kunterbunt

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In drei Wochen werden die Luzienhäuschen wieder auf der Amper leuchten. Der Brauch stammt aus dem 17. Jahrhundert. Er soll gegen Hochwasser helfen. 286 Häuschen sind in Fürstenfeldbruck ausgestellt

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

"Hier sind keine Häuschen." Es schwingt ein Vorwurf mit, als der Bub, höchstens fünf, seine Beobachtung auf der Schwelle zur Sparkasse mitteilt. "Da musst du noch um die Ecke schauen." Das Gebrumme des Großvaters geht schon im Begeisterungsjubel des Buben und seiner jüngeren Schwester unter. Gespannt laufen die Kinder auf die am Rande des großen Saals stehenden Luzienhäuschen zu. In unterschiedlichsten Farben und Formen stehen auf drei Ebenen bunte Häuschen, manche eingezäunt und oder mit Balkon. Einige ähneln Burgen oder Kirchen, sogar ein Tipi ist dabei. Ein paar der Objekte erinnern an Bauwerke in der Kreisstadt.

Am Donnerstagmittag ist in der Sparkasse wieder Ruhe eingekehrt, nur der übliche Publikumsverkehr. Keine 30 Minuten zuvor war der ganze Saal erfüllt vom Getuschel und Gemurmel von rund 80 Grundschulkindern: den kleinen Architekten und Erbauern der aus Sperrholz und Pappe hergestellten Häuschen. Sie waren zur offiziellen Ausstellungseröffnung gekommen, voll Stolz auf die eigenen Werke und voller Bewunderung und Neugier für die Ideen anderer.

286 Luzienhäuschen haben Fürstenfeldbrucker Grundschulkinder mit ihren Familien gebaut. (Foto: Matthias Döring)

Die Philipp-Weiß-Grundschule hat den seit dem 17. Jahrhundert in Fürstenfeldbruck existierenden Brauch des Luzienhäuschen-Schwimmens nach hundertjähriger Pause nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufleben lassen. Mit wachsendem Erfolg. In diesem Jahr haben auch Kinder der Grundschule Mitte Häuschen gebastelt. Insgesamt stehen 286 Behausungen in der Sparkasse am Hauptplatz. "Das ist ein neuer Rekord", sagt Johann Buchfelner, der neue Direktor der Sparkassenfiliale. Die Institution bietet den Objekten Jahr für Jahr ihren Raum am Hauptplatz, unweit des Amperufers, für die Ausstellung. Am 13. Dezember werden die Häuschen, beleuchtet mit Kerzen, nachts auf der Amper ins Wasser gelassen.

Dieser Brauch solle die Fürstenfeldbrucker vor Hochwasser bewahren, erklärt Franz Höfelsauer. Der CSU-Stadtrat darf für die Stadt, die das Luzienhäuschen Jahr für Jahr organisiert, die Ausstellung eröffnen. "Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele Leute kommen, um eure Häuser anzuschauen", berichtet der Bäckermeister von der alljährlichen Stollenprüfung, die - ebenfalls in der Vorweihnachtszeit - in den gleichen Räumen stattfinde. Da habe er das Interesse an den Luzienhäuschen schon oft miterlebt.

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(Foto: Matthias Döring)

Manche Häuser haben Windmühlenflügel,...

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(Foto: Matthias Döring)

...andere haben ein Grasdach.

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(Foto: Matthias Döring)

In manchem Vorgarten befindet sich ein Dixi-Klo.

Die Grundschüler interessieren sich auch für die Häuschen der anderen Schüler. "Guckt mal, das hat eine Hausnummer, da steht 16 a." Ein Mädchen mit langen, blonden Haaren deutet auf ein helles Häuschen mit roter Eingangstür, das ein bisschen an das Heim von Pippi Langstrumpf erinnert. Ihre beiden Freundinnen geben ihr recht. Als nächstes haben die Mädchen ein Haus im Visiers, dessen Fassade mit echten Marshmallows beklebt ist.

"Kein Styropor, kein Plastik", eben umweltfreundliche Materialien, das sei im Grunde die einzige Vorgabe für die Schüler, bevor sie zu basteln beginnen, erklärt eine Lehrerin der Philipp-Weiß-Grundschule. Denn die Häuser werden schließlich der Amper übergeben. Natürlich sollte die Häuschen auch so konstruiert sein, dass sie auf der Amper schwimmen und man sie mit einer Kerze erleuchten kann.

So verschieden die Häuser sind, so unterschiedlich ist auch ihre Entstehungsgeschichte: Es gibt Gemeinschaftsprojekte mehrerer Schüler und Kooperationen ganzer Familie. "Da basteln auch die Väter mit", weiß die Lehrerin.

Manchen Häusern, etwa dem mit dem charakteristischen Walmdach, sieht man den professionellen Einfluss an. Aber das mindert die Freude an dem Spektakel keineswegs. Im Gegenteil. Schließlich sind die Luzienhäuschen ein Brauch für die ganze Familie.

Luzienhäuschen-Ausstellung, bis einschließlich Donnerstag, 13. Dezember, zu den Öffnungszeiten in der Sparkasse Fürstenfeldbruck, Hauptstraße 8

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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