Theater:Abgründe in der Kuschelecke

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Eigentlich will Literaturprofessor Pierre (Gerhard Jilka, vorne) nur einen gemütlichen Abend mit Freunden verbringen. Doch dann eskaliert es. (Foto: OH)

Die Neue Bühne Bruck inszeniert die Gesellschaftskomödie "Der Vorname". Erst wird gestritten, ob man sein Kind Adolf nennen darf, doch dann geht es schnell um Grundsätzlicheres

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Kaum einem Genre gelingt es so wunderbar, bürgerliche Fassaden einzureißen, wie der französischen Gesellschaftskomödie - und das eben nicht nur unterhaltsam, sondern auch immer mit einer Menge Gesellschaftskritik. Vor wenigen Jahren war es Yasmina Rezas Stück "Der Gott des Gemetzels", das erst auf allen Theaterbühnen rauf und runter gespielt und dann auch noch verfilmt wurde. In diesem Jahr hat "Der Vorname" von Alexandre de la Patellière und Matthieu Delaporte diese Rolle übernommen. Mitte Oktober wird die deutsche Verfilmung mit großer Starbesetzung (Florian David Fitz, Iris Berben, Christoph Maria Herbst) in den Kinos anlaufen. Bereits von diesem Freitag an zeigt die Neue Bühne Brück eine rasante und sehenswerte Inszenierung von "Der Vorname".

Die Beliebtheit des Stücks erklärt sich Gerhard Jilka, der in der Inszenierung den Literaturprofessor Pierre Garaud spielt, auch damit, dass es für das Publikum wie für Schauspieler und Regisseure gleichermaßen unterhaltsam ist. "Das ist einfach eine ganz eigene Art zu spielen. Weil es Richtung Boulevard geht und Tempo und perfektes Timing gefragt sind, ohne dass es zum Klamauk wird". Und Regisseur Frank Piotraschk ergänzt: "Ich glaube einfach, es ist immer lustig, wenn sich Leute streiten und man als Außenstehender zuschauen kann, ohne beteiligt zu sein."

Die Handlung ist simpel: Der Literaturprofessors Garaud und seine Ehefrau laden Freunde zu einem gemütlichen Abend in ihrer schicken Wohnung ein. Zu Gast sind auch Vincent und seine schwangere Frau Anna. Vincent, der ein begnadeter Selbstdarsteller ist, findet es dann allerdings irgendwann zu friedlich. Deshalb erklärt er der Runde, dass sein Sohn Adolf heißen soll. Die Debatte darüber, ob man sein Kind nach Hitler benennen darf, läuft schnell aus dem Ruder, und es geht um Grundsätzliches in den zwischenmenschlichen Beziehungen der Teilnehmer, Blicke in Tiefe menschliche Abgründe inklusive.

Eine Herausforderung, der man sich bei der Aufführung solcher Stücke stellen muss, ist, dass sie vor allem von den Dialogen leben und weniger von dem, was auf der Bühne passiert. Das birgt die Gefahr, dass die Inszenierung schnell zur Lesung mit verteilten Rollen gerät. Deshalb hat Piotraschke zu einigen radikalen Änderungen gegriffen. "Im Text ist das Bühnenbild aus Wohnzimmer beschrieben, in dem hin und her gelaufen wird, es wird Geschirr rumgetragen und so weiter. Das sind für mich Behelfsmittel dafür, dass überhaupt etwas passiert", sagt der Regisseur, "das habe ich alles gestrichen und das Bühnenbild stattdessen in eine Kissenlandschaft verwandelt. Im Grunde ist es ja eine Schlacht, die da statt findet, es geht richtig ans Eingemachte. Dafür habe ich eine passende Übersetzung gesucht".

Und auch Jilka erzählt, wie akribisch bei den Proben daran gearbeitet worden ist, genug Bewegung und Möglichkeiten für die Schauspieler herein zu bekommen. "Frank Piotraschke hat genau darauf geachtet, dass etwas statt findet. Und auch, dass alle stets die richtigen Positionen haben. Wer sitzt, wer steht, wer ist auf welcher Höhe, und welche Hierarchien werden damit deutlich. Das ist psychologisch unglaublich wichtig, weil der Zuschauer sonst sofort merkt, dass etwas nicht stimmt".

Die Rolle des Literaturprofessors habe ihm einige Arbeit abverlangt. Gerade beim Lernen des Textes. Denn Garaud bildet sich einiges auf seine philosophischen Kenntnisse und seine genaue Sprache ein. Ansonsten ist er ein pingeliger Gschaftlhuber, der versucht, seinen vom Weg abgekommenen Freund wieder auf die richtigen moralischen Bahnen zu lenken. "Ich finde gerade solche Rollen sehr spannend. Weil man sie richtig spielen muss, immer ein bisschen überhöht und drüber. Die Freude, die dabei bei uns entsteht, überträgt sich dann hoffentlich auch aufs Publikum".

"Der Vorname" an der Neuen Bühne Bruck, Premiere am Freitag, 21. September, um 19 Uhr. Nächste Aufführungen am 22., 28. und 29. September

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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